Griechen (Volksgruppe, Minderheit)

Griechen (Volksgruppe, Minderheit)

(1.) Zusammenfassende Bezeichnung für die seit Anfang des zweiten Jahrtausends v. Chr. in Griechenland eingewanderten indogermanischen Stämme, die sich dort mit der nichtindogermanischen Vorbevölkerung vermischten und durch die griechische Sprache verbunden sind.

(2.) Staatsvolk des heutigen Griechenland sowie Mehrheitsbevölkerung von Zypern und Minderheit in zahlreichen anderen Ländern.

Inhaltsverzeichnis

1 Name, Definition, Mehrdeutigkeit

Die frühen G. trugen den Namen Achäer, bis im 7. Jh. v. Chr. der Name Hellenen Verbreitung fand. Hellenen ist die Eigenbezeichnung des Volkes, ihr Land nennen sie Hellas (altgriech. Hellas, neugriech. Ellada), ihre Sprache hellenisch (altgriech. hellēnikē glōtta, neugriech. ellīnikī glōssa). Im Byzantinischen Reich verstand sich die christlich-orthodoxe Bevölkerung als Romäer (griech. rōmaioi, später rōmioi), eine Bezeichnung, die sich von Byzanz, dem zweiten Rom, ableitete. Nach der ersten neuzeitlichen griechischen Unabhängigkeit (1821) wurde der Begriff Hellenen wieder zur Eigenbezeichnung und wird auch von ursprünglich nicht-griechischen Gruppen in Griechenland als Eigenbezeichnung verwendet. Der lateinische Name graeci, aus dem sich auch das deutsche Wort G. ableitet, bezeichnete eine lokale Gruppe von Cumae bis Neapel, mit denen die Römer zuerst zusammentrafen und die sie nach der Heimat der angeblichen Gründer dieser Stadt, Graia auf Euböa, benannten.

2 Verbreitung, Bevölkerung, Griechen als Minderheit außerhalb Griechenlands

Die heutige Bevölkerung von 10,96 Mio. Einwohnern (2001) hat aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten Griechenlands verhältnismäßig wenig bebaubares Land zu ihrer Verfügung. Daraus ergibt sich auf diesen Flächen eine hohe Dichte von 220 Einwohnern pro km² gegenüber dem gesamtgriechischen Mittelwert von 83 Einwohnern (2001) je km². Die Bevölkerungsverteilung innerhalb des Landes ist sehr ungleich. Über zwei Drittel der griechischen Bevölkerung lebten 1981 in Höhen unter 100 m in den Becken, Küstenebenen, Küstenhöfen und Tälern, ca. 21 % im Hügelland und den Übergangsbereichen zwischen Ebene und Gebirge unter 600 m Höhe und nur knappe 10 % im Gebirge in Höhen über 600 m.

Die demographischen Eigenschaften der G. haben sich im Laufe des 20. Jh. stark an diejenigen der westeuropäischen Staatsvölker mit stagnierenden Wachstumsraten angeglichen, die Zahl der Kindergeburten ist mit 1,36 Kinder pro Familie sogar ausgesprochen niedrig (der europäische Durchschnitt liegt bei 1,5). In vielen europäischen Industrieländern liegt der Frauenanteil höher als in Griechenland. Die Scheidungsrate in Griechenland ist niedrig, da es bis vor kurzem noch keine Zivilehe gab und die Gesellschaft noch stark vom Mann bestimmt ist. Auf dem Lande ist das Zusammenleben in größeren Familien noch verbreitet, und die Frauen sind in vergleichsweise geringem Maße am Erwerbsleben beteiligt. Hingegen ist die Abtreibungsrate in Griechenland heute sehr hoch. Das auffällig hohe Heiratsalter der männlichen Bevölkerung in Griechenland erklärt sich aus dem immer noch bestehenden Brauch der Mitgift für die Töchter. Zunehmende Industrialisierung und Gastarbeiterwanderung machten das Ersparen der Mitgift leichter und ließen damit das Heiratsalter der Männer in den vergangenen Jahrzehnten auch kontinuierlich sinken, während das Heiratsalter der Frauen aufgrund zunehmender Emanzipation und Ausbildung nicht mehr sank.

