Pannonien (Provinz)

Pannonien (latein. Pannonia). P. ist die antike Bezeichnung für das Gebiet zwischen Donau im Norden und Osten, Save im Süden und der Linie Wien – Ptuj – Ljubljana im Westen, wobei sich in römischer Zeit Verwaltungsstruktur und Grenzen der gleichnamigen Provinz mehrfach änderten. Zu P. gehörten Wiener Becken, Burgenland, Westungarn, ein Teil der Südslowakei sowie nördliche Teile Sloweniens, Kroatiens und Serbiens. Obwohl zahlreiche keltische Stämme im Norden des Gebietes lebten und die „Pannonier“ unter starkem keltischem Einfluss standen, war P. aus römischer Sicht der nördliche Teil Illyricums. Da P. das Einfallstor nach Italien bildete und die dortige Reichsgrenze fast ständig von Barbaren bedroht war, musste Rom stets starke Truppenkontingente in diesem Grenzabschnitt konzentrieren. Diese massive Militärpräsenz prägte P. und brachte dem ansonsten an Bodenschätzen armen Land Wohlstand und Einfluss auf die Politik des Reiches. Um die Möglichkeit eines Militärputsches zu verringern, wurde die Provinz mehrfach geteilt, damit keine Einzelperson Macht über diese Militärgewalt vor den Toren Italiens bekam.

Vor der römischen Okkupation lebten im Süden der nachmaligen Provinz illyrische Stämme, während der Norden von den mit ihnen verwandten, aber unter starkem keltischem Einfluss stehenden „Pannoniern“ bewohnt wurde. Der Nordwesten des Landes stand unter der Herrschaft des Regnum Noricum und trug keltische Züge.

Okkupation und Bildung einer eigenständigen Provinz erfolgten mit einigem zeitlichen Abstand. Zunächst eroberten die Römer 12 – 9 v. Chr. das Gebiet zwischen Drau und Save. Nach Aufständen besiegte Tiberius die Stämme der Pannonii und Dalmatae im Jahr 9 endgültig und dehnte die römische Macht bis an die Donau aus. P. wurde zunächst Teil der Provinz Illyricum, dann abgetrennt und dem Kommando eines konsularischen Statthalters unterstellt. Nach ersten Grenzsicherungsmaßnahmen Mitte des 1. Jh. erfolgte unter Domitian (81–96) und Traian (98–117) die planmäßige Errichtung eines Donaulimes. Ab Ende des 1. Jh. war die Provinz mit vier Legionen eine der am stärksten militarisierten im Römischen Reich, wobei Legionen in Vindobona (legio X Gemina), Carnuntum (legio XIIII Gemina), Brigetio (legio I Adiutrix) und Aquincum (legio II Adiutrix) stationiert waren.

Eine Teilung unter Traian um 106 schuf die Provinzen P. Superior mit Statthaltersitz Carnuntum und P. Inferior mit Aquincum. Ab Mitte des 2. Jh. kam es zu einer fortschreitenden Romanisierung durch Ansiedlung von Veteranen und forcierter Urbanisierung. Während der Markomannenkriege (167–180) wurde P. stark verwüstet. Unter den Severern erfolgte eine neue Blüte. 214 wurde das Legionslager Brigetio im Rahmen einer Grenzrevision zu P. Inferior geschlagen. In der Folge kam es wiederholt zu Putschversuchen pannonischer Offiziere, die sich zu Soldatenkaisern aufschwangen.

Die Reichsreform Diokletians (284–305) teilte P. in die vier Provinzen P. Prima mit Hauptort Savaria, Savia mit Siscia, P. Secunda mit Sirmium und Valeria mit Sopianae. Auch danach kam es zu Einfällen von Sarmaten, Quaden und Goten. Unter der Regierung Constantin I. (306–337) und Valentinian I. (364–375) erfolgte nochmals eine Verstärkung der Grenzanlagen. Ab dem 4. Jh. bezeugen Kirchen und Grabkapellen christliches Leben in P.

Im 5. Jh. siedelten sich nach der römischen Niederlage bei Adrianopel (378) Alanen, Goten und Hunnen als Föderaten in P. an. Rom übergab P. 430 an die Hunnen. Die P. secunda kam 510 unter ostgotische Herrschaft, konnte zeitweise von Byzanz zurückgewonnen werden, ging jedoch mit dem Fall des Donaulimes und slawisch-awarischen Einfällen Ende des 6. Jh. endgültig verloren.

Im Frühmittelalter überließen die 567/68 nach Italien ziehenden Langobarden den Awaren ihr pannonisches Siedlungsgebiet. Im 8. Jh. geriet das nun von Awaren und Slawen besiedelte Land unter karolingischen Einfluss. Nach der Ungarischen Landnahme kam der Name P. allmählich außer Gebrauch. Er lebt in geographischen Bezeichnungen wie Pannonische Tiefebene, Pannonisches Becken oder Pannonhalma fort.

Fitz J. 1993–1995: Die Verwaltung Pannoniens in der Römerzeit. Bd. 1–4. Budapest. Lengyel A., Radon G. T. B. (Hg.) 1980: The Archaeology of Roman Pannonia. Lexington. Szabó A. (Hg.) 2003: Pannonica provincialia et archaeologia. Festschrift J. Fitz. Budapest. Várády L. 1969: Das letzte Jahrhundert Pannoniens (376–476). Budapest. Visy Sz. 1988: Der pannonische Limes in Ungarn. Stuttgart.

(Eric Breuer)

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