Mykenische Kultur
Mykenische Kultur
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1 Kulturgeschichte
Als m. K. wird die auf dem bronzezeitlichen griechischen Festland entwickelte Kultur bezeichnet (von H. Schliemann nach der Stadt Mykene benannt), die sich vom 16. Jh. v. Chr. (durch Parallelen zu Ägypten datierbar), der sog. Schachtgräberzeit, bis in die Mitte des 11. Jh. v. Chr. erstreckt (stilistisch durch die Keramik datiert). Sie wird als Anlehnung an die minoische Chronologie nach C. W. Blegen und A. J. B. Wace in Phasen eingeteilt:
- Die Frühmykenische Zeit (1600-1450 v. Chr.)
- Die Palastzeit (1450-1200 v. Chr.)
- Die Nachpalastzeit (1200-1050 v. Chr.)
In der ersten Phase der m. K. ist ein großer Einfluss der minoischen K. zu beobachten: Die örtliche Tradition wird zurückgedrängt, z. B. in der Keramik durch die Übernahme von Gefäßformen und Dekoration aus Kreta; der anikonische Kult wird durch die Erschaffung von Göttinnen-Figuren bereichert; u. a. werden die in der mittleren Bronzezeit (sog. Mittelhelladikum) üblichen Schachtgräber (Gräber in einem abgegrenzten Steinkreis) durch monumentale Tholosgräber ersetzt (vgl. Grab der Atriden), in denen eine soziale Hierarchie ablesbar wird.
Die Siedlungsform bleibt unverändert (freistehende Gehöfte; Apsishäuser). Bereits während der Frühmykenischen Zeit kann man von einer Zentralisierung der Macht durch die mykenischen Herrenhäuser ausgehen, die zu einer allgemeinen Expansionspolitik führt (Anklänge daran finden sich in der homerischen ›Ilias‹). Sicher nachweisbar ist sie allerdings erst ab der folgenden Epoche.
In der Palastzeit entstehen in den bereits vorhandenen mittelhelladischen Zentren Argolis, Messenien, Attika und Boiotien sowie in Mykene und Tiryns monumentale Zentralbauten, die in ihrer Gesamtstruktur und Nutzung Einflüsse der minoischen und kykladischen Architektur enthalten:
Die Haupthalle, der Sitz des Herrschers, ist mit einem Thron und runden Herd ausgestattet; davor liegt eine Vorhalle (sog. ›Megaron‹). Neben dieser schließen sich kleinere Wohnräume mit bemalten Wänden und Fußböden, Werkstätten und zahlreiche Lagerräume an. Herrschersitze waren sowohl ummauert (z. B. Mykene, Tiryns) als auch freistehend (Messenien, Lakonien).
Durch die Entzifferung der Linear-B konnten wertvolle Informationen über die m. K. gesammelt werden, u. a. über die soziale Struktur: Auf der hierarchisch-sozialen Skala folgen nach dem Herrscher der militärische Adel, Priester, Handwerker und das Volk mit Recht auf Landbesitz.
Äußere Unruhen in der Nachpalastzeit (u. a. Zerfall des Hethiterreiches, Einbruch der sog. Seevölker) sowie innere Instabilität führten zum Zerfall der zentralen Palastwirtschaft und der politischen Einheit sowie zur Einstellung der Errichtung von Großbauten. Es folgte eine schriftlose Zeit mit der Erschaffung von lokalen Zentren und der Entwicklung von Lokalstilen in der Kunst sowie der Abnahme der Bevölkerungszahl, die im 11. Jh. zum Untergang der m. K. führte.
2 Wirtschaft
Die Fruchtbarkeit des griechischen Festlandes erlaubte die Eigenversorgung der Bevölkerung. Zu den fortschrittlichen landwirtschaftlichen Maßnahmen gehörte u. a. die Umleitung von Flüssen. Die begünstigte geographische Lage, speziell Südgriechenlands und der Peloponnes, förderte den Handel. Das mykenische Kulturgebiet entwickelt sich zur Zwischenhandelsstation von Osten und Süden (Kykladen, Kreta, Ägypten, Babylonien) nach Norden und Westen (u. a. Thessalien und Unteritalien). Die Eigenproduktion an Luxuswaren ergänzte sich mit dem Import. In der Keramik und Glyptik wurde die minoische Formensprache imitiert. Zur Eigenproduktion zählen die reliefierten Stelen in den Schachtgräbern, große Steinreliefs (vgl. sog. Löwentor in Mykene) sowie bemalte tierische und weibliche Idole (Phi-, Psi-Idole), die sich später zu Großfiguren aus Ton entwickeln. Eine Eigenentwicklung im Keramik-Repertoire ist in der Zeit zw. 1390–40 zu beobachten (späthelladisch III B), v. a. in geometrischen Mustern erkennbar (auch Exportware).
3 Bestattung
Die Elite wird während der Palastzeit weiterhin in den Tholosgräbern bestattet: Diese bestehen aus einer kleinen runden Grabkammer, auf der eine Spitzkuppel („falsche“ Gewölbeform) liegt und werden durch einen Erdhügel überdeckt. Der Zugang erfolgte durch einen Eingang, zu dem ein freigelassener Mittelgang in Form einer Straße (›dromos‹) führt. Die Masse der Bevölkerung wird jedoch in den Kammergräbern großer Nekropolen beigesetzt, welche außerhalb der Siedlungen liegen.
Branigan K. (Hg.) 1998: Cemetery and Society in the Aegean Bronze Age. Sheffield. Dickinson O.T.P.K. 1994: The Aegean Bronze Age. Cambridge. Feuer B. 1996: Mycenaean Civilization. A Research Guide. New York. Küpper M. 1996: Mykenische Architektur. Espelkamp (= Diss. Marburg 1993). Laffineur R. (Hg.) 1995: Politeia. Society and State in the Aegean Bronze Age. Liége.