Kotor
Die Stadt ist wahrscheinlich im 3. Jh. v. Chr. als Siedlung griechischer Kolonisten unter dem Namen Akurion entstanden und wurde in der Römerzeit und auch später als Acruvium, Catarum, Catera, Cathara oder Dekaderon geführt, und im 7./8. Jh. vom Geographus Ravennas als Decatera verzeichnet. Unter den ca. im 7. Jh. die Region besiedelnden Südslawen setzte sich der Name Kotor durch, dessen italienisch-venezianische Dialektvariante Cattaro lautet.
168 v. Chr. wurde K. Teil des Weströmischen Reiches (Provinz Dalmatien, ›Dalmatia‹). Anfang des 5. Jh. wurde die Stadt während eines Einfalls der Goten zerstört. Nach dem Niedergang des Weströmischen Reiches geriet die ›Boka‹ in den Machtbereich des Byzantinischen Reiches, dem K. von 476 an über 700 Jahre (mit kurzen Unterbrechungen) angehören sollte. Seit dem 7. Jh. entwickelte sich K. zur wichtigsten Handelsstadt der ›Boka‹. Maßgeblichen Einfluss daran hatten die Zerstörung Risans, Budvas und Dukljas sowie die frühe Entwicklung der Seefahrt. Im 9. Jh. hatte sich in der Stadt die ›Confraternitas nautarum‹, die „Seefahrer-Bruderschaft“ gegründet. Anfänglich eine Berufsgenossenschaft, sollte sie unter der Herrschaft Venedigs erheblich an Bedeutung gewinnen und ist heute wichtiger Bestandteil der Tradition K.s.
Seit dem Ende des 8. Jh. ist auch ein Bistum, das seit 1174 zur Kirchenprovinz Bari gehörte (heute Split-Makarska), bekannt. Nach dem Ende der byzantinischen Herrschaft im Jahre 1180 war K. für kurze Zeit unabhängig, geriet jedoch 1186 in den Herrschaftsbereich der Nemanjiden, die bis 1371 K. regierten und es zu einem bedeutenden Hafen und kulturellen Zentrum Serbiens ausbauten. Zahlreiche Baumeister und Handwerker aus K. wirkten im mittelalterlichen Serbien, so Fra Vita, der Baumeister des Klosters Dečani.
1242 wurde die Stadt von Mongolen geplündert. Nach kurz wechselnder ungarischer und bosnischer Herrschaft sowie einer erneuten kurzen Unabhängigkeit folgte dauerhaft von 1420 bis 1797 die auch als „Mletačka-Epoche“ (Mletačka dominacija) bezeichnete Periode der Herrschaft Venedigs, die K. deutlich prägte. In den ersten Jahrzehnten dieser Epoche hatte Venedig große Schwierigkeiten, seine Herrschaft über K. gegenüber lokalen serbischen Machthabern und den Osmanen durchzusetzen. Aufgrund der unsicheren Machtverhältnisse in der Region wurden die Handelslinien zu Land unterbrochen, was die wirtschaftliche Bedeutung K.s sinken ließ. Zur Zeit der osmanischen Eroberung von Herceg-Novi, Risan (beide 1483) und Grbalj (1497) wurde K. 1537 und 1657 ebenfalls belagert, allerdings ohne eingenommen zu werden. Die Belagerungen führten zwar zum Ausbau der Befestigungsanlagen, gleichzeitig jedoch verlor K. endgültig seinen wirtschaftlichen und kulturellen Status in der Region. Zur selben Zeit wurde die Stadt insgesamt viermal von Erdbeben heimgesucht, wobei 1553 und 1667 erhebliche Schäden entstanden. Nach dem Ende der Republik Venedig wechselte die Herrschaft innerhalb von 16 Jahren drei Mal: Österreich (1797–1806), Russland (1806–07) und Frankreich (1807–13). Am 29.10.1813 versuchten Montenegriner unter dem Metropoliten von Cetinje, Petar I. Petrović, die Vereinigung Montenegros mit der ›Boka‹ durchzusetzen und bildeten eine provisorische Regierung (Versammlung von Dobrota, 10.11.1813). Nach Intervention der Großmächte, u. a. seitens Russlands, wurde die ›Boka‹ wieder Habsburg eingegliedert. Obwohl gescheitert, bildet dieser Versuch bis heute den Gründungsmythos montenegrinischer Staatlichkeit.Bis in den Ersten Weltkrieg war die Stadt Hauptsitz der Kriegsmarine Österreich-Ungarns, die von hier aus nach Cetinje aufstieg und es eroberte. 1918, kurz vor Kriegsende, kam es zu einem rasch niedergeschlagenen Matrosen-Aufstand, deren Anführer in K. erschossen wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden K. und die gesamte ›Boka‹ Bestandteil des neugegründeten SHS-Königsreiches. 1941 von italienischen Truppen besetzt, nahm die jugoslawischen Volksbefreiungsarmee K. am 21.11.1944 ein. K.s Altstadt ist von einer 4 km langen und bis zu 10 m hohen Stadtmauer umgeben. Nördlich dieser liegt jenseits eines kleinen Kanals der neuere Stadtteil, dessen Leichtindustrie neben der Schifffahrt, dem Fischfang und der Landwirtschaft für die Stadt bedeutend ist.
Da K. größtenteils sein mittelalterliches Aussehen bewahrt hat, konnte die Stadt sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine zusätzliche Einnahmequelle im Tourismus erschließen. 1979 durch ein Erdbeben abermals stark beschädigt, wurde K. im selben Jahr von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt. In der Stadt befinden sich zahlreiche vom 14. bis 18. Jh. entstandene Patrizierhäuser und andere Paläste (u. a. Rektorenpalast). Hervorzuheben ist die mehrmals durch Erdbeben zerstörte, 1166 geweihte romanische St. Tryphonius Kathedrale (Sveti Tripun, Schutzpatron K.s). Die Schatzkammer der Kathedrale enthält neben Reliquien hochwertige Werke lokaler und ausländischer Künstler. 1195 wurde die byzantinische Kirche St. Lukas eingeweiht, die im 17. Jh. der orthodoxen Kirche übergeben wurde und Fresken aus dem 12. Jh. und Ikonen der Schule von Risan enthält. 1602 wurde der Uhrturm, ein weiteres Wahrzeichen der Altstadt, errichtet.