Athen


Athen (altgriech. Athēnai, neugriech. Athīna)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Naturraum

A. war das kulturelle Zentrum des antiken Griechenlands und ist seit 1835 Hauptstadt der modernen griechischen Republik. Die Lage im Nordosten des Sarōnikos Kolpos an einer Schnittstelle von Südosteuropa, Vorderasien und Afrika verleiht der Stadt eine günstige Verkehrslage. Ihr Name geht auf Athene – in der antiken griechischen Mythologie die Göttin der Weisheit – zurück.

A. erfüllt die Hauptebene der Attika (neugriech. Attikī), einer felsigen Halbinsel, die von jungtertiären marinen Kalken beherrscht wird. Die weite Küstenebene, das Kīfisos-Becken, ist im Westen von Alluvialböden aufgebaut und bot somit im Altertum genügend nährstoffreiches Ackerland und zur Verteidigung geeignete Hügel.
Akropolis
Die Entfernung zum Meer war ausreichend, um vor überraschenden Überfällen gesichert zu sein und doch war die Küste nah genug, um Anbindung an die Seefahrt zu gewährleisten. Im Westen wird die Ebene von den Bergen Korydallos (468 m) und Aigaleō (453 m) umgeben, im Norden vom Berg Parnītha (altgriech. Parnis, 1413 m), an den sich südöstlich der marmorreiche Berg Pentelī (Pentelikon, 1107 m) anschließt. Im Osten und Südosten der Stadt liegt der breite Ymīttos-Rücken (altgriech. Hymēttos, 1026 m). Durchlässe zwischen diesen Bergen erleichtern die Verkehrsanbindung an das Landesinnere. Einige kleinere Erhebungen, die aus der Ebene herausragen, sind Lykavīttos (altgriech. Lykabēttos 277 m) und Tourkovounia („Türkenberge“, altgriech. Anchesmos, 338 m), die die Stadt teilen. Beide lagen ursprünglich außerhalb A.s und sind erst heute von der Bebauung eingeschlossen. Weitere Erhebungen sind der Akropolishügel (156 m), der aufgrund seiner Struktur für die Anlage einer Burg ideal geeignet war, sowie, in südlicher Nachbarschaft, der Nymphenhügel (Standort der Sternwarte, 105 m), Pnyx (Stätte der Volksversammlung im Altertum, 110 m) und der vom Grabmal des Prinzen Philopappos bekrönte Musenhügel (147 m).

Das antike A. wurde vom Eridanos durchflossen, der heute nur im ehemaligen Töpferviertel Kerameikos sichtbar ist. Er mündet in den Fluss Ilyssos, der am Südwesthang des Ymīttos-Rücken entspringt, zwischen Olympieio (altgriech. Olympieion) und Stadio (altgriech. Stadion) fließt und in den Hauptfluss A.s, Kīfisos, mündet. Dieser wiederum entspringt beim heutigen Kīfisia am Berg Pentelī, fließt westlich des antiken A. nach Süden und mündet bei Falīron (altgriech. Falēron) ins Meer. Die wenigen Wasserläufe trocknen im Sommer aus, sind heute teilweise überbaut und spielen im Stadtbild keine Rolle.

Lange regenlose Sommer, starke Nordostwinde und hohe Temperaturen prägen das Klima. Die Temperaturmittel schwanken zwischen 6,3 °C und 13 °C im Januar und 23 °C bis 34 °C im Juli. Besonders im Winter kommt es zu austauscharmen Hochdrucklagen, die den Smog (nefos) bedingen, der fast zur Normalität der Stadt geworden ist. Lediglich vom Meer heraufziehende Winde sorgen für den nötigen Luftaustausch.

