Völkerwanderung

Völkerwanderung

Inhaltsverzeichnis

1 Definition

Allgemein werden unter dem Begriff V. Wanderungsbewegungen einzelner Stämme und Völkerschaften von einem Siedlungsgebiet in ein anderes verstanden. Bedingt waren diese seit Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. aufgetretenen Wanderungen durch Landnot, Klimawechsel oder Druck durch andere Völker.

Im engeren Sinne jedoch ist mit V. die mit der Hunneninvasion 375 beginnende Bewegung, Verdrängung und Abwanderung einzelner Völker an der Nord(ost)grenze des Römischen Reiches gemeint. Diese V. unterschied sich von den vorherigen insofern, als mit den Hunnen ein neuer politischer Faktor im Kräftespiel an den Grenzen auftrat und sich auch die Qualität der wandernden Stämme veränderte. Im Zuge der Wanderungen entstanden neue, organisatorisch stärkere Stammes- bzw. Völkereinheiten. Die V. löste, von der unteren Donau (Fluss) ausgehend, einen Landnahmeprozess aus, dessen Ziel die Ansiedlung auf römischem Territorium war. Dies, einhergehend mit der Bildung germanischer Staaten, führte zum Untergang Westroms (410) und zu einer Auflösung der westlichen Imperiumshälfte im 5. Jh. Resultat und Gegenstand der V. ist damit letztlich die Auflösung des Imperium Romanum und die Ausbildung neuer Reiche auf diesem Gebiet. Diese Reichsbildungen können als Grundlagen der abendländischen Staatenwelt angesehen werden. Die V. bildet somit auch den Übergang von der Antike zum Mittelalter.

Anfang

2 Ausgangssituation

Seit dem Erscheinen der germanischen Völker (Kimbern und Teutonen), die um 120 v. Chr. aus Nordjütland kamen und sogar bis nach Italien vordrangen, ist eine ständige Ausbreitung germanischer Stämme von Norden her erkennbar. Ihre Ausdehnung bewirkte frühzeitig einen Druck auf die Grenzen des Römischen Reiches. Bereits Caesar argumentierte für seine beiden Rheinüberschreitungen mit der Gefährdung der Grenzen der gallischen Provinzen durch das ständige Eindringen und Plündern germanischer Stämme. Mitte des 3. Jh. bedrohten dann die Alamannen ernsthaft die Rheingrenze. Seit 259 war das Gebiet östlich des Rheins und nördlich der oberen Donau für die Römer endgültig verloren, während am Niederrhein der Limes von den Franken durchbrochen worden war, die nun plündernd bis nach Gallien zogen. Im Osten hingegen bedrohten gotische, sarmatische, bastarnische und karpatische Stämme die römischen Grenzen. Um diese Völkerschaften einzubinden, wurde seit dem 3. Jh. die Zahl der Fremden im römischen Heer ständig vergrößert. Man schloss mit Stämmen oder Stammesgruppen Verträge ab, mit denen diese sich gegen Geld und Getreide zum Grenzschutz verpflichteten, ohne jedoch immer tatsächlich verlässlich zu sein.

Zu der latenten Gefahr für das Römische Reich durch die Germanen kam die instabile innenpolitische Situation durch bürgerkriegsähnliche Wirren, häufige Thronwechsel und unfähige Regenten im Imperium Romanum. Die ständige Gefahr an den Grenzen hatte zu einer Landflucht geführt und einer damit verbundenen Konzentration des Lebens in den Städten. Situationsbedingt sank zugleich das Lebensniveau der Bevölkerung in den Provinzen. In diese Phase äußerer und innerer Schwäche fiel der Sturm der Hunnen (375), der eine Kettenreaktion der Ereignisse auslöste und letztlich zum Untergang Westroms führte. 395 war die endgültige Teilung des Römischen Reiches in das West- und Ostreich erfolgt, wobei die Grenzlinie von Afrika bis Pannonien an der mittleren Donau verlief. Eine Folge dieser Teilung war, dass Westrom nun in der Regel allein gegen die Barbaren zu kämpfen hatte und somit geschwächt worden war.