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Die ethnische Homogenität der im heutigen Griechenland lebenden Bevölkerung ist weitgehend das Ergebnis der großen Bevölkerungsverschiebungen 1921–23: Fast 1,5 Mio. griechische Flüchtlinge kamen 1920–23 aus Kleinasien; 518.000 Türken und 92.000 Bulgaren verließen wenig später das Land. Während der osmanischen Zeit war die Bevölkerung auf dem Territorium des heutigen Griechenlands ethnisch stark gemischt, die G. in vielen Teilen, insbesondere Nordgriechenlands, zahlenmäßig in der Minderheit.

In den Gebirgen des Festlands siedelten – wie noch heute im PindosAromunen, in Zentralgriechenland christliche Albaner (Arvaniten). Vorwiegend griechisch besiedelt waren in Nordgriechenland Südwestmakedonien, Teile von Mittelmakedonien (Pierische Ebene, der südliche Teil der Ebene von Saloniki), die Halbinsel Chalkidike sowie die küstennahen Gebiete Ostmakedoniens (einschließlich Thasos) sowie Teile von Westthrakien (mit Samothrakī) und Ostthrakien (Evrostal bis Edirne). Städte mit größerem griechischem Bevölkerungsanteil waren in Makedonien (Land) Kastoria, Kozanī, Serres und Kavala. In Thrakien hatten die Städte Soufli, Didymoteichon, Alexandroupolī, Komotīnī und Xanthi eine starke griechische Bevölkerung. Auch Epirus, das erst nach den Balkankriegen zu Griechenland kam, war nur zum Teil griechisch besiedelt. An der Küste siedelten G. und Albaner in bunter Mischung bis auf die Höhe von Vlora im heutigen Albanien. Alte griechische Siedlungsgebiete in Epirus waren Abschnitte der epirotischen Küste, das Hügelland am Fluss Kalamas, das Bergland westlich Konitsa, das Becken von Ioannina, die Westseite des heute zu Albanien gehörenden Beckens von Gjirokastra und die Täler von Louros, Arachthos und Achelōos. In Kleinasien saßen G. bis zum Bevölkerungsaustausch an der Mittelmeerküste (an Bosporus und Dardanellen), an der Schwarzmeerküste (Pontus) bis zum Kaukasus und in vielen Städten des Landesinneren (Kappadokien).

Die Tatsache, dass nach 1951 keine Zahlen mehr zur ethnischen Struktur der Bevölkerung Griechenlands veröffentlicht wurden, zeigt, dass der Staat ein gespaltenes Verhältnis zu seinen Minderheiten hat, von denen nach dem Vertrag von Lausanne 1923 nur die Juden und Muslime (osmanische Türken, Pomaken, Zigeuner) einen offiziellen Minderheitenstatus besitzen (wie auch die in Istanbul, auf den Prinzeninseln, Imbros und Tenedos lebenden G. in der Türkei). Der in Griechenland oft inbrünstig verteidigte Mythos von unvermischten althellenischen Eigenschaften im heutigen G.tum steht in starkem Kontrast zur These Jakob Fallmerayers, im heutigen christlichen G. flösse kein Tropfen ungemischten hellenischen Blutes mehr. In Räumen, die von osmanischen Besatzern kaum aufgesucht wurden, rühmt man sich bis heute, weitgehend frei von türkischem Einfluss zu sein. Andere Gruppen wie die Arvaniten und Aromunen wiederum sind kulturell mit dem G.tum derart dicht verschmolzen, dass sie erst bei genauerem Hinsehen und fast nur aufgrund ihrer anderen Sprache als Minderheit erkennbar werden.

