Wald (Überblick)

Wald (im europäischen Osten)

Inhaltsverzeichnis

1 Verbreitung

In den einzelnen Regionen des europäischen Ostens gibt es sehr unterschiedliche Wälder. Hier werden die Wälder des Osteuropäischen Tieflands, der Waldsteppe, des ostmitteleuropäischen Steppengürtels, des Pannonischen Beckens und des Rumänischen Tieflands sowie der Balkanhalbinsel separat vorgestellt.

1.1 Osteuropäisches Tiefland

W. bedeckt den größten Teil des Osteuropäischen Tieflands. Im kalten und wegen der geringen Verdunstung auch feuchten Norden dominieren Nadelwälder, südlich vom 60. Breitengrad nimmt der Anteil der Laubhölzer zu, so dass im Süden Misch- und Laubwälder immer deutlicher vorherrschen.

Die trotz starker holzwirtschaftlicher Nutzung noch immer weit ausgedehnten Nadelwälder, hier Taiga genannt, werden fast ausschließlich von der Fichte gebildet, auf ärmeren Böden ist auch die Kiefer häufig. Im östlichen Teil kommen sibirische Arten von Fichte und Lärche vor. Die typische Taiga ist weiträumig vermoort und Lebensraum verschiedener Birkenarten. Niedermoore entwickelten sich mit der Zeit häufig zu Hochmooren. Viele von ihnen sind bewaldet und bilden sog. W.hochmoore. Ganz im Süden der Taiga stößt man gelegentlich auch auf andere Laubbäume, u. a. Linden. Im Westen des Osteuropäischen Tieflands, zwischen dem Finnischen Meerbusen im Norden und der Umgebung von Lemberg und Kiew im Süden, sind v. a. Misch- und Laubwälder verbreitet. Nach Osten zu wird ihr Areal schmaler; jenseits des Ural gibt es nur wenige Laubwälder.

In den Mischwäldern sind die gleichen Nadelbäume wie in der Taiga vertreten, dazu Eiche, Linde, Esche und Ahorn. Die Laubbäume haben den Schwerpunkt ihrer Verbreitung weiter im Westen und Südwesten; die Areale einiger weiterer Laubholzarten reichen nur in Randgebiete des Osteuropäischen Tieflands hinein, z. B. die der Hainbuche, während die Verbreitungsgrenze der Buche bereits weit westlich vom Osteuropäischen Tiefland erreicht ist (etwa an der Weichselmündung). Ganz allgemein lässt sich erkennen: Nach Osten nimmt die Zahl der Laubholzarten ab, nach Westen zu verringert sich die Bedeutung der Nadelbäume. Die Südgrenze der W.zone des Osteuropäischen Tieflands verläuft etwa entlang der Linie Lemberg–Kiew–Tula–Nischni Nowgorod–Kasan–Ufa.

Im Osten der europäischen Taiga hat sich die ursprüngliche Fauna gehalten. Dazu zählen Braunbär, Luchs, Vielfraß, Fuchs, Wolf und Elch, Haselhuhn und Auerhahn. Davon unterscheidet sich die Fauna in den Misch- und Laubwäldern, zu der Hirsch, Reh, Wildschwein, Wildkatze und Steinmarder gehören, ferner eine große Menge an verschiedenen Vögeln.

Neben der Jagd und Holzwirtschaft kann in der W.zone des Ostmitteleuropäischen Tieflandes weiträumig Landwirtschaft betrieben werden.

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1.2 Waldsteppe

Die W.steppe ist eine 300–500 km breite Übergangszone zwischen der W.zone des Osteuropäischen Tieflandes und der Steppe. Ursprünglich waren in diesem Gebiet lichte Eichenwälder verbreitet, die heute inselartig aufgelöst sind und zwischen offenen Steppen liegen, die artenreich sind, besonders an Gräsern. Viele Wälder sind gerodet.

1.3 Ostmitteleuropäischer Steppengürtel

Im ostmitteleuropäischen Steppengürtel sind heute nur kleine Waldgebiete zu finden. In den tiefen Lagen Ostmitteleuropas gibt es v. a. Laubwälder, in denen Eichen dominieren. In trockenen und sommerwarmen Regionen finden sich aber Anklänge an die Vegetation des südlichen Osteuropäischen Tieflands, dort sind sowohl Laubwälder als auch offene Grasländer extrazonal verbreitet. An warmen Südhängen kommen zudem Gewächse vor, die sonst eher im Mittelmeergebiet anzutreffen sind. In den Hochlagen der Gebirge, besonders an den nordwärts gewandten Hängen, sind osteuropäische Nadelbaumarten weit verbreitet.