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Gesellschaft und Verwaltung

A. zeigte in den vergangenen 170 Jahren einen enormen Bevölkerungszuwachs. Nach amtlichen Schätzungen hatte die Stadt vor 1832 nur 1800 Einwohner; 1834 – als es Hauptstadt Griechenlands wurde – waren es 6000 Einwohner, 1836 bereits 14.100, 1896 111.500 und 1920 schon 285.000. Eine überproportionale Zunahme fand in den 1920er Jahren durch den Zustrom von rund 300.000 kleinasiatischen Flüchtlingen statt. Nach dem griechischen Bürgerkrieg (1946-49) begannen die Siedlungen an den Stadträndern wie Anō Liosia, Cholargos, Agios Dīmītrios stark zu wachsen; viele Viertel schmolzen mit der Agglomeration zusammen. Lediglich die jüngere Bevölkerungsentwicklung in Piräus und dem westlich benachbarten Drapetsōna ist durch die verstärkte Industrialisierung dieser Stadtteile rückläufig. Zur Agglomeration Groß-Athen (450 km²) gehört heute – neben selbstständigen Gemeinden – auch die Hafenstadt Piräus. Die Volkszählung von 2001 meldete 745.514 Einwohner, wobei die Stadt de facto um die vier Millionen Einwohner zählt (3.434.994 im Jahr 2004), da sich viele Einwohner A. z. Z. der Volkszählung in ihren Heimatdörfern befanden. Somit lebt rund ein Drittel der Bevölkerung ganz Griechenlands in der Hauptstadt.

Das rasante Wachstum der Stadt hat die natürlichen Grenzen des Kīfisos-Beckens längst überschritten. Die Bebauung längs der attischen Küste greift mittlerweile auf die Insel Salamina (altgriech. Salamis) über. A. und Piräus sind fast lückenlos zusammengewachsen. Die Bucht von Elevsina (altgriech. Eleusis) säumt ein breites Band von Industriebetrieben. Das Wachstum A.s basiert auf Wanderungsgewinnen. Während die Herkunftsgebiete der Zuwanderer (Peloponnes, Mittelgriechenland, Teile von Epirus, Ägäische Inseln) an Abwanderung leiden, kann A. das Wachstum kaum sozial verkraften. Name und antike Vergangenheit, auf der das griechische Nationalbewusstsein wesentlich aufbaut, dürften neben den vielfältigen Arbeits-, Bildungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten für ihre Anziehungskraft eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Die Zuwanderer bleiben über Generationen hinweg durch familiäre und landsmannschaftliche Verbindungen sowie durch Grundbesitz mit ihren Dörfern verbunden.

Die heutigen A.er sind ethnisch, kulturell und sprachlich ein Gemisch. Zuwanderungen erfolgten aus allen Bereichen des griechischen Territoriums, Vorderasiens, Nordafrikas sowie Westeuropas, aus der großen griechischen Diaspora Nordamerikas und aufgrund der Umsiedlung der kleinasiatischen Griechen. Vor den umfangreichen Zuwanderungen des 19. und 20. Jh. war die ethnische und sprachliche Basis durch die Anwesenheit der Arvaniten (orthodoxe Albaner) geprägt, die in Teilen der Attika die Mehrheit bildeten. Da sich die Arvaniten vollkommen mit dem modernen Griechentum identifizieren, spielt ihre Sprache in der Öffentlichkeit keine Rolle.

Die hauptstädtischen Funktionen konzentrieren sich in A. im Bereich zwischen Syntagmaplatz (Plateia Syntagmatos) und Omonoiaplatz (Plateia Omonoias) mit nach Norden reichender Verlängerung bis zum Nationalmuseum. Neben dem Sitz der Regierung befinden sich dort Ministerien und Botschaften. Die nationalen Bildungseinrichtungen machen A. zum geistigen Mittelpunkt des Landes. Außerdem ist es Sitz des Oberhauptes der griechisch-orthodoxen Staatskirche. Neben ihrer Funktion als Landeshauptstadt ist A. Hauptstadt des Distriktes (Nomos) A. sowie der Peripherie Attikī.

Während der östliche Teil der Agglomeration qualitativ bessere Wohngebiete aufweist, findet man die Wohnbereiche der ärmeren Bevölkerung eher im westlichen Teil, in Piräus und an der Bucht von Elevsina, außerdem liegen hier auch überwiegend die Wohngebiete der Zuwanderer. Im Nordwesten haben sich Roma-Viertel gebildet (z. B. in Anō Liosia, Zefyri). Die bebauten Hänge von Ymīttos, Lykavīttos und deren Vorhügel bieten bevorzugte Wohnlagen. Die Regulation der Wohnverhältnisse liegt weitgehend in der Hand der Betroffenen. Dadurch haben sich soziale Netze, in denen die Menschen gleicher Herkunft oft in Nachbarschaften zusammen wohnen, gebildet. Durch diese sozialen Netze hat sich bis heute ein Lebensstil erhalten, der das Ausmaß negativer Folgen der Urbanisierung wie Kriminalität oder psychische Erkrankungen stark eindämmt. Architektonisch führte die schnelle Bauweise zu einer baulichen Gleichförmigkeit und in den Neubaugebieten zu großer Eintönigkeit.