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Durch die neuen Grenzziehungen nach den Balkankriegen entstand eine griechische Minderheit in Südalbanien, die mit Albanern vermischt in und um Gjirokastra sowie im Küstengebiet von Saranda und Himara lebt. Nachdem sich der Minderheitenschutz lange Zeit auf rudimentäre Volksschulbildung beschränkte, entstanden inzwischen weiterführende griechischsprachige Schulen. Die albanische Volkszählung sprach 1989 von 58.758 G., während in der griechischen Öffentlichkeit Schätzungen von über 300.000 Albanieng. verbreitet sind. Zählungen und Schätzungen werden dadurch erschwert, dass im Süden Albaniens auch griechisch-orthodoxe Albaner und Aromunen leben.

Auch in Zypern bilden die G. die überwiegende Mehrheit. Altansässige griechische Minderheiten außerhalb des griechischen Staatsgebietes leben weiterhin in Süditalien (Kalabrien, Apulien), den Balkanländern (besonders Südalbanien, weniger Bulgarien und Rumänien) sowie in kleinen Gruppen in Kleinasien (v. a. Istanbul), dem Sudan, Ägypten und Syrien. Darüber hinaus gibt es eine starke Diaspora in Westeuropa, Australien, Argentinien, Neuseeland, den Vereinigten Staaten sowie – nach dem Bürgerkrieg 1949 – in den ehemaligen sozialistischen Ländern Osteuropas. Die G. außerhalb der heutigen griechischen Staatsgrenzen sind eine bevölkerungsstarke Gruppe von mehreren Millionen. Eine Gesamtzahl von 3 bis 4 Mio. G. weltweit außerhalb Griechenlands könnte der Realität entsprechen.

3 Kultur

In klassischer Zeit haben die G. enorme Leistungen in allen Zweigen des geistigen Lebens, des Staatsrechts und der Kunst erbracht. Maßgebliche Erkenntnisse in Bereichen wie der Medizin, Geographie, Astronomie, Philosophie, Physik, Mathematik gehen auf Leistungen der antiken griechischen Kultur zurück. Vom Theater der griechischen Antike gingen die entscheidenden Impulse für das europäische Theater aus. Zahlreiche Werke der Weltliteratur wie die Geschichtswerke des Herodot und Thukydides sowie die Verse der Ilias und der Odysee und Theater sind Schöpfungen der antiken griechischen Kultur.

Für Kultur und Mentalität der heutigen G. waren die späteren Kultureinflüsse wie die byzantinische Kultur, aber auch die langwährenden Herrschaften der Franken, Osmanen und Venezianer prägender als die klassische Kultur der Hellenen. Bei dem Versuch der Anbindung einer kulturellen Kontinuität der heutigen G. mit den alten G. werden die wichtigen Epochen gerne ausgeklammert. Dabei hat auch das Griechenland der Neuzeit eine Fülle von bedeutenden Leistungen auf dem Gebiet der Literatur, Musik, Malerei, bildenden Kunst und Architektur hervorgebracht. Insbesondere die Beschäftigung mit Literatur ist im heutigen Alltagsleben Griechenlands weit verbreitet. Die hohe internationale Anerkennung der neugriechischen Kultur spiegelt sich auch in der Nominierung mehrerer Nobelpreisträger für Literatur wider. Trotz unverkennbarer Beeinflussung durch das westliche Europa erlangten Kunst und Literatur eine unverwechselbare Eigenständigkeit, die aus der Verbindung von überkommener Volkskultur, Rückbesinnung auf die Antike und Byzanz und der genannten Einflüsse beruht.