Diskutiert wird auf dieser Basis die Frage nach den genauen Ursachen für das Ende des Römischen Reiches. Dabei gilt es zu erwägen, ob das Römische Reich, nachdem der Druck auf die Grenzen zunahm, von seiner inneren Konzeption her überhaupt die Möglichkeit hatte, auf die neuen Probleme angemessen zu reagieren. Hinzu kam, dass die germanischen Völker, die im 5. und 6. Jh. zu Trägern neuer politischer Gebilde auf weströmischem Boden wurden, selbst einen Prozess der Stammesbildung durchlebt hatten, der ebenso wie der Zustand des Römischen Reiches Voraussetzung für die Entstehung neuer Reiche war. Zugespitzt geht es also darum, ob das Reich „eines natürlichen Todes“ starb, da es von seinen Strukturen her veraltet und nicht mehr reaktionsfähig war oder ob es, durch den Einbruch fremder Völker „ermordet worden“ ist.

Anfang

3 Die wichtigsten Stämme der Völkerwanderungszeit

3.1 Hunnen

Wohl seit der Mitte des 2. Jh. n. Chr. siedelten die wohl ursprünglich aus Zentralasien stammenden Hunnen zwischen unterer Wolga und Don. Indem sie 375 über den Don nach Westen vorstießen, verdrängten sie z. T. die dort ansässige Bevölkerung und lösten eine weitläufige Wanderbewegung aus. Nach Siegen über die Westgoten erschienen die Hunnen an der unteren Donau und verursachten damit weitere germanische Rheinüberschreitungen (406). Seit der ersten Hälfte des 5. Jh. bedrängten die Hunnen dann selbst den Osten des Römischen Reiches. Unter Führung ihres Königs Attila wurde der Druck auf das Reich so stark, dass es den Hunnen gelingen konnte, mit dem römischen Ostreich einen Vertrag abzuschließen. 447 überschritten die Hunnen jedoch erneut die Donau, verheerten Thrakien und drangen fast bis Konstantinopel vor. Das Erschrecken über den Hunneneinfall war groß.

Kaiser Theodosius II. war durch diesen Einfall in römisches Gebiet nochmals gezwungen, hohe Tributzahlungen zu leisten und einen breiten Streifen südlich der Donau zu räumen, der die dortigen Gebiete ihrer Pufferzone beraubte. Die Geldzahlungen an die Hunnen waren enorm hoch und entsprachen in den 40er Jahren des 5. Jh. 2,2 % der gesamten byzantinischen Einkünfte. Zugleich ließ sich Attila vom Kaiser vertraglich zusichern, dass keine Bündnisse mit Völkern geschlossen wurden, die Krieg gegen die Hunnen führten. Unter Attila erlangten die H. den Höhepunkt ihrer Macht.

Anfang

3.2 Goten

Die Goten, die man seit dem Ende des 3. Jh. in West- und Ostgoten unterteilt, waren unmittelbar vom hunnischen Ansturm betroffen. Während die Ostgoten 375 den Hunnen unterlagen, wichen die Westgoten ihnen aus. In der Folgezeit verblieb ein Teil der Goten in ihrer alten Heimat, assimilierte sich mit den Invasoren, zog sich in die Karpaten zurück oder schloss sich den Hunnen aktiv an.