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Wirtschaft

Der Ballung der Bevölkerung entsprechend sind auch die wirtschaftlichen Aktivitäten auf A. konzentriert: 39 % des BIP werden in A. erwirtschaftet, über zwei Drittel aller Steuern dort aufgebracht, und zahlreiche Einrichtungen sind landesweit nur oder überwiegend in A. vertreten.

Die wichtigste Wirtschaftsgrundlage der Stadt wird durch innerstädtischen Handel und Tourismus gebildet. Am Sarōnikos Kolpos existieren einige Badeorte mit touristischer Bedeutung. Wichtigste Industriezweige sind Textil- und chemische Industrie, Erdölraffinerien, Werften sowie Metall verarbeitende Industrie (Einfuhr der Rohmetalle über Piräus) und Lebensmittelindustrie. Die industrielle Entwicklung der Stadt ging sehr viel langsamer voran als der Zuwachs der Bevölkerung. Der A.er Raum beherbergt fast drei Viertel der Industriebetriebe des Landes. Fast alle Banken sowie die meisten Wirtschaftsunternehmen und Reedereien haben hier ihren Sitz. Die Industrie konzentriert sich überwiegend in Piräus und den westlichen Teilen der Agglomeration, um die Bucht von Elevsina und am Aigaleō.

Der Erste Weltkrieg, von dem Griechenland nur am Rande tangiert war, löste einen Industrialisierungsschub aus. Entscheidende Entwicklungsimpulse bekamen die Industrialisierung und damit die weitere Entwicklung von A. und Piräus durch den Zustrom von ca. 300.000 Flüchtlingen, die mit dem verlorenen Krieg 1922 Kleinasien verlassen mussten. Bis dahin bestehende Vororte wuchsen rasch, andere entstanden neu, wie die Namen Nea Iōnia („Neu-Ionien“) oder Nea Smyrnī („Neu-Smyrna“) belegen. Die Flüchtlinge brachten neue Industrien, u. a. Tabak-, Textil- und Teppichindustrie, die meist als kleine Betriebe insbesondere in Piräus ihren Standort fanden. Die nach dem Zweiten Weltkrieg gezahlten Gelder des Marshallplans kamen insbesondere dem Wohnungsbau und der Arbeitsbeschaffung in der griechischen Hauptstadt zugute.

Hochrangige Administrativ- und Geschäftsfunktionen dominieren im Osten, besonders um die Straßen ›Stadiou‹ und ›Panepistīmiou‹, nach Westen nehmen sie an Qualität ab und machen jenseits der ›Odos Athīnas‹ Großhandels- und Gewerbefunktionen Platz. Die früher charakteristische Vergesellschaftung von gleichem oder ähnlichem Warenangebot in einer Straße, einem Straßenbereich oder Bezirk ist auch heute in manchen alten Stadtvierteln zu finden.

Städtebauliche Maßnahmen griffen zumeist nur nachträglich regulierend ein. So beschränkte sich die Planung neuer Stadtteile auf die Anlage eines regelmäßigen Straßennetzes (oftmals Schachbrettplan) ohne übergeordnete Gesichtspunkte mit mangelhafter Einbindung in das bestehende Straßennetz. Wenn sich trotz fehlender Planung keine Elendsviertel am Stadtrand entwickelten, so liegt das darin begründet, dass die Übertragung traditionaler Verhaltensweisen vom Land in die Stadt Regulationsmechanismen bedingte. Viele illegale Bauten sind Produkte mangelnder Möglichkeiten in den inneren Bereichen der Agglomeration, sind Zweitwohnungen, Renditebauten und Anlagen für die Kinder. Die nach griechischen Philosophen benannte Straßenbahn wurde seit 1880 aufgebaut und 1906-08 elektrisch angeschlossen. Der Hauptbahnhof (Stathmos Larisīs) ist Ausgangspunkt der Staatsbahn nach Saloniki (Thessalonikī) und Alexandroupolī. Vom benachbarten Peloponnes-Bahnhof fahren Züge über Korinth auf die Peloponnes bis nach Kalamata.

