Krim (Halbinsel)
Krim (krimtatar. Qırım, russ./ ukrain. Krym). Die K. ist eine 27.000 km² große, politisch zur Ukraine gehörende Halbinsel. Sie besteht aus zwei administrativen Einheiten: der Autonomen Republik K. (ukrain. Krymsʹka Avtonomna Respublika, russ. Krymskaja Avtonomnaja Respublika), mit der Hauptstadt Simferopolʹ, sowie dem Stadtbezirk Sewastopol. Gegenwärtig leben 2.356.300 Menschen (2006) auf der K.
Inhaltsverzeichnis |
1 Geographie
1.1 Naturraum
Die Halbinsel liegt im Süden der Ukraine. Sie ist durch die schmale „Landenge von Perekop“ (ukrain. Perekopsʹkyj perešyjok, russ. Perekopskij perešeek) mit dem ukrainischen Festland verbunden und durch die Straße von Kertsch vom russischen Festland getrennt. Diese separiert auch das im Westen und Süden die Halbinsel begrenzende Schwarze Meer vom Asowschen Meer, das die Grenze der K. im Nordosten bildet.Die K. unterteilt sich in die zwei Drittel der Fläche einnehmende Steppenprovinz im Norden und die Gebirgsk. im südlichen Drittel der Halbinsel.
Die Steppenk. gehört zur skythischen Plattform. Ihr Aufbau ist durch mächtige tertiäre Ablagerungen bestimmt, die von quartären Schichten überdeckt wurden. Die Landschaft ist der südukrainischen sehr ähnlich. Das Relief ist flach und nur wenig gegliedert. Eine Ausnahme bildet lediglich die im Osten gelegene Halbinsel Kerč. Dort existieren Formen des aktiven und erloschen Vulkanismus mit ca. 50 Vulkankuppen, die Höhen zwischen 2–60 m erreichen. Die typischen Böden der Steppenk. sind fruchtbare Schwarzerden. Im Norden und Nordosten finden sich aber auch die für die Landwirtschaft problematischen Salzböden. Die Nordk. gehört zu den Trockensteppengebieten, mit Niederschlagssummen von nur 350 mm, heißen Sommern und kalten Wintern. Den zonalen Vegetationstyp bilden Federgrassteppen.
Wegen der geringen Niederschläge im Steppenbereich ist die K. arm an Gewässern, weshalb ca. 80 % des Wasserbedarfs durch den „Nördlichen K.-Kanal“ (ukrain. Pivnično Krymsʹkij Kanal, russ. Severo-Krymskij kanal) gedeckt wird. Der Kanal wird aus dem Dnjepr bei Nova Kachovka gespeist und fließt über Armjansʹk, Džankoj und Sovjetsʹkyj (russ. Sovjetskij) Richtung Kerč. Im Landesinnern wird die Wasserversorgung durch den Kanal von Krasnohvardijsʹke (russ. Krasnogverdejskoe) übernommen, der ab der Region um Džankoj abgezweigt wird und Wasser in den Westen der K. leitet.
Der bedeutendste Fluss ist der im zentralen K.gebirge entspringende, 232 km lange Salhyr, der durch Simferopolʹ fließt, als Fremdlingsfluss die Steppenregion durchquert und im Syvaš-Haff mündet. Im Steppengebiet führt er natürlicherweise nur periodisch Wasser. Er wurde aber ebenfalls in das Kanalsystem der K. integriert. Dem Salhyr distributäre Flüsse sind Burulʹča (nur periodisch) und Bijuk-Karasu. Im östlichen K.gebirge entspringt der ebenfalls Richtung Asowsches Meer entwässernde Indol. In das Schwarze Meer, nördlich von Sewastopol entwässern hingegen die Flüsse Alʹma, Kača, Čorna (russ. Čërnaja) und Belʹbek, deren Quellgebiet sich im westlichen K.gebirge befindet. Um der Wasserarmut zu begegnen wurden an die 20 Stauseen und 500 Teiche auf der K. angelegt. Der größte ist der 1955 erbaute Stausee des Salhyr südwestlich von Simferopolʹ.Auf der K. existieren an die 50 flache Salzseen. Die größten – ozero Sasyk mit 75 km² und einer maximalen Tiefe von 1,2 m und ozero Donuzlav mit 48 km² Fläche und 27 m maximaler Tiefe – sind Strandseen eiszeitlichen Ursprungs und befinden sich im Westen der K. Weitere Salzseen findet man südlich der „Landenge von Perekop“, bei denen es sich um verlandete Reste des Syvaš-Haffs handelt und auf der Halbinsel Kerč. Die Seen sind reich an medizinisch wirksamen Mineralien wie Kalium, Magnesium, Natrium und Chlor. Ihr Heilschlamm bildet eine wichtige Grundlage für den Kurtourismus auf der K.