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Die in Griechenland demotische Musik (›dīmotika‹) genannte Musikkategorie bezeichnet Volksmusik im klassischen Sinn; die ältesten erhaltenen Lieder beziehen sich auf die Grenzwächter des Byzantinischen Reichs (›akritika‹) und die Heldengesänge der griechischen Rebellen im Osmanischen Reich (›kleftika‹). Die Volksmusik verfügt über eine enorme Vielfalt regionaler Ausprägungen. Neben balkanischen (albanischen, südslawischen), abendländischen und byzantinischen Elementen hat sie viele Gemeinsamkeiten mit orientalischer Musik. Bestimmte Eigenschaften gehen bereits auf die Antike zurück (die Verbreitung asymmetrischer Taktarten mag hierzu gehören), in der bereits kultureller Austausch zwischen Orient und Okzident stattfand. Teilweise lassen sich die Gemeinsamkeiten mit orientalischer Musik eher mit der langen osmanischen Herrschaft sowie durch die engen Kontakte erklären, welche Byzanz mit dem orientalischen Kulturkreis hatte.

4 Volksmusik und -kultur

Von der Volksmusik sind ›Rembetika‹ und ›Laika‹ abzugrenzen. Der Begriff ›Rembetika‹ wird für zwei Musikstile Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. verwendet: die Musik der Musikcafés kleinasiatischer Küstenstädte einerseits, die Musik der Unterwelt von Athen und Piräus andererseits. ›Laika‹ kommt hingegen eher eine Unterhaltungsnote zu, es ist also eher eine Art Populärmusik. Stark venezianisch beeinflusst sind die Kantaten und Balladen, die von der Bourgeoisie griechischer Städte gespielt wurden. Venezianische Musiktraditionen hatten auf den Ionischen Inseln besonders starken Einfluss. Die neugriechische Kunstmusik bezieht wesentliche Kräfte aus der Volksmusik, aber auch aus der byzantinischen Kirchenmusik. Zu der Mehrzahl der Volkslieder existieren Tänze, die regional höchst unterschiedlich sind. Die meisten Tänze sind Reigentänze (›syrtoi‹), zu denen auch der weitverbreitete Tanz ›Kalamatianos‹ zählt, dessen 7/8-Rhythmus bereits auf Versformen der Antike zurückgehen mag. Weit verbreitet ist auch der ›tsamikos‹-Tanz (meist 6/8), der ursprünglich unter den „Kleften“ getanzt wurde und ein Männertanz war. Der international bekannte Syrtaki, der weithin das Klischee zu griechischer Musik prägt, ist eine moderne künstliche Form des Reigentanzes, die sich aus Elementen verschiedener Tänze zusammensetzt und mit Volksmusik nichts zu tun hat. Flüchtlinge aus Kleinasien brachten die pontischen Tänze aus dem Schwarzmeergebiet (Pontus) mit nach Griechenland, die in den Ansiedlungen der Flüchtlinge gepflegt werden und sich durch Temperament und hohe Geschwindigkeit auszeichnen. Die heutigen türkischen und lasischen Bewohner der östlichen Schwarzmeerküste pflegen bis heute eine nahezu identische Folklore. Die Pflege lokaler Volkstänze ist seit einigen Jahrzehnten Mode wie in keinem anderen Land Europas. Volkstrachten werden fast nur noch von Folkloregruppen und einzelnen Personen an Feiertagen getragen.

Tief in der Mentalität verankert sind die Eigenschaften eines spezifisch griechischen Ehrgefühls (›filotimo‹) und die vielgerühmte Gastfreundschaft (›filoxenia‹). Das Wort ›xenos‹ bezeichnet gleichermaßen den Fremden und den Gast, und so wird mit diesem Begriff zunächst stets der Mitmensch und nicht der Vertreter einer Nation oder Institution bezeichnet. Diese in Griechenland als spezifisch griechisch empfundenen Mentalitätseigenschaften sind jedoch auch im benachbarten balkanisch-kleinasiatischen Raum zu finden.