Ein Großteil der Westgoten jedoch setzte sich gen Westen in Bewegung und überschritt die Donau, um im Römischen Reich aufgenommen zu werden. Zahlreiche kleinere Stämme wie die Alanen, „Taifalen“ (latein. Taifali) und Balten schlossen sich diesem Zug an und leiteten dadurch faktisch den Vorgang ein, der heute als V. bekannt ist. Rom verweigerte den Stämmen die Integration in das Reich und entsandte Truppen unter Führung von Kaiser Valens, um die eingedrungenen Völkerschaften zurückzudrängen. 378 wurden die Römer jedoch in der Schlacht von Adrianopel besiegt, Kaiser Valens fiel. Theodosius I. war daher gezwungen, eine Aufnahme in das Reich vertraglich zu regeln. Hierin liegt auch die eigentliche Bedeutung dieser Schlacht. Theodosius I. gestattete eine Ansiedlung in Thrakien und ermöglichte ihre Aufnahme in den Reichsdienst. Weitergehende Siedlungsversuche südlich der Donau scheiterten, so dass die Westgoten seit etwa 390, getrieben von der Suche nach Land, zunächst das römische Ostreich durchzogen, um dann ab 401 auch das Westreich zu durchstreifen. Unter Alarich I. bauten die Goten ihre Position allmählich aus, so dass sie um 405/6 über die stärkste Armee auf italischem Raum verfügten. Unter seiner Führung eroberten und besetzten die Goten am 24.8.410 Rom und plünderten es drei Tage lang. Tatsächlichen Nutzen konnten sie aus der Eroberung Roms und ihrer Position der Stärke allerdings nicht ziehen, da ihnen eine Integration in das Reich nicht gelingen wollte. Insofern war der Fall Roms zwar ein Schock für die gesamte römische Welt, jedoch auch kein verwertbarer Sieg für die Goten.

Unter dem Nachfolger Alarichs zogen die Goten nach Gallien und besiedelten den Raum um Toulouse und Bordeaux und von südlich der Mittelmeerküste bis an die Loire. Aus dieser Ansiedlung ging das sog. Tolosanische bzw. später Toldeanische Reich der Westgoten hervor, das bis 723 bestand. Man kann sagen, dass sich der gotische Staat in dem Maße ausbildete und wuchs wie das weströmische Reich schwächer wurde. Eine Verdrängung der Goten von Gallien nach Spanien erfolgte dann auch nicht etwa von römischer Seite, sondern durch die Franken unter Chlodwig. Im letzten Jahrzehnt des 5. Jh. erfolgten die ersten westgotischen Einwanderungen nach Spanien. In derselben Dekade überschritten die Franken die Loire, drangen bis nach Bordeaux vor und waren damit zweifellos die gefährlichste Bedrohung für das westgotische Reich. 507 kam es schließlich zur entscheidenden Schlacht bei Vouillé, in der Nähe von Poitiers, in welcher die Westgoten vernichtend geschlagen wurden und ihr König Alarich II. fiel. Nachdem die Westgoten einen Großteil ihrer gallischen Gebiete verloren hatten, erfolgte eine weiter verstärkte Ansiedlung in Spanien und damit der Beginn des sog. Toledanischen Reiches, in dem Toledo neues Zentrum des Westgotenreiches wurde. 585/6 wurde das Reich der Sueben eingegliedert, 625 die letzte byzantinische Enklave.

Im Jahre 488/89 erschienen die Ostgoten, die ihre Wohnsitze seit Jahren in Pannonien und den balkanischen Provinzen hatten, in Italien. Mit Billigung des oströmischen Kaisers Zeno hatte sich der Ostgote Theoderich aufgemacht, Odoaker, den germanischen Herrscher über Westrom, zu bekämpfen und sich und seine Goten in Italien anzusiedeln. 493 wurde Odoaker von den Goten besiegt und ermordet. Damit begann die ostgotische Herrschaft über Italien, die 552 bereits wieder ihr Ende fand. Neben den Ostgoten befanden sich auch gepidische Truppen, Heruler und Rugier in Italien. Zur Sicherung seiner Herrschaft ersann Theoderich ein Abwehrsystem, das aus kluger Diplomatie und effizienter Heiratspolitik bestand. Durch die daraus resultierenden Bündnisse war das Ostgotenreich bis zum Tode Theoderichs (526) gesichert. Ein Jahr später bestieg in Konstantinopel Kaiser Justinian, der sich von Beginn an mit dem Gedanken trug, Italien zurückzugewinnen, den Thron. Die Folgejahre zeigten einen langen und erbitterten „Kampf um Rom“, den Justinians Feldherr Narses schließlich zu seinen Gunsten entschied. Die Ostgoten wurden beinahe völlig aufgerieben; die wenigen Überlebenden verließen Italien.