Piräus ist Ausgangspunkt aller wichtigen Schifffahrtslinien zu den griechischen Inseln sowie zahlreicher Linien in das westliche und östliche Mittelmeer. Der 2001 neu eröffnete internationale Flughafen Elevtherios Venizelos liegt ca. 25 km vom Stadtzentrum entfernt. Seit 1869 sind beide Städte durch eine Dampf angetriebene, seit 1904 elektrifizierte Schnellbahn miteinander verbunden. Es entwickelte sich eine Art Doppelstadt, in der A. und Piräus die Kerne der Agglomeration bilden. Der innerstädtische Verkehr erfährt durch die Ausweitung der U-Bahn vor den Olympischen Spielen von 2004 eine große Erleichterung und Entlastung.

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Kultur, Bildung und Alltag

In A. sitzen die älteste Universität des Landes (gegr. 1837), die Technische Hochschule (gegr. 1836), vier weitere Hochschulen, die Handelshochschule, die Kunstakademie, die Akademie der Wissenschaften (Akadīmia Athīnōn) und zahlreiche Bibliotheken. Durch diese Einrichtungen bildet die Stadt das wissenschaftliche Zentrum des Landes. Weiterhin existieren mehrere archäologische Institute und das archäologische Nationalmuseum (gegr. 1860) mit einzigartigen Kunstgegenständen, insbesondere aus der griechischen Antike, darunter die Fresken von Akrotīri (Thīra/Santorinī) und die Funde des Heinrich Schliemann aus Mykēnē. Viele Museen für antike und byzantinische Kultur, Kunstgalerien und naturgeschichtliche Sammlungen locken Interessierte aus allen Ländern. Mehrere Theater bieten einen abwechslungsreichen Spielplan, der während der Festspiele durch regelmäßige Opern- und Theateraufführungen sowie Konzerte ergänzt wird. Hinzu kommt ein lebendiges Angebot an Unterhaltungs- und Volksmusik. A. ist somit auch kultureller Mittelpunkt des Landes.

Die Lebensqualität leidet stark unter den Folgen der Agglomeration und der Art des schnellen Wachstums: Luft- und Wasserverschmutzung, überdurchschnittlicher Krankenstand, kürzere Lebenserwartung, hohe Verkehrsdichte, mangelhafte Infrastruktur. Die Attraktivität der Stadt konnte durch Begrünung, Verkehrsberuhigung und Ausweitung der U-Bahn im Vorfeld der Olympischen Spiele gesteigert werden, wenn damit auch eine erhebliche Zunahme der Lebenskosten einherging. Auch konnte der Mangel an Gärten im Zentrum der Stadt nur partiell behoben werden. Der Straßenverkehr ist weiterhin eine starke Belastung nicht nur für die Anrainer, sondern auch für die Bausubstanz, die viele Gebäude mit der Zeit eine Graufärbung verleiht und antike Baudenkmäler bedroht. Viele wertvolle Ruinen, die Jahrtausende überdauert hatten, mussten vor den aggressiven Säuren, die sich mit dem Smog bilden, geschützt werden. Weitere Probleme sind die Hitze, die sich in den Sommermonaten im Becken von A. aufstauen kann und der Wassermangel. Sowohl der 1926-29 gebaute Stausee von Marathon (Limnī Marathōna) als auch der Ylikī-See sind im Laufe der Jahre versiegt, und das Trinkwasser muss vom Mornos-Stausee im Westen Zentralgriechenlands weite Wege zurücklegen.

Im Vergleich zu anderen Hauptstädten Europas dienen in A. große Bereiche der Innenstadt als Wohngebiet. Auch mehrere vornehme Viertel liegen im Zentrum, wenn auch die Küsten des Sarōnikos Kolpos und der Nordwestabhang des Pentelikons seit einigen Jahren als besonders elegante Wohnbereiche gelten. Wenn der A.er Alltag trotz dieser Probleme lebenswert ist, dann v. a. aufgrund sozialer Vorteile in der griechischen Gesellschaft. Viele davon sind auf das Klima zurückzuführen, so können viele Tätigkeiten in der Öffentlichkeit und unter freiem Himmel durchgeführt werden, die sich in nördlicheren Gefilden eher auf private Räume beschränken (geselliges Beisammensein, Essen und Trinken, Spielen).