In den tiefen Lagen (bis etwa 600 m) der Karpaten kommen Eichenwälder mit Beimengungen von Hainbuche, Esche, Kornelkirsche und Kiefer vor. In höheren Lagen (in den Westkarpaten bis 1000 m, in den Südkarpaten bis 1400 m Höhe) finden sich artenreiche Buchenwälder. In noch höheren Lagen sind Fichtenwälder verbreitet; sie bilden die W.grenze der Westkarpaten in 1450–1550 m Höhe, in den Südkarpaten bei 1700–1850 m Höhe. In der Nähe der W.grenze finden sich u. a. Zirbelkiefer, auch Arve genannt, Eberesche und Lärche. Die subalpine Stufe der Karpaten reicht 200–400 m weiter hinauf als die W.grenze. Genauso wie in den Alpen ist diese Stufe durch Krummholz charakterisiert; in den Ost- und Südkarpaten kommt eine besondere Alpenrosenart (Rhododendron kotschyi) vor. Nur in den höchsten Gebirgen der Karpaten gibt es auch eine alpine Stufe ohne Gehölze, in der Moose und Flechten dominieren; sie wachsen auf Felsen und Blockhalden.

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1.4 Pannonisches Becken und Rumänisches Tiefland

Die heute überwiegend landwirtschaftlich genutzten Tief- und Hügelländer des Pannonischen Beckens und des Rumänischen Tieflandes sind ursprüngliche Steppenlandschaften, deren am weitesten ausgedehnte Reste sich im östlichen Alföld finden. Sie werden auch Puszta genannt.

Ähnliche Steppenlandschaften gibt es auch im Rumänischen Tiefland, v. a. in seinem Ostteil, der Bărăgan genannt wird, und in der Ebene der Dobrudscha. Dort erreichen einige mediterran verbreitete Pflanzenarten die Nordostgrenze ihrer Verbreitung, u. a. der Christusdorn (Paliurus spina-Christi).

In den Auwäldern an der unteren Donau sind Weiden und Pappeln weit verbreitet. In den hügeligen, höher gelegenen Bereichen des Rumänischen Tieflandes, z. B. im Getischen Hochland (rumän. Podişul Getic), existierten ursprünglich wohl W.steppen mit wärmeliebenden Eichen.

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1.5 Balkanhalbinsel

Die Vegetation im Norden der Balkanhalbinsel (Donaugebiet sowie die größten Teile von Makedonien und Bulgarien) ist ebenso wie die Karpaten besonders mitteleuropäisch geprägt; die küstennahen Gebiete im Südwesten und Südosten gehören dagegen zum Verbreitungsgebiet mediterraner Vegetation.

Laubwälder der niedrigen Lagen mit den auch in Mitteleuropa verbreiteten Eichen (Quercus robur, Quercus petraea) sowie dazu der wärmeliebenden Zerreiche und der Balkaneiche kommen im Dinarischen Gebirge bis zu einer Höhe von 600 m, in den Bergländern Šar planina und Rila bis in 800 oder 1000 m Höhe vor. Oberhalb davon finden sich Buchenwälder, die im Inneren der Balkanländer am weitesten verbreitet sind. Daneben gibt es in diesen Wäldern verschiedene Arten von Ahorn und die Hainbuche. Buchenwälder stehen im Gebirge Durmitor bis in Höhen um 1300 m, in Šar planina bis 1700 oder sogar 1800 m Höhe. In größerer Höhe folgt die Stufe der Nadelwälder.

In Bosnien und der Herzegowina überwiegen Kiefernbestände, in Serbien Fichtenwälder. In den westserbischen Gebirgen, v. a. im Drina-Tal, wächst eine endemische Fichtenart, die Serbische Fichte. Im Gebirge Rila und in den Rhodopen sind Kiefernbestände weit verbreitet. In den bulgarischen und makedonischen Gebirgen wächst als ein weiterer Endemit mit ganz kleinem Verbreitungsgebiet die Balkankiefer.

Die obere W.grenze liegt in den dalmatinischen Gebirgen bei 1800–2000 m, in Šar planina, Rila und den Rhodopen in 1900–2100 m Meereshöhe. Meist wurde die W.grenze durch die Weidewirtschaft herabgedrückt; ursprünglich lag sie wohl höher. Oberhalb der W.grenze dehnen sich Bergwiesen aus, auf denen die Latsche häufig vorkommt. In den Gipfelregionen um 2500–2600 m Meereshöhe gibt es nur noch einen spärlichen Bewuchs widerstandsfähiger Gräser, z. B. von Borstgras, ferner von Moosen und Flechten.