4.1 Feiertage

Unter den kirchlichen Festen ist das Osterfest das wichtigste. Namenstage werden unter Freunden, Verwandten und Nachbarn gefeiert, Geburtstage hingegen nicht. Weiter wichtige Feiertage sind Rosenmontag (›Katharī Deftera‹), Karfreitag, Ostersonntag und -montag, Pfingsten und Mariä Himmelfahrt.

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4.2 Religion

Bei der Erhaltung der griechischen Kultur und der nationalen Identität in der Zeit der Türkenherrschaft kam der Kirche besondere Bedeutung zu. Die christlich-orthodoxe Religion ist daher eng mit der neugriechischen Kultur verbunden. 97 % aller griechischen Staatsangehörigen gehören der orthodoxen Kirche (Ostkirche) an. Sie zeichnet sich gegenüber der katholischen Kirche und den von ihr abgespaltenen protestantischen Kirchen (Westkirche) durch eine Reihe von Eigenheiten aus, die Leben und Kultur der G. zutiefst beeinflusst haben. Die orthodoxe Kirche versteht sich als Fortführerin der urchristlichen Kirche, von der sich 1054 die Westkirche abspaltete. Im Zentrum stehen Erlösung und Verklärung des Menschen hervorgehoben, dessen Natur mit der göttlichen verwandt ist. Das Festhalten der Orthodoxie am überlieferten Kultus drückt sich auch in der Ikonenmalerei aus, die mit geringen Veränderungen immer wieder die alten Formen reproduziert und heute in Griechenland intensiv betrieben wird. In abgelegenen Gegenden entstanden zahlreiche Klöster, darunter diejenigen von Meteōra und Athos.

Kirche und Staat sind in Griechenland sehr eng miteinander verknüpft. Alle hauptamtlich in der Kirche tätigen Personen werden vom griechischen Staat bezahlt, eine Kirchensteuer gibt es nicht. Die enge Verflechtung von Kirche und Staat zeigt sich in Konfliktsituationen, in denen die Kirche sich schnell auf die Seite des Stärkeren stellte, so auch während der Militärdiktatur 1967–74. Auch wenn die Kirche den griechischen Alltag nicht mehr so stark bestimmt wie vor wenigen Jahrzehnten, ist ihr Einfluss dennoch so stark, dass man scherzhaft von „Priesterherrschaft“ (›papadokratia‹) spricht. Auch die Anwesenheit von Priestern auf politischen, kulturellen und sportlichen Ereignissen wie der Fußball-EM von 2004 zeigen, wie allgegenwärtig kirchliche Vertreter in Griechenland sind. Kirchen, Klöster und die an vielen Straßenrändern stehenden Tabernakel sind wichtige Elemente, die die griechische Kulturlandschaft prägen.

Nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung bekennt sich in Griechenland zu anderen Religionen. Die zahlenmäßig größte Gruppe bilden die Muslime in Westthrakien, die 1922 als Kompensation für die in Istanbul verbleibenden Griechen vom Bevölkerungsaustausch verschont blieben. Rund 42.000 griechische Katholiken leben als Erben des venezianischen und genuesischen Einflusses auf den Agäischen Inseln, so auf Naxos, Syros und der orthodoxen Wallfahrtsinsel Tīnos und auf den Ionischen Inseln; daneben leben rund 15.000 Protestanten v. a. in Athen, Katerinī und Saloniki. Zeugen Jehovas fallen in Griechenland selten auf; unter den G. der Diaspora hat die Lehre der Zeugen Jehovas mehr Verbreitung gefunden. Die griechischen Juden machten bis zum Zweiten Weltkrieg in Saloniki, wo über 50.000 Sepharden lebten, und auf Rhodos einen bedeutsamen Bevölkerungsteil aus. Sie wurden durch nationalsozialistische Vernichtungsaktionen auf wenige tausend Personen reduziert.

