Dinarisches Gebirge

Dinarisches Gebirge (alb. Malet Dinarike, kroat./serb. Dinarsko gorje, auch: Dinarske planine). Das D. G. ist ein Gebirgsland zwischen Ljubljanica und Drin auf dem Gebiet der Staaten Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro und Albanien. Als schmales, anfangs niedriges Gebirgssystem, das sich südöstlich an die Julischen Alpen anschließt, erstreckt sich das D. G. in nordwestlich-südöstlicher Richtung über eine Länge von 640 km, bei einer maximalen Breite von ca. 200 km und einer durchschnittlichen Breite von etwa 100 km.

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

1.1 Geologische Gliederung

Die geologische Grobgliederung des D. G. in drei Längszonen wird auch im Landschaftsbild gut sichtbar.

Entlang der Ostküste des Adriatischen Meeres streicht das meist schmale, jung gefaltete Küstengebirge mit dem Biokovo (1762 m) als besonders markanter Erhebung. Steile Kalkketten und dazwischen liegende Flyschmulden kennzeichnen diese Zone. In die Flyschmulden, die infolge geringerer Gesteinswiderständigkeit einer starken Ausräumung unterlagen, drangen die Meeresarme der Adria ein und bildeten den Typ der Canali-Küste mit vielen Buchten und Inseln. Dieser schmale Küstenstreifen verbreitert sich nur zwischen Zadar und Split wesentlich.

Nordöstlich anschließend erhebt sich mit steilen Flanken und geschlossenen Wandfluchten die äußerste Kette der Hochkarstzone. Sie wird durch parallele, mächtige Kalkketten gebildet, die im Velebit und in der Dinara bis auf über 1700 bzw. über 1900 m ansteigen (Troglav 1913 m) und die durch tektonisch vorgezeichnete Längssenken begrenzt sind. Kurze, schluchtartige Durchbruchstäler lösen das Gebiet in einzelne Kalkstöcke auf. Aus Trias-, Jura- und Kreidekalken aufgebaut, ist das Gebiet stark durch Karsterscheinungen (Karren, Dolinen, Uvalas, Poljen, Höhlen) geprägt.

Östlich schließt sich das Innerdinarische Schiefergebirge an. Paläozoische kristalline Schiefer durchstoßen hier in großräumigen Aufbrüchen die Sedimentdecke. Die Oberflächenformen dieses Gebietes sind durch den ständigen Wechsel verschieden widerständiger Gesteine äußerst vielgestaltig. Sanft geböschte Hänge charakterisieren die Schiefergebiete, breite, steile Rücken und klotzige Berggestalten modifizieren das Landschaftsbild in den aus Hornfels und Gabbro aufgebauten Gebirgsteilen. Verkarstete Kalkplateaus, die allseits von steilen Wänden begrenzt sind (z. B. Bjelašnica 2067 m, Durmitor 2522 m), und zahlreiche jungvulkanische Andesit- und Trachytkegel tragen weiter zur Eigenart der Landschaft bei.

Im Nordosten läuft diese innere Gebirgszone mit welligen Hügellandschaften gegen die Save hin aus. Diese kann als Grenze des Dinarischen Gebirgssystems gegen das Pannonische Becken angesehen werden, obwohl einerseits Tieflandsbuchten über die Save hinaus nach Südwesten vorgreifen und andererseits im Zwischenland an Drau und Save Hügelländer und Mittelgebirge aufragen, die Höhen bis zu 984 m erreichen.

Die äußerst starke Auflösung des D. G. lässt neben der groben Dreizonengliederung keine sinnvolle weitere Unterteilung in größere Teileinheiten zu, wenn man nicht sehr viele Einheiten nennen will.

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1.2 Klima

Die Hochkarstzone des D. G. bildet sowohl eine erstrangige Wasser- als auch Klimascheide. Während dem Adriatischen Meer wegen des hohen Anteils von Niederschlagswasser, das im Karstsystem versickert und oft erst in Form submariner Quellen (›vrulje‹) wieder hervortritt, nur kleinere Flüsse zufließen (Drin, Neretva und Cetina sind noch die größten), entwässern auf der weniger karstigen nordöstlichen Abdachung des Gebirges zahlreiche größere Flüsse zur Save und damit zur Donau und zum Schwarzen Meer: Kulpa, Una, Vrbas, Bosna und Drina. Die Hochkarstzone ist ferner eine markante Klimascheide zwischen dem sommerheißen und wintermilden, zugleich sommertrockenen und winterfeuchten Klima des adriatischen Küstensaums und dem durch heiße Sommer, kalte Winter bei relativ gleichmäßig über das Jahr verteilten mäßigen Niederschlägen gekennzeichneten Klima des Pannonischen Beckens. Dies wirkt sich auch auf Vegetation und Landnutzung aus.