Das Gebiet der mediterranen Vegetation auf der Balkanhalbinsel muss zweigeteilt werden, und zwar in ein Gebiet eumediterraner und ein weiteres mit submediterraner Vegetation. Zum Gebiet eumediterraner Vegetation gehören nur Süd- und Mittelgriechenland einschließlich der Inseln im Ägäischen und Ionischen Meer. Die ursprünglichen Eichenwälder, in denen neben anderen Eichen die Steineiche häufig vorkam, wurden durch W.nutzung, Weidewirtschaft und W.brände nahezu vollständig vernichtet; an ihre Stelle trat Sekundärvegetation, die der italienischen Macchie (griech. longos) ähnelt. Bestände, in denen nur Halbsträucher und Gebüsch vorkommen, nennt man ›phrygana‹. Die Macchie gibt es nur in niedrigen Lagen, auf der Peloponnes bis 500 bzw. 700 m ü. d. M., weiter im Norden, im Bereich des Olymps, lediglich geringfügig oberhalb des Meeresspiegels. Die niedrigwüchsigen Bestände der Phrygana findet man auch in größeren Höhenlagen, in Südgriechenland bis zu 800 bzw. 900 m ü. d. M., an der thrakischen Küste bis in 500 m Höhe.

Oberhalb der Lagen von Macchie und Phrygana trifft man auf Wälder mit immergrünen und sommergrünen Eichen. Mit zunehmender Meereshöhe wird der Anteil Laub abwerfender Bäume in den Wäldern größer. In der Buchenstufe kommen die Griechische Tanne, auf kalkreichem Untergrund auch die Panzerkiefer vor. An der oberen W.grenze in Griechenland, auf 1900–2100 m Meereshöhe, wachsen Tragant und Zwergwacholder.

Im eigentlichen Verbreitungsgebiet der submediterranen Vegetation gibt es Macchie nur auf den Dalmatinischen Inseln und entlang eines schmalen Küstenstreifens. Man nennt sie dort ›šibljak‹ (serb., „Gebüsch“). Dabei handelt es sich um Bestände von drei bis allenfalls fünf Meter hohen Sträuchern und Bäumen, darunter zahlreichen Hartlaubgewächsen und Pflanzen mit Dornen oder Stacheln. Typisch sind der nahe mit dem Judasdorn verwandte Strauch ›Ziziphus lotus‹ und der Christusdorn. In höheren Hanglagen an der adriatischen Küste stößt man auf Pflanzenbestände, die der griechischen Phrygana ähneln. Es gibt aber auch völlig kahle Hänge. Die submediterrane Flora an der Schwarzmeerküste und in der östlichen Oberthrakischen Tiefebene ähnelt derjenigen an der Adria, ist aber etwas ärmer an Pflanzenarten.

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2 Nutzung

Die Wälder Osteuropas werden seit der Ausbreitung von Landwirtschaft in der Jungsteinzeit gerodet. Landwirtschaft wurde in Abhängigkeit vom geologischen Untergrund etabliert, zuerst in den leicht zu bearbeiteten Lößgebieten und erst im Mittelalter auf flachgründigen Böden der Bergländer. Damit hängt zusammen, dass die Rodung und Besiedlung der Wälder zu sehr unterschiedlichen Zeiten einsetzte.

In Abhängigkeit von den Baumarten, die in den Wäldern vorkommen, sind verschiedene Formen von W.nutzung ausgeprägt. Traditionell sind in den Nadelholzgebieten der Taiga und der Karpaten Wirtschaftsweisen verbreitet, die Brandrodung einbeziehen. Die Flächen wurden immer wieder abgebrannt, um die Mineralien der Asche als Dünger für die nachfolgend eingesäten Kulturpflanzen zu verwenden (Roggen, Buchweizen). Letzte Überreste einer solchen Wirtschaftsweise hielten sich noch lange in den Karpaten.

W.bienenwirtschaft war u. a. in Litauen weit verbreitet. Die Bienen sammelten in den Nadelholzgebieten besonders viel W.honig. Aber nicht nur der Honig spielte eine wichtige Rolle als Wirtschaftsgut, sondern auch die Kerzen, die man aus dem Wachs herstellte. Die Nadelbäume der Wälder im Norden Osteuropas werden heute in großen Mengen zur Herstellung von Papier und Zellstoff verwendet.

In der Umgebung der großen Industriegebiete (z. B. in Tschechien, Südpolen) kam es im 20. Jh. zur Ausbildung massiver W.schäden. Durch den fortschreitenden Einbau von Filteranlagen können die W.schäden zurückgedrängt werden.

Král V. 1999: Fyzická geografie Evropy. Praha.

(Hansjörg Küster)

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