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5 Chronologische Geschichte

Schon die vorgriechischen Einwohner hatten Hochkulturen auf dem Raum des späteren Griechenland gegründet. Die Pelasger z. B. legten um 3500 v. Chr. Ölbäume und Wein an und bauten bereits Brunnen. Diese Vorbevölkerungen waren Träger der Ägäischen oder Kretisch-Mykenischen Kultur. Aus der vorgriechischen Zeit sind viele Namen von Ortschaften und Gottheiten wie Hephaistos, Poseidon oder Hera erhalten, auch einige der griechischen Götter haben pelasgische Ursprünge.

Während der Völkerwanderung drangen Nordg. nach Süden und Osten vor. Es hatte sich ein Stammensverband der Dorer gebildet, der die Expansion am stärksten mittrug, weshalb auch von der Dorischen Wanderung gesprochen wird. Neu zugewanderte Stämme wurden zumeist in ein Hörigenverhältnis genommen. Im 11. Jh. v. Chr. ging die Mykenische Kultur zugrunde. Im 9. Jh. v. Chr. besetzen Dorer die südliche Peloponnes, die südliche Inselwelt und das südliche Festland Kleinasiens. Die alten Äoler konnten sich nur in Thessalien und Böotien behaupten. Die Nordwestg. bildeten somit über lange Zeit die herrschende Schicht, während sich das äolische Element sprachlich und kulturell durchsetzte. Die alten Achäer der Peloponnes wurden in das zentrale Bergland gedrängt und erschienen nur noch als Arkader, die sich auch auf Zypern behaupten konnten. Ionier hielten sich auf Attika und Euböa und in den Städten Kleinasiens, wo sie ihren Besitz auf Kosten der anderen Gruppen, Äoler und Dorer, zu vergrößern vermochten. Ihr kultureller Einfluss war so groß, dass später kleinasiatische G. allgemein als Ionier bezeichnet wurden.

Ein gemeinsames Identitätsbewusstsein scheint sich durch die Mythologisierung des gemeinsamen Stammvaters und die Verehrung gemeinsamer Kultstätten v. a. im 8. Jh. v. Chr. durchgesetzt zu haben. Zu dieser Zeit begann auch die Epoche der Stadtstaaten, die bis zur Eroberung Griechenlands durch die Makedonier 338 v. Chr. andauerte. In der Zeit von 750 bis 550 v. Chr. ging von den G. eine umfangreiche Kolonisation im ganzen Mittelmeerraum aus. Auch wenn die G. ein Mischvolk waren, hat die Gemeinsamkeit von Sprache und Religion und das darauf gegründete nationale Bewusstsein über Jahrtausende und trotz mehrerer Fremdherrschaften Beharrungsvermögen und Assimilationskraft bewiesen.

Die Eroberung des hellenistischen Ostens durch Rom vollzog sich in einzelnen Etappen und war 30 n. Chr. abgeschlossen. 330 erfolgte die Verlegung der Hauptstadt der G. nach Byzanz. Das Byzantinische Reich wurde hauptsächlich von G. getragen. Trotz der Zuwanderung von Slawen im 7./8. Jh. in den ländlichen Raum, ist es, vom makedonischen Raum abgesehen, nicht zu einer nachhaltigen Slawisierung gekommen, so dass die Spuren der slawischen Einwanderer heute nur noch an den zahlreichen slawischen Orts- und Flurnamen auf dem gesamten Gebiet des griechischen Festlandes zu verfolgen sind. Gräzisierung und Christianisierung dieser Einwanderer erfolgten von den Städten her. Seit der Trennung der oströmischen und weströmischen Welt setzte sich im Osten die griechische Kultur zunehmend durch. Byzanz wehrte die persischen Sassaniden, die islamischen Araber und die türkischen Seleukiden ab, bis 1453 das Stadtgebiet von Konstantinopel von den osmanischen Türken eingenommen werden konnte.