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2 Kulturgeschichte

Die Geschichte der Besiedlung A.s lässt sich bis ins Neolithikum verfolgen. Eine Siedlung ist dort seit dem 3. Jtd. nachweisbar. Für die mykenische und nachmykenische Zeit (ab dem 12. Jh. v. Chr.)
Parthenon
ist in A. ein Königtum bezeugt; die ersten attischen Könige in der griechischen Mythologie waren Kekrops, Kranaos, Amphiktyon und Erichthonios. Im 10. Jh. v. Chr. gelang es Theseus, Attika unter seiner Führung zu einigen. Viele Ionier wanderten als Flüchtlinge zu, da sie vor den Dorern Schutz suchten. Die erbliche Königsgewalt wurde im 7. Jh. v. Chr. zugunsten des Adels in eine Adelsherrschaft (Archontenamt) umgewandelt. Neben den zuletzt neun höchsten Beamten (archontes) und der Volksversammlung (ekklēsia) gab es in archaischer Zeit den Adelsrat auf dem Areopag. Solōn gliederte die Bürgerschaft in vier Vermögensklassen und hob 594 v. Chr. die Schuldknechtschaft auf.
Olympeion
Durch Schaffung eines zweiten Rats aus 400 Bürgern der obersten beiden Klassen und eines neuen Volksgerichts versuchte Solōn, die innenpolitischen Verhältnisse zu stabilisieren. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass sich Peisistratos zum Tyrannen erhob und um 560 v. Chr. den Adel endgültig entmachtete. In dieser Zeit wurde der Bau am Olympeion (Tempel des Zeus) begonnen, der unter Hadrian 131/132 n. Chr. vollendet wurde. Die unter Peisistratos und seinen Söhnen Hipparchos und Hippias eingetretene Nivellierung der Bürgerschaft erleichterte Kleisthenēs seine grundlegende Neuordnung des attischen Staates (508 v. Chr.). Er erreichte eine gleichmäßige politische Repräsentanz aller Teile Attikas und führte das Scherbengericht (Ostrakismos) ein, um die Wiederkehr der Tyrannis zu verhindern.

Die Bedrohung durch Sparta ließ A. Anlehnung an Persien suchen. Die Unterstützung der aufständischen Ionier lenkte den Zorn des persischen Großkönigs auf A. 490 v. Chr. gelang es Miltiadēs, die Perser bei Marathōn zu schlagen. Das dadurch gesteigerte Selbstbewusstsein der A.er erleichterte die Reformen von 487 v. Chr. und die Reform des Ostrakismos. Die Auseinandersetzung mit Ägina förderte den von Themistoklēs betriebenen Ausbau der Flotte und brachte A. den Sieg von Salamis, die attische Seeherrschaft oder Thalassokratie. Der zweimaligen Eroberung A.s durch die Perser (480 und 479), bei der die Stadt nahezu völlig zerstört wurde, folgte ein zügiger Wiederaufbau und Ausbau der Stadtmauern durch Themistoklēs und Periklēs. 477 v. Chr. kam es zur Gründung des Ersten Attischen Seebundes, der durch die Feldzüge des Kimon zu einem Attischen Seereich erweitert wurde. Die Akropolis wurde zum sakralen Zentrum des Ersten Attischen Seebundes.

Nach 460 v. Chr. befand sich A. in einem Zweifrontenkrieg gegen Sparta und Persien. Die folgende Friedenszeit ermöglichte die kulturelle Blüte A.s und das Bauprogramm des Periklēs. Dieser setzte den Bau der 462/61 v Chr. begonnenen „Langen Mauer“ fort, die A. mit dem Hafen von Piräus verband. Der 431 v. Chr. von Periklēs ausgelöste Peloponnesische Krieg endete 404 v. Chr. mit dem Zusammenbruch A.s und der Auflösung des Attischen Reichs. Auch Spartas Regime musste bald weichen. Konōn baute 394 v. Chr. mit persischer Hilfe die langen Mauern wieder auf. 378 v. Chr. wurde der Zweite Attische Seebund gegründet. Der Abfall von Byzanz, Chios und Rhodos und der Kampf gegen Philipp II. von Makedonien schwächte A.s Macht, sodass es 338 v. Chr. seine Unabhängigkeit verlor. Unter Dēmētrios von Falēron (317-307 v. Chr.) erlebte A. eine neue wirtschaftliche Blüte. Nach der Tyrannis des Lachares (295 v. Chr.) befand sich A. überwiegend in Abhängigkeit Makedoniens, von der es sich erst 229 v. Chr. befreite.

