Euböa

Euböa (neugriech. Evoia, Evia, ital. hist. Negroponte)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Insel E. (3654 km²) erstreckt sich auf eine Länge von 180 km parallel zur Ostküste Mittelgriechenlands und hat 207.119 Einwohner (2004). Sie ist zwischen 50 und 5,5 km breit, nirgends weiter als 30 km vom attisch-böotischen Festland entfernt und rückt bei Chalkis bis auf 40 m an die benachbarte Küste heran. E. ist gebirgig (der höchste Gipfel Dirfī erreicht 1742 m ü. d. M.), im Norden waldreich mit fruchtbaren Küstentälern und im Süden trocken und mediterran. Der sehr trockene Sommer mit einem Julimittel von 28 °C wird durch Brisen gemildert. Im Winter fällt die mittlere Temperatur auf 10 °C. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge beträgt 378 mm.

Wegen der unzugänglichen, von steilen Felsriffen geprägten Ostküste lagen die meisten Häfen (z. B. Chalkis, Karystos) schon in der Antike an der Westküste.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Im Altertum siedelten auf E. thessalische Kolonisten, später Ionier, die in Stadtstaaten lebten. Von den Städten Chalkis, Eretria und Kymē gingen in der Folge viele Koloniegründungen in Thrakien, Süditalien und den ägäischen Inseln aus.

Nach den Perserkriegen kontrollierte Athen die Insel, die fortan mehrfach zwischen die Interessen der griechischen Poleis und ihrer Bündnispolitik geriet. 338 v. Chr. wurde E. Makedonien angegliedert, 308−4 war die Insel Mitglied des sog. Böotischen Bundes. 196 besetzten sie die Römer, in der Kaiserzeit gehörte sie zur Provinz Achaia. Seit dem 4. Jh. unterstand E. der Diözese ›Macedonia‹, später dem ›thema Hellas‹, die Bischöfe waren Korinth unterstellt. Mit der Erhebung Athens zur Metropolis (Provinzhauptstadt und Bischofssitz) um 900 wurden Chalkis, Karystos, Porthmos, Aulon (heute alban. Vlorë) und Oreos Suffraganbistümer. Die Kirche blieb bis ins 15. Jh. unter der Herrschaft Athens, bildete während der Herrschaft der Kreuzfahrer aber auch einen wichtigen Außenposten päpstlicher Macht. Die meisten erhaltenen Kirchenbauten stammen aus dem 13. und 14. Jh. und befinden sich in der Gegend von Karystos.

1209 wurde E. in drei Baronien geteilt (Chalkis, Karystos, Oreos), die Verona unterstanden. Ab Ende des 14. Jh. beherrschten die Venezianer die Hafenstädte, das Landesinnere war unter fränkischen Adligen (Nachfahren der Kreuzfahrer) aufgeteilt. Piraterie und Seuchen setzten der Bevölkerung stark zu, doch wanderten stets Griechen und Franken vom Festland zu. Im Zug venezianischer Ansiedlungspolitik kamen zudem zahlreiche albanische Stratioten nach E. Nach dem Vierten Kreuzzug (1202–04) bis in das 15. Jh. stieg der Anteil der jüdischen Bevölkerung an (Getto in Negroponte). Das venezianische Königreich geriet noch einmal kurz unter genuesischen Einfluss, ehe 1470 die Osmanen die Insel eroberten. Die venezianischen Einwohner von Chalkis flohen nach Nauplio (Peloponnes). 1830 wurde E. Teil Griechenlands.

Anfang des 19. Jh. lebten in der Hauptstadt E.s v. a. Griechen, Juden und Osmanen. Viele osmanische Familien wanderten jedoch 1830 nach dem Anschluss E.s an Griechenland ab. In den letzten 200 Jahren unterlag die Siedlungsstruktur starken Veränderungen; alte Orts- und Flurnamen mussten staatlichen Umbenennungen weichen. Flüchtlinge aus Kleinasien wurden nach 1922 im Nordteil der Insel um Chalkis angesiedelt. Heute leben im Süden der Insel Albaner, im Hügelland Aromunen.

Ackerbau, Wein-, Gemüse- und Obstanbau sowie Viehzucht, Fischerei, insbesondere der Purpurschneckenfang, Holzwirtschaft und Handwerk (Keramik und Metallverarbeitung) bildeten in der Antike die wirtschaftliche Basis, die Verbreitung des euböischen Maß- und Gewichtssystems zeigt die große Handelsbedeutung der Insel, die über Jahrhunderte ein Umschlagplatz für Marmor, Asbest, Heilerde, Salz war. Noch heute werden Rinder- und Schafherden gezüchtet sowie Nickel und Magnesium exportiert. In Kymī und nahe Aliveri wird Lignit abgebaut, Karystos exportiert Marmor. In den Tälern Mittel- und Norde.s werden Oliven, Gemüse, Obst und Getreide angebaut.

Kalcyk H., Wirbelauer E. 1998: Euboia. Cancik H., Schneider H. (Hg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike 4. Stuttgart, 207–210. Gregory T. E., Sevcenko N. P. 1991: Euboea. Kazhdan A. P. (Hg.): The Oxford Dictionary of Byzantium 2. New York, 736 f.

(Antje Niederberger)

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