Große Teile der Bevölkerung zogen aus den fruchtbaren Becken und Ebenen in die Gebirge, weil die Zunahme räuberischer Banden und durchziehender Heere sowie der Druck der osmanischen Grundherren das Leben der Bevölkerung zunehmend unsicher machten. Durch die Aufgabe ausgedehnter Siedlungsräume kam es in den Ebenen zu einem Verfall der Kulturlandschaft, zur Versumpfung ehemals nutzbarer Flächen und zur Ausbreitung der Malaria, so dass eine Rückwanderung immer schwieriger wurde und in manchen Regionen erst im 20. Jh. stattfand.

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1821–33 erkämpfen die G. im Kernland ihres Verbreitungsgebietes nationale Unabhängigkeit. Unmittelbar nach der Staatsgründung 1830 mussten in Athen noch zwei verschiedensprachige Gerichtshöfe mit den Amtssprachen Albanisch und Griechisch gegründet werden, weil man in Attika überwiegend Albanisch sprach. Doch es kam zu keiner Minderheitenproblematik, weil die griechisch-orthodoxen Albaner (Arvaniten) längst zu den tatkräftigsten Patrioten im griechischen Freiheitskampf gegen die Türken gehörten. Orthodoxe Religion und griechische Sprache sind die Hauptmerkmale, die viele Vlachen (Aromunen), Slawen und Albaner seit dem 12. Jh. aufgrund der Dominanz der griechischen Sprache in Politik, Kirche und Handel übernahmen und damit in der griechischen Bevölkerung aufgingen. Durch die hohe Identifikation mit dem G.tum kann die starke ethnische Homogenität des heutigen Griechenlands (offiziell 98,5 % G.) leicht erklärt werden.

Die G. bezeichnen sich heute wieder als Hellenen und betrachten sich als Nachkommen der alten G. Es entstand eine christliche, griechisch-orthodox bestimmte, neuhellenische Identität der G. Während im Mittelalter der Begriff Hellene mit dem heidnischen Götzenanbeter gleichgesetzt wurde, konnte sich in Griechenland nach der Wiederbelebung des Begriffs Hellenen nach 1821 auch der Begriff hellenisch-orthodox durchsetzen.

Die Entwicklung der Bevölkerung bis 1821 dürfte einigermaßen stetig verlaufen sein. Der sprunghafte Anstieg zwischen 1861 und 1870 beruht auf der Eingliederung der Ionischen Inseln (rund 230.000 Einwohner) 1864, jener zwischen 1879 und 1889 auf der Eingliederung Thessaliens und des südlichen Epirus um Arta (rund 345.000 Einwohner) in das Staatsgebiet. 1897 führten Grenzveränderungen zu einer geringen Verminderung der Staatsfläche und der Bevölkerung. Zwischen 1907 und 1920 wuchs die Bevölkerung des Landes von 2,63 Mio. auf 5,02 Mio., bedingt weniger durch das natürliche Wachstum als durch die Eingliederung Kretas, des größten Teiles von Epirus, Makedoniens, der ostägäischen Inseln und vorübergehend von Ost-Thrakien, Imbros und Tenedos. Flüchtlinge aus der Türkei ließen 1922 die Bevölkerung bis 1928 erneut stark ansteigen. Der griechisch-türkische Bevölkerungsaustausch hatte für Griechenland einen Nettozuwachs von fast 800.000 Menschen zur Folge, von denen sich ein Großteil in Athen und Piräus niederließ. Durch Verluste im Zweiten Weltkrieg und im griechischen Bürgerkrieg machte sich die Eingliederung der Dodekanes-Inseln 1947 kaum als Bevölkerungszuwachs bemerkbar. Neben den Hunderttausenden von Kriegsopfern kam es zur Verschleppung von griechischen Kindern (›paidomazōma‹). Die Bevölkerungsentwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jh. ist stark durch Emigration und Remigration von Gastarbeitern geprägt.

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(Thede Kahl)

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