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1.3 Wirtschaft

Zu allen Zeiten war das D. G. mit der Einschränkung des Bergbaus im Vergleich zu seinen Nachbarregionen ein wirtschaftlich schwaches Gebiet, das auch relativ dünn bevölkert war. So bildete es im ersten und zweiten Jugoslawien eine Art „zentrale Peripherie“, um die sich wirtschaftliche Aktivräume lagerten, die aber eben deshalb nur schwer in Austausch treten konnten und sich z. T. nach auswärtigen Zentren hin orientierten. Ohne naturräumlichen Verhältnissen zuviel Gewicht beimessen zu wollen mag das auch ein Grund für den schwachen Zusammenhalt dieser Staaten und ihren Zerfall gewesen sein. Auch den heutigen Nachfolgestaaten Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro, durch die jeweils der Gebirgskamm läuft, wird die Bewahrung des inneren Zusammenhalts dadurch nicht leichter.

Tatsächlich ist die Wirkung des D.G. als Verkehrsbarriere mit der Ausnahme seines nordwestlichen Abschnitts trotz geringerer Höhe (viele Pässe unter 750 m Seehöhe) z. T. größer als die der Alpen, weil im Gegensatz zu diesen weniger breite und verkehrsgängige Täler an die Pässe heranführen und zumeist nicht nur ein Pass, sondern mehrere Pässe zu überwinden sind. Dies erklärt, warum allein der Hafen Rijeka, der an der engsten Stelle des D. G. liegt, als Transithafen des pannonischen Raums dauerhaft Bedeutung erlangen konnte, während das den dalmatinischen und montenegrinischen Häfen trotz großer Anstrengungen gerade im kommunistischen Jugoslawien (Bahnen durch das Una-Tal seit 1948 und Belgrad – Bar seit 1976) nicht gelang. Mit einem ehrgeizigen Autobahnbauprogramm (Autobahn Karlovac – Rijeka seit 2004 durchgehend befahrbar, Autobahn Karlovac – Split 2005 fertig gestellt) unternimmt Kroatien derzeit den Versuch, diese natürliche Barriere zu überwinden und damit den Zusammenhalt des Staates zu fördern.

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2 Kulturgeschichte

Die küstennächste Kette der Hochkarstzone wurde auch zu einer deutlichen Kulturgrenze, obwohl sie nur zu Zeiten Venedigs teilweise auch eine politische Grenze war. An der adriatischen Seite des Gebirges finden sich trotz slawischer Besiedlung viele Elemente mediterraner, romanischer Kultur, die von einer intensiven römischen Erschließung über die Einflüsse Ostroms und von Byzanz bis Venedig stammen und sich u. a. in Siedlungsstruktur, Sprache (Dalmatisch, später Venezianisch, Italienisch), Religion (katholisch), Volkskultur und Lebensstil äußern. An der pannonischen Gebirgsabdachung dagegen herrschen im Nordwesten mitteleuropäische und auf bosnischem, serbisch-montenegrinischem und albanischem Gebiet balkanische Kulturelemente vor.

Das D. G. selbst fungierte in der Geschichte häufig als Rückzugsraum und Keimzelle von Reichsbildungen, so bei der Bildung des ersten kroatischen Reiches im frühen Mittelalter, der durch das D. G. vor den im Pannonischen Becken dominanten Awaren geschützt war; so auch bei der Bildung der ersten mittelalterlichen serbischen Reiche in den Gebieten des heutigen Montenegros und von Raška; ferner bei der Bildung des mittelalterlichen bosnischen Reiches; auch die Montenegriner konnten sich in dem unwegsamen Gebirge Brda von militärischer Kontrolle durch das Osmanische Reich frei halten; ebenso gelang es des Albanern in den Bergen auch unter dem Osmanischen Reich nach ihrem eigenen Gesetz zu leben. Nicht zuletzt operierten Tito’s Partisanen v. a. vom Gebirgsraum aus, der relativ leicht zu verteidigen war.

Für das zu Zeiten des Osmanischen Reichs aus dem zentralen Balkan ausschwärmende Hirtenvolk der Balkanromanen oder Vlachen (Aromunen) wurde das D. G. auch zum Wanderkorridor, über den sie bis in heute slowenische und kroatische Gebiete vordrangen: u. a. auf den Tschitschenboden im Nordosten Istriens, wo sie als „Tschitschen“ immer noch eine kleine Restminderheit bilden; in das Uskokengebirge westlich von Zagreb an der Grenze zu Slowenien, wo sie als Uskoken bezeichnet wurden, oder in das Gebiet des Morlakenkanals (dt. hist., kroat. Velebitski kanal , Podgorski kanal) zu Füßen des Velebit-Gebirges, wo man sie Morlaci („Morlaken“) nannte. Auch bei den im Gebiet der kroatischen und venezianischen Militärgrenze zum osmanischen Bosnien und auf der anderen Seite der Grenze in Westbosnien angesiedelten christlichen Grenzwächtern dürfte es sich zum Teil um Balkanromanen gehandelt haben.

Neef E. (Hg.) 1966: Das Gesicht der Erde. Leipzig.

(Peter Jordan)

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