Trotz der guten Böden konnte auf Grund der klimatischen Verhältnisse die Inwertsetzung durch den Menschen jahrhundertelang lediglich in Form von Weidenutzung erfolgen. Erst ein in der Sowjetperiode errichtetes Kanalsystem ermöglichte Bewässerungsanlagen für einen intensiven Ackerbau.
Die Gebirgsk. lässt sich in drei Abschnitte unterteilen. Den Nordrand bilden zwei parallel verlaufende, durch Längstäler getrennte Vorgebirgsketten, im Süden gefolgt vom Hauptkamm des K.gebirges, ›Jajla‹, mit einer maximalen Höhe von 1545 m ü. d. M am Berg ›Roman-Koš‹. Den Abschluss bildet die schmale K.-Südküste. Das K.gebirge erstreckt sich über ca. 150 km in südwest-nordöstlicher Richtung. Es gehört zum alpidischen Faltengebirgsgürtel und ist vornehmlich aus Jura– und Kreidekalkstein aufgebaut. Das Gebirge bildet eine klimatische Grenze zwischen der Steppenprovinz der K., mit einem winterkalten Steppenklima und der Südabdachung des Gebirges sowie der K.-Südküste, deren Klima mediterrane Merkmale besitzt. Beide sind deshalb optimal für den Anbau von Sonderkulturen, wie Wein (Krimsekt), Tabak und vielen Obstsorten nutzbar.
1.2 Bevölkerung
Von den rd. 2,373 Mio. Einwohnern der K. (2004) sind etwa 60 % Russen, 24 % Ukrainer und 10 % K.tataren. Die restliche Bevölkerung setzt sich aus einer großen Vielfalt von Ethnien zusammen, z. B. Armeniern und Weißrussen. Die Amtssprachen der K. sind K.tatarisch, Russisch und Ukrainisch. Etwa 63 % der K.bevölkerung lebt heute in Städten. 2004 war Simferopolʹ mit 341.599 Einwohnern die einwohnerstärkste Stadt der K., gefolgt von Sewastopol mit 340.353 und Kerč mit 152.564 Einwohnern. Die nächst größeren Städte sind Jevpatorija (106.250 Einwohner), Jalta (80.140 Einwohner), Feodosija (72.412 Einwohner), Džankoj (40.542 Einwohner), Alušta (30.205 Einwohner), Krasnoperekopsʹk (30.839 Einwohner) und Saky (27.130 Einwohner). Auf der K. ist seit Jahrhunderten eine Vielzahl von Religionen existent, so neben Islam und Christentum auch regionale Religionen der Karäer und der Krimtschaken. Seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 haben zudem neue Glaubensrichtungen und Sekten ihre Missionstätigkeit auf der Halbinsel aufgenommen. Diese Entwicklungen spiegeln sich heute in einem großen Spektrum praktizierter Religionen wieder. 2004 gab es 563 orthodoxe Gemeinden unterschiedlicher Ausrichtung, 273 registrierte und 38 nicht registrierte protestantische Gemeinden sowie 12 römisch-katholische und 7 griechisch-katholische Gemeinden. Eine große religiöse Gruppe bildeten die 349 registrierten und 20 nicht registrierten muslimischen Gemeinden. Darüber hinaus existieren 65 weitere registrierte religiöse Gemeinschaften.
1.3 Wirtschaft
Die Autonome Republik K. gehörte lange Zeit zu den unterentwickeltsten Regionen der Ukraine und belegte nach den Kriterien des ›United Nations Development Program‹ (UNDP) einen der letzten Plätze unter den administrativen Einheiten der Ukraine. Inzwischen wird sie jedoch vom UNDP zu den am besten entwickelten Region des Landes gezählt.
Zurückzuführen ist dies auf das anhaltende industrielle Wachstum auf der K. in den letzten Jahren. Typische Industrien der K. sind die chemische-, petrochemische und ölverarbeitende Industrie, die Nahrungsmittelindustrie, der Maschinebau sowie die Metallverarbeitung. Die Autonome Republik K. ist eine von neun „prioritären Entwicklungsregionen mit speziellem Investitionsregime“ in der Ukraine. Innerhalb dieser Region werden an ausgesuchten Standorten – wie z. B. Jalta und Alušta – Steuer- und Zollvorteile für ausländische Investoren gewährt. Gefördert werden Projekte in fast sämtlichen Wirtschaftsbereichen. Die Autonome Republik K. lag bezüglich der Auslandsdirektinvestitionen am 1.1.2005 mit 382,5 Mio. US-Dollar an 10. Stelle der ukrainischen administrativen Einheiten.
Die K. ist über eine gut ausgebaute Straße, die von Melitopolʹ über Džankoj nach Simferopolʹ verläuft, mit dem ukrainischen Festland verbunden. Von der Hauptstadt aus besteht über eine Straßenverbindung via Feodosija und Kerč, sowie einer Fährverbindung über die Straße von Kertsch der Verkehrsanschluss zur