Anfang

3.3 Alamannen

Erwähnt werden die Alamannen erstmals 213, als sie den römischen Limes am Rhein angriffen. Es handelt sich also um ein ethnisch gemischtes Volk, das Teile der früher zu den Sweben gezählten Völker wie die Markomannen und Quaden oder später auch die „Juthungen“(latein. Iutuhungi) in sich vereinte. Seit 213 übten die Alamannen einen stetigen Druck auf die Rheingrenze aus; es kam regelmäßig zu Übergriffen und Plünderungen. 259 jedoch erfolgte ein entscheidender großer Angriff barbarischer Völker auf die römische Grenze vom Rhein bis zur unteren Donau. Danach waren die Alamannen, die in diesem Jahr bis nach Mailand gekommen waren, nicht mehr zurückzudrängen. Die Römer gaben das sog. Dekumatland, das Land zwischen Oberrhein und Oberdonau, auf und verlegten die Grenzlinie auf den Rhein-Iller-Donau-Limes. Aus Teilen der Provinzen ›Germania superior‹ und ›Raetia‹ entstand ›Alamannia‹.

Im 5. Jh. siedelten sich allmählich erste alamannische Gruppen am rechten Rheinufer bei Basel sowie am Bodensee an. Von hier breiteten sie sich kontinuierlich aus und erreichten gegen Ende des 6. Jh. das schweizerische Mittelland und dehnten sich bis in die Ostschweiz und nach Liechtenstein aus. Die Westgrenze des burgundischen Gebietes an der Aare in der Gegend von Bern grenzte direkt an ihr Gebiet an. Dieser Grenzverlauf bildete die historische Grundlage für die Sprachgrenze zwischen französisch- und deutschsprachiger Schweiz. Politisch standen die Alamannen allerdings bereits seit 497 unter fränkischer Herrschaft. In der Schlacht bei Zülpich (496) waren sie vom fränkischen König Chlodwig geschlagen worden und bildeten seitdem einen Teil des fränkischen Reiches; allerdings offenbar mit einer gewissen Autonomie. Die alemannischen Siedlungen im Elsass, in Südwestdeutschland bis Regensburg und in der Schweiz waren in fränkischer Zeit weiterhin bewohnt.

Bezogen auf die Völkerwanderungszeit schlugen die Alamannen jedoch einen Sonderweg ein. Sie schlossen sich im Gegensatz zu anderen germanischen Stämmen weder den Wandalen, Sweben und Alanen auf ihrem Weg Richtung Gallien an, noch nahmen sie an der großen Schlacht auf den Katalaunischen Feldern gegen die hunnische Koalition teil. Sie zogen, von diesen Ereignissen nur indirekt berührt, von der Elbe bis nach Südwestdeutschland und in die Schweiz, wo sie als erstes Volk von den Franken unterworfen wurden.

Anfang

3.4 Franken

Gleichzeitig mit dem großen Einfall der Alamannen nach Gallien überschritten auch die Franken den Rhein bei Köln und drangen bis nach Paris und Reims vor, Teilgruppen sogar bis nach Spanien. Prinzipiell gelang es jedoch den Römern bis zum Tode Konstantins (337) die Franken jenseits des Rheins zu halten. Danach drängten Teilstämme der Franken, so der mächtigste fränkische Stamm, die Salier, über den Rhein. Der römische Kaiser Julian (Apostata) war daher gezwungen, ihr neues Siedlungsgebiet südlich und westlich der unteren Maas sowie am linken Rheinufer und in den Provinzen ›Germania II‹ und ›Belgica II‹ zu akzeptieren. Zugleich wurden die Franken römische Bundesgenossen und hielten beinahe 50 Jahre lang Ruhe, bis sie im späten 4. Jh. erneut die römischen Grenzen bedrohten. Als die Vandalen, Alanen und Sweben 407 begannen, Gallien zu verheeren, versuchten auch die Franken, ihre Gebiete in Gallien auszudehnen. Zwar gelang es Aetius noch, ein erneutes Bundesgenossenverhältnis (foederati) herzustellen, nach seinem Tod 454 jedoch drängten die Salier nach Nordfrankreich, die Rheinfranken eroberten Köln und Trier. Es entstand die Francia Rhinensis, die von Xanten bis Mainz und weiter bis Trier reichte.