Unter Augustus wurde auf der Agora das Odeion des Agrippa erbaut und östlich
Odeion
der klassischen Agora wurde der Bau einer neuen Marktplatzanlage, die „römische“ Agora begonnen. Unter Hadrian entstand ein riesiger Säulenhof mit Bibliothek, und die Stadt wurde im Südosten erweitert, wovon heute noch das Hadrianstor zeugt. Nach 160 stiftete der reiche A.er Herodes Atticus am Südwesthang der Akropolis ein überdecktes römisches Theater, das heute wieder benutzte Odeion, und erneuerte das Stadion, das 1896 für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit rekonstruiert wurde.

Als das Ende des antiken A.s wird das Jahr 267 ausgewiesen, in dem die Heruler die Stadt verwüsteten; anschließende Plünderungen während der Völkerwanderung sorgten für den weiteren Verfall der Stadt. Bei der Teilung des Römischen Reiches 395 kam A. zum Byzantinischen Reich und wurde ein Jahr später von den Westgoten unter Alarich I. heimgesucht. Im Laufe des 5. und 6. Jh. setzte sich das Christentum durch, viele Tempel wurden in Kirchen umgewandelt und Kunstschätze nach Konstantinopel gebracht. Die Schließung der Philosophenschulen 529 durch Justinian I. machte A. – mit 168.000 Einwohnern um 330 v. Chr. die volkreichste Stadt Griechenlands – rasch zu einer unbedeutenden Landstadt. Sie erfuhr erst wieder im 13. Jh. unter fränkischer Herrschaft eine neue Blütezeit.

Während der Kreuzzüge wurde A. Sitz einer Baronie, später eines Herzogtums, das dem Hof in Saloniki (Thessalonikī) verpflichtet war und nacheinander von der fränkisch-burgundischen Familie de la Roche (1204–1308), von den Katalanen (1311–86) und der florentinischen Patrizierfamilie Acciaiuoli (1388–1456) regiert
Erechteion
wurde. Nach Eroberung der Stadt durch den türkischen Sultan Meḥmed II. (1456) wurden der Parthenon, der bis dahin als katholische Kirche diente, in eine Moschee umgebaut, während die Propyläen den Osmanen als Kasernen und das Erechtheion als Harem dienten. Während der osmanischen Herrschaft (griech. Tourkokratia) war A. eine ländliche Gemeinde, ihre Rolle im Fernhandel hielt Korinth inne. Die Anzahl der osmanischen Einwohner zu dieser Zeit wird auf 10 bis 13.000 geschätzt. Im griechischen Befreiungskrieg wurde ihre Zahl auf ca. 2000 dezimiert. Während des venezianischen Angriffs im venezianisch-türkischen Krieg auf A. am 26.9.1687 zielte ein Kanonier derart treffsicher, dass die Bombe im Parthenon (Akropolis) landete, der derzeit als Pulvermagazin diente; die Explosion zerstörte das bis dahin gut erhaltene Bauwerk.

Wenn es auch in der Zwischenzeit (1687–88, 1718) den Venezianern gelang, die Stadt zu besetzen, blieb sie in osmanischer Hand. Die Türkenherrschaft wird von vielen Autoren als Zeit tiefen Verfalls bezeichnet, obwohl sie auch kulturelle Errungenschaften brachte und die Stadt bis heute prägt. Zu Beginn des 19. Jh. war A. von einer Mauer umgeben, die ein Gewirr mit zweistöckigen Häusern umgab, über deren Dächer einige Kirchen und Minarette hinausragten. Auf dem Basar der Stadt trafen sich Menschen aus den umliegenden Dörfern – ein Gemisch aus Türken, Griechen, Albanern und ehemaligen osmanischen Sklaven (Schwarze). Abgeleitet vom griechischen „nach A.“ (eis Athīnas) wurde die Stadt nunmehr mit der türkischen Bezeichnung Setines benannt. Die Akropolis wurde zur ausschließlich von Türken bewohnten Oberstadt. In den griechischen Freiheitskämpfen wurde A. 1822 von Griechen erobert, von den Türken 1826/27 zurückerobert und erst 1833 endgültig von der türkischen Besatzung geräumt.

