Minoische Kultur

Minoische Kultur

Als m. K. wird eine in der Bronzezeit auf der Insel Kreta (Griechenland) im Aufstieg begriffene Kultur bezeichnet, die nach dem mythischen König Minos benannt wurde. Sie wird von A. Evans anhand von stilistischen Unterschieden in der Keramik in früh- (FM), mittel- (MM) und spätminoisch (SM), eingeteilt. Unabhängig davon besteht die Einteilung nach Palästen in:

Die Vorpalastzeit (2600-2000 v. Chr.)
Die Altpalastzeit (2000-1700 v. Chr.)
Die Neupalastzeit (1700-1400 v. Chr.)
Die Nachpalastzeit (1400-1100 v. Chr.)

Die erste Besiedlung Kretas in Form unbefestigter Siedlungen und einheitlich gestalteter Häuser aus Lehmziegeln fand im östlichen Teil der Insel während der neolithischen Epoche statt. Bis ins 3. Jtsd. v. Chr. beschränkte sich die Bevölkerung auf die Insel.

Während der Vorpalastzeit erweitert sich die Besiedlung auf der Insel. In den entstandenen Hafenstädten finden sich die ersten „öffentlichen Bauten“ in Form von Großbauten und Tholosgräbern, in denen die beginnende Hierarchisierung der Gesellschaft abzulesen ist. Die Gesellschaft ist weiterhin landwirtschaftlich geprägt, v. a. in den Dörfern.

In der Blütezeit der m. K. (ab der Altpalastzeit) entstehen Städte mit mehrstöckigen Häusern und ein geplantes Straßensystem (z. B. Vasiliki, nach orthogonalem Plan erbaut). Die großen Palastanlagen (z. B. Knossos, Phaistos), als autarker einheitlicher Gebäudekomplex erbaut, besitzen eine größere Anzahl an Stockwerken und Räumen; interne Verbindungen werden durch Gänge bzw. Keller hergestellt. Innenhöfe und freie Plätze vor den Gebäuden dienen auch zum als Warenumschlagplatz sowie als Schauplatz von religiösen Festen (Tänze, Opfer, Stierspringen).

In den Großpalästen konzentrierte sich die administrative und wirtschaftliche Macht des Landes. Eine strenge den orientalischen Hochkulturen ähnelnde monarchische Struktur, die aus dem Herrscherhaus und der Elite besteht, ist anzunehmen, wobei das Herrscherhaus auch einen priesterlichen/religiösen Charakter beinhaltet. Es folgen das Militär, die Handwerker, Bauern und Krieger. Die Frauen scheinen eine besondere soziale Stellung genossen zu haben, sowohl im Kult als auch im Hof.

Innerhalb der Paläste werden die importierten (monopolisierter Import von Rohstoffen, z. B. Metallerzen; Elfenbein, Halbedelsteinen) und selbstproduzierten Waren aufgeteilt und gelagert bzw. in den Werkstätten bearbeitet und exportiert.

Bereits seit der Bronzezeit ist ein Handelsaustausch zwischen Kreta und den Ägäischen Inseln bzw. Anatolien nachzuweisen. In der Vorpalastzeit dominieren die Handelsbeziehungen zu den Kykladen.

Während der Neupalastzeit erschütterte ein starkes Erdbeben die Insel: Die Paläste wurden danach neu errichtet. Während des Wiederaufbaus der Städte wurden auch neue Siedlungsplätze gewählt. Knossos entwickelte sich zum Hauptzentrum der Insel mit kleineren Nebenzentren. Die Handelsbeziehungen nach Ägypten und der Levanteküste sowie nach Thēra, Milos, Rhodos verstärkten sich.

Während die FM Epoche eine schriftlose Zeit ist, entwickelt sich in der MM Epoche aus einer von den Ägyptern beeinflussten Hieroglyphenschrift die sog. Linear-A, die sich auf Tontafeln findet, z. B. auf dem sog. Diskus von Phaistos. Diese bis heute nicht entschlüsselte Schrift wurde für die Aufzeichnung von Handelswaren benutzt.

Zu der FM Keramik gehören die sog. Pyrgosware und die aus Anatolien übernommene sog. Schnabelgefäßform (›Vasilikiware‹). In der MM Epoche kommen rötliche Töne bei der Bemalung und viele Muster neu hinzu (sog. ›Kamareskeramik‹). Dabei handelt es sich um Feinkeramik, die nur in den Palästen von Phaistos und Knossos produziert wurde.

Verglichen mit Griechenland und Ägypten ist die minoische Plastik eher bescheiden: Im Neolithikum besteht die eigene Produktion aus steinerner Kleinglyptik (sog. Koumassa-Typ), und importierten Idolen. Während der Palastzeiten finden sich frauenähnliche Kultgefäße und Tiergefäße, Fayencefiguren (Vgl. die sog. Schlangengöttin) sowie solche aus Goldelfenbein oder Steatit. In den Heiligtümern wurden zahlreiche weibliche (Muttergottheit) und spätere Männerfiguren und Tiere aus Ton sowie verschiedenartige Amulette entdeckt.

Die Goldschmiede- und Siegeltechnik war technisch weit fortgeschritten. Solche Objekte (Schmuck, Waffen, Siegel) haben sich v. a. in Gräbern erhalten. Die kollektiven Körperbestattungen fanden in der Regel in Höhlen, Steinkisten, Gefäßen, Kammer- und Kuppelgräbern außerhalb der Siedlungen statt.

Ab dem 1. Viertel des 14. Jh. v. Chr. verlagerte sich die polit. und wirtschaftliche Macht auf das griech. Festland (mykenische Kultur); es erfolgte die Eroberung der Insel durch Mykene und der kulturelle Untergang ab dem 13. Jh. v. Chr. (Dorische Wanderung; Subminoische Epoche um 1. Jh. v. Chr.).

Faure P. 1976: Das Leben im Reich des Minos. Stuttgart. Marinatos N. 1996: Minoan Religion. Ritual, Image and Symbol. Columbia. Otto B. 1997: König Minos und sein Volk. Düsseldorf. Schneider A. 2002: Kreta (Führer). München. Zois A. 1996: Knossos. Athen.

(Myrtia Hellner)

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