Anfang

3.5 Burgunden

Die Burgunden, deren Ursprung wahrscheinlich in Skandinavien liegt, siedelten vermutlich in der Nähe der Goten, im Gebiet der Warthe bis zur Weichsel im Osten. Von dort zogen sie, möglicherweise verursacht durch den Druck der Gepiden, seit dem 3. Jh. Richtung Westen. Sie siedelten sich im Rhein-Main-Gebiet an, das von den Alamannen 259/60 verlassen worden war. Das dort von ihnen errichtete Reich fand jedoch bereits 436 sein Ende, als der römische Feldherr Aetius mit Unterstützung hunnischer Kräfte die Burgunden schlug, weil diese zuvor in die gallische Provinz eingefallen waren. In diesem Kampf sollen 20.000 Burgunden gefallen sein. Den Rest übersiedelte Aetius 443 in die Nähe des Genfer Sees. Zwei Drittel des ordentlichen Steueraufkommens erhielten die neu angesiedelten Burgunden, die dafür ihrerseits an einer gefährdeten Stelle Galliens die Grenzverteidigung gegen die Alamannen übernahmen. Seit diesem Zeitpunkt waren sie Bundesgenossen (foederati) des Römischen Reiches und kämpften daher, ihre Pflicht erfüllend, auf römischer Seite gegen die Hunnen auf den Katalaunischen Feldern (451). Zusammen mit den Westgoten siegten sie auch über die Sweben in Spanien, gegen die sie 451 im Auftrag des Kaisers Avitus standen. Da jeder burgundische Neusiedler einen Teil des römischen Landbesitzes erhielt, vergrößerte sich das burgundische Reich allmählich und reichte schließlich bis in die Täler von Rhone und Saône. Hauptsitz des burgundischen Königs war seit 461 Lyon. Die nachfolgenden Jahre sind geprägt durch militärische Auseinandersetzungen der Burgunden mit Alamannen und Goten. Das Resultat ist eine derartige Schwächung, dass das Burgunderreich 534 Teil des fränkischen Merowingerreiches und zu einem der Kernlande der fränkischen Herrschaft wurde.

Anfang

3.6 Vandalen, Sweben und Alanen

Unter dem hunnischen Druck wandten sich Alanen seit dem 3. Jh. verstärkt nach Westen wandte, so dass sie bereits zu dieser Zeit als Gegner genannt werden, die die Donauprovinzen bedrohten. Nachdem sie dann Mitte des 4. Jh. von den Hunnen überrannt worden waren, trat ein Teil im Verbund mit den Hunnen auf, während ein anderer Teil mit den Westgoten die Donau überschritt.

Auch die Vandalen bzw. ein Teil derselben wanderte seit der Mitte des 3. Jh. n. Chr. gen Westen. So waren die in Schlesien ansässigen silingischen Vandalen wahrscheinlich durch den Druck der Goten von Norden aufgebrochen Im Verbund mit den Vandalen fielen 401 die Alanen in die römischen Provinzen ›Noricum‹ und ›Raetia‹ ein. 406 überschritten sie zusammen mit „Pannoniern“(latein. Pannoni), Sweben und Vandalen den Rhein, um große Teile Galliens zu plündern. Damit war die römische Verteidigungslinie am Rhein de facto zusammengebrochen, zumal die Römer unter Führung Stilichos auch zeitgleich gegen die Goten zu kämpfen und daher Truppen von der Rheinlinie abgezogen hatten. Von dort zogen die Alanen im Verbund mit anderen Stammesgruppierungen 409 weiter bis nach Spanien, wo sie sich ansiedelten und ein eigenständiges alanisches Reich gründeten, das bis zur Eroberung durch die Westgoten (418) Bestand hatte.