Der junge König Otto von Wittelsbach erklärte am 18.8.1834 A. zur Residenz des Königreichs und 1835 zur Hauptstadt des modernen Griechenlands, und ordnete den sofortigen Zug nach A. an. Dabei wären andere Städte wie Korinth oder Nauplia (heute Nauplio) genauso in Frage gekommen, die Entscheidung für A. war rein historisch motiviert. A. befand sich derzeit in einem desolaten Zustand. Die zweimalige Belagerung der Akropolis in den Freiheitskriegen durch alliierte Truppen (1822-31) und die Rückeroberung durch die Türken hatten zur Zerstörung des größten Teils der Häuser geführt. Die Einwohnerzahl war auf weniger als 2000 gesunken.

Mit der Verlegung der Hauptstadtfunktion nach A. setzte dort eine außerordentlich rege Bautätigkeit ein. Am Entwurf des Stadtplans und an der Planung der öffentlichen Gebäude und Anlagen waren mehrere Deutsche, zwei Dänen, ein Franzose und ein Grieche beteiligt. Der aus Breslau stammende Eduard Schaubert und sein griechischer Freund Stamatīs Kleanthīs (Kleanthes) schufen unter Mitwirkung von L. von Klenzes bereits 1832-33 die Grundorientierung der neuen Stadtanlage, die unter Schutz der Altstadt nördlich der ›Plaka‹ angelegt wurde. Sie zeigt eine regelmäßige Erweiterung nördlich der Akropolis und der Altstadt in Form eines Dreiecks mit Marktplätzen an dessen Ecken. So entstand ein klassizistisches Stadtbild mit strahlenförmigen Hauptblicken (Vorbilder Karlsruhe, München) und Durchblicken zur Akropolis und zur Kapnikarea-Kirche. Der Grundriss berücksichtigt antike Ausgrabungen wie die Akropolis und verbindet Ideen des Absolutismus (auf das Schloss gerichtete Straßen wie in Karlsruhe) mit denen des Philhellenismus (Einbeziehung archäologischer Stätten und Überformung der mittelalterlichen Stadt). Klassizistische Bauten der Brüder Christian und Theophil Hansen entstanden an der Universitätsstraße (Panepistīmiou), darunter die bekanntesten: Universität (1839–49), Akademie (1891–95), Nationalbibliothek. Das Schloss von F. von Gärtner (1834–42) am Syntagmaplatz ist heute Sitz des Parlaments. Neben klassizistischen und historischen Bauten sind sämtliche Stile des 20. Jh. vertreten. Nach 1950 wurden klassizistische Wohnbauten durch Hochhäuser ersetzt und breite Hauptstraßen angelegt. Dem Zeitgeschmack entsprechend dominierte klassizistische Bauweise, die in A. noch zu einer Zeit gepflegt wurde, in der man in Mitteleuropa längst zu anderen Stilen übergegangen war. Viele Bauten wurden von im Ausland lebenden griechischen Mäzenen finanziert. Während unter den Freiheitskämpfern eine besonders hohe Zahl von Arvaniten (frühen albanischen Emigranten) war, befanden sich unter diesen Mäzenen zahlreiche Aromunen.

Die Übernahme des zentralistischen Systems zur Regierungszeit Ottos führte zu einer Konzentration staatlicher Einrichtungen auf die neue Hauptstadt. Die Erweiterung des Staatsgebiets 1864 und 1881 und die Regierung Trikoupīs (1882–85, 1887–90) beschleunigten das Wachstum der Stadt. Ausdruck der gewachsenen Bedeutung A.s waren die ersten neuzeitlichen Olympischen Spiele, die 1896 im wieder errichteten Olympiastadion stattfanden.

Mit A. wuchs die nahe gelegene Hafenstadt Piräus, für die Kleanthīs 1834 den Grundrissplan entworfen hatte. Sie wurde von den Venezianern Porto Leone oder Porto di Draco und von den Osmanen Aslan limanı genannt, während ihr griechischer Name Piräus (altgriech. Peiraieus) verloren gegangen war und nach dem griechischen Freiheitskampf (neugriech. Peiraias) wiederbelebt wurde. Vor der Revolution bestand Piräus lediglich aus einem Zollamt, dem Haus eines Kaufmanns, dem Kloster Agios Spyridon und wenigen Geschäften. Alle Gebäude wurden in den Freiheitskriegen zerstört. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges waren beide Städte baulich deutlich voneinander getrennt. Funktional entwickelte sich eine Arbeitsteilung zwischen Piräus und A.: Während sich in A. die Funktionen der Regierungshauptstadt die Einrichtungen von Kultur und Wissenschaft sowie ein wesentlicher Teil des Handels konzentrieren, wird Piräus zum Knotenpunkt von Schifffahrt, Handel und Industrie im östlichen Mittelmeer. Piräus drängte damit Syros, das bis um 1870 noch größter Hafen Griechenlands gewesen war, aus seiner Rolle, v. a. nach der Eröffnung des Kanals von Korinth (1893).

