Hunnen

Hunnen

Die H. waren ein Volk von Reiternomaden, das wahrscheinlich aus Zentralasien stammte. Versuche, in ihnen asiatische Volksstämme zu erkennen, bleiben aufgrund der Quellenlage hypothetisch. Schwierig ist es auch, die H. als politische Einheit zu bezeichnen. Es existierten vielmehr zahlreiche Gruppen und Führer, die unabhängig voneinander agierten.

Ein über mehrere Gruppierungen herrschendes Königtum entstand wahrscheinlich erst um 400 Jh. Für Mitte des 4. Jh. sind die H. zwischen unterer Wolga und Don bezeugt. Um 375 lösten sie, über den Don nach Westen vorstoßend und die dort ansässige Bevölkerung z. T. verdrängend, den Ansturm germanischer Völker (so der Westgoten, Vandalen, Sweben, Burgunder und Alanen) auf das Römische Reich aus. Die H. wurden somit zum Auslöser der ersten großen Völkerwanderung. Nach Siegen über den König der Westgoten Athanarich (376) erschienen sie an der unteren Donau. Von dort zogen sie weiter westwärts und verursachten dadurch die germanische Rheinüberschreitung zur Zeit des Honorius (406).

Seit der ersten Hälfte des 5. Jh. bedrängten die H. auch das Oströmische Reich und fielen u. a. in Thrakien ein. Der Druck auf die Römer wurde so stark, dass diese den hunnischen Königen Attila und Bleda hohe Tributzahlungen und eigene Marktrechte vertraglich zugestanden. Das Verhältnis der H. zum römischen Westreich ist weniger geklärt. Allerdings ist nach der neueren Forschung anzunehmen, dass auch dieses Tribute zahlte und keineswegs einen besonderen, auf freundschaftlichen Beziehungen beruhenden, Schutz genoss. 445 ließ Attila Bleda ermorden und wurde damit zum Alleinherrscher über die H., die 447 erneut die Donau überschritten, Thrakien verheerten und fast bis Konstantinopel vordrangen. Kaiser Theodosius II. musste um Frieden bitten und immense Tribute zahlen sowie außerdem einen breiten Streifen südlich der Donau räumen, so dass die oströmischen Provinzen nun ohne Pufferzone den Anstürmen der H. ausgesetzt waren.

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Attila war damit auf dem Höhepunkt seiner Macht und regierte autoritär ein nach Stämmen gegliedertes Reich. Unter seiner Führung herrschten die H. über weite Gebiete nördlich der Donau. Während lange Zeit angenommen wurde, ihr Herrschaftsraum habe sich von der heutigen Ukraine bis zum Rhein erstreckt, geht man inzwischen von einem weitaus kleineren Gebiet aus, das bis in die heutige Slowakei reichte und einen Großteil der Balkanhalbinsel umfasste. Das Zentrum des Reiches lag zwischen mittlerer Theiß und Donau. Es zerfiel mit dem Tod Attilas (453), nachdem seine Söhne durch germanische Stämme unter Führung der Gepiden am Nedao in Pannonien besiegt worden waren (454 oder 455). Teilgruppen verblieben in Skythien.

Bezeugt sind die H. im späten 5. und 6. Jh. als Söldner in oströmischen und germanischen Diensten. Aufgrund des Fehlens literarischer Zeugnisse können über Sprache, Religion und Ethos kaum gesicherte Aussagen getroffen werden. Dass die H. eine eigene Schrift besaßen, ist unwahrscheinlich. Inwieweit es eine spezifisch hunnische Kunst gegeben hat, ist ebenso strittig. Fundgegenstände aus dem Expansionsbereich des 5. Jh. lassen offen, ob es sich um hunnische, alanische oder sarmatische Relikte handelt. Als Nomaden unterlagen sie vielen kulturellen Einflüssen, die sie adaptiert haben können. Eine Romanisierung ist kaum feststellbar.

Die antike Literatur charakterisiert die H. als grausam, furchterregend, unmenschlich, beinahe tiergleich und hebt sie in der Stärke der Betonung dieser Attribute deutlich von den Germanen ab. Die H. müssen wohl tatsächlich als furchterregender Gegner des Römischen Reiches gewertet werden, aufgrund ihrer nichtgefestigten Machtstrukturen stellten sie jedoch keine ernsthafte Gefahr dar: sie konnten Tribute verlangen, nicht jedoch die römische Herrschaft ersetzen. Wichtigste Quellen für die Geschichte der H. sind Priscus von Panium, Jordanes und Ammianus Marcellinus, Hieronymus sowie Claudian. Reminiszenzen an die H.zeit finden sich auch im Nibelungenlied, welches an die Rolle der H. im Kampf gegen die Burgunder (436) erinnert.

Bóna, I. 1991: Hunnen. LMA 5, 222–224. Maenchen-Helfen O. 1978: Die Welt der Hunnen. Wien. Wirth G. 1999: Attila. Das Hunnenreich und Europa. Stuttgart.

(Beatrix Günnewig)

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