429 schlossen sich die in der spanischen Region verbliebenen Alanen dem Zug der „hasdingischen“ Vandalen nach Afrika an, wo sie unter Führung Geiserichs (428–77) mit 80.000 Leuten erschienen. Nach dem Tod Geiserichs jedoch verschlechterte sich die Situation des vandalischen Reiches allmählich. Ende 533 kam es zur entscheidenden Schlacht zwischen Vandalen und den Byzantinern unter ihrem Feldherrn Belisar, die nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet hatten, die nordafrikanischen Provinzen zurückzugewinnen. Die Byzantiner siegten und das Reich der Vandalen war am Ende. Um 550 gab es kaum noch Vandalen in Afrika; ihre Herrschaft hat dort nahezu keine Spuren hinterlassen.

Die Sweben jedoch hatten sich dem vandalisch-alanischen Zug nach Afrika nicht angeschlossen, sondern blieben in Spanien und siedelten sich dort nachweislich im Gebiet des heutigen nordwestlichen Spaniens und des nördlichen Portugal an.

Anfang

4 Resümee und Ausblick

Gekennzeichnet ist die Periode der V. durch ständigen Umbruch und Bewegung. Barbarische Reiche entstanden und verschwanden, Völkerschaften erstarkten, zersplitterten und lösten sich auf. Von den Hunnen, Alanen oder Alamannen als Agitatoren im Sinne eines ethnisch geschlossenen Stammesverbandes zu sprechen ist damit auch nur ein Konstrukt, da beinahe jede Aktion und Wanderbewegung von einem Konglomerat diverser Ethnien durchgeführt wurde. Dies führte dazu, dass nicht selten Hunnen gegen Hunnen, Goten gegen Goten oder Burgunden gegen Burgunden kämpften. Auf jede „barbarische“ Phase, die einherging mit gewaltsamer Landnahme, Plünderungen und Eroberungen, folgte in dieser Zeit eine Zivilisationsphase, in welcher die Invasoren die vorgefundene Kultur adaptierten und respektierten. Die Eindringlinge zeigten Interesse für die klassische Antike und strebten es an, selbst den Römern gleich zu werden. So ist der letzte tolosanische König, Alarich II., auf einer Siegelplatte offensichtlich als römischer Herrscher dargestellt. Besonders deutlich zeigt sich die Adaption römischer Kultur an der immensen Übernahme römischer Verwaltungsstrukturen. Unter Theoderich d. Gr. beispielsweise versammelte sich noch immer der römische Senat. Einhergehend mit einer solchen Akkulturation fand dabei jeweils eine Phase der Konsolidierung der jeweiligen Reiche statt.

Unmittelbares Resultat der V. aber ist der Untergang des Römischen Reiches und damit das Ende der Antike. Wenngleich eine einheitliche Datierung dieses Endes in der wissenschaftlichen Forschung nicht vorliegt, so bleibt der Bezug zur V. doch evident. Während manche Forscher das Ende bereits 410 mit der Eroberung Westroms durch die Westgoten sehen, werten andere die Absetzung des letzten römischen Kaisers, Romulus Augustus, durch den Germanen Odoaker und das faktische Ende des Westreichs 476 als Schlusspunkt der Antike. In jedem Fall jedoch wird diese Zeit als Umbruchsphase begriffen, die Gegenstand mittelalterlicher und althistorischer Forschung zugleich ist, wobei der Blick der Althistoriker sich stärker auf das Römische Reich und die Ursachen für den Niedergang konzentriert, während der Mediävist seinen Blick stärker auf die Ausbildung neuer Reiche richtet.

Martin J. 1987: Spätantike und Völkerwanderung. München. Wolfram H. 1990: Das Reich und die Germanen zwischen Antike und Mittelalter. Berlin. Mączyńska M. 1993: Die Völkerwanderung. Geschichte einer ruhelosen Epoche im 4. und 5. Jahrhundert. Zürich. Demandt A. 1984: Der Fall Roms. Die Auflösung des römischen Reiches im Urteil der Nachwelt. München. Rosen K. 2006: Die Völkerwanderung. München. Pohl W. 2005: Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration. Stuttgart. Wenskus R. 1977: Stammesbildung und Verfassung. Das Werden frühmittelalterlicher gentes. Köln.

(Beatrix Günnewig)

Anfang
Views
bmu:kk