Um die Plangründung von 1836-42 legte sich 1850-1923 ein Vorstadtgürtel. 1941 kam es zur Invasion und Besetzung der Stadt durch die Achsenmächte und zur vollständigen Eroberung des Landes, bis es 1944 von den Alliierten befreit wurde. Nach 1950 bekam das Zentrum durch Hochbauten einen modernen Großstadtkern. Lage und System der Hauptstraßen A.s weichen vom Typus der meisten europäischen Großstädte ab. Planlos gewachsene Strukturen ähneln orientalischer Siedlungsweise und stehen neben einer fast geometrischen Klarheit moderner Großstadtplanung. Heute sind die engen Gassen der Stadtviertel ›Plaka‹ und ›Monastīraki‹ durch ihre zahlreichen Baudenkmäler und Geschäfte sowie ihre gute Gastronomie Touristenattraktion.

Die bauliche Gestalt A.s wirkt unruhig: Die Gebäude sind unterschiedlich hoch, und vielfach werden die Bauarbeiten an Einzelgebäuden nicht zu Ende geführt. Die Stadtränder sind von wilder Bautätigkeit gekennzeichnet und lassen A. ohne scharfe Grenze in den ländlichen Raum übergehen. Ganze Stadtviertel bestehen aus mehrstöckigen Wohnbauten in Betonskelettbauweise mit umlaufenden Balkonen und Ladenlokalen oder Werkstätten im Erdgeschoss. Einfamilienhäuser sind eher in den Randbereichen zu finden. Vielfach mangelt es an übergeordneten Straßen, die den Verkehr auf das Zentrum lenken, sowie an zentralen Plätze und Grünflächen. Rund die Hälfte der Bautätigkeit in A. vollzog sich bis in die 1980er Jahre ungesetzlich. Durch die Einhaltung ungeschriebener Gesetze ist dennoch eine gewisse Ordnung vorhanden. Der Städtebau ist durch eine Art Selbstregulierung der Bedürfnisse durch Bürger (Familien) und einen außerordentlich hohen Anteil von Wohneigentum gekennzeichnet. Außerdem wird die Stadtplanung in A. weiterhin durch ihre administrative Zersplitterung erschwert: Die Agglomeration hat Teil an vier Distrikten (nomarchies) und ist aus über 50 Kommunen (dīmoi, koinotītes) zusammengesetzt.

Mit Unterstützung der EU ist in den letzten Jahren ein großer archäologischer Park entstanden, der einen langen, kraftverkehrsfreien Weg vom Panathenäischen Stadion über die Akropolis bis zur Akademie des Platōn einschließt. Der Ausbau der U-Bahn sowie die Vorarbeiten zur Olympiade 2004 haben der Stadt ein neues, stärker begrüntes und verkehrsberuhigtes Aussehen gegeben.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt sorgen v. a. in der warmen Jahreszeit für hohe Besucherzahlen. Die wichtigsten Anziehungspunkte sind die Akropolis (neugriech. Akropolī, UNESCO-Weltkulturerbe),
Niketempel
Areopag (Sitz des Alten Rates), Pnyx (Nymphenhügel), Musenhügel (Mouseion) und das Töpferviertel Kerameikos. Bedeutendste Bauten des Mittelalters sind die Apostelkirche auf der Agora (Anfang 11. Jh.), die Nikodemuskirche (1045, Kreuzkuppelkirche), die Theodorkirche (1049), die Kapnikarea (Ende des 11. Jh.), Kirche der Erzengel (12. Jh.) und die Mikra Metropolis (12. Jh.).

Nachdem Griechenland im 20. Jh. v. a. ein Auswanderungsland war, ist es in den letzten Jahrzehnten verstärkt Einwanderungsland gewesen; A. ist Hauptanziehungspunkt für die Einwanderer. V. a. Migranten aus Albanien, der Türkei (Kurden) und asiatischen Ländern prägen den Alltag des modernen A. heute entscheidend mit.

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(Thede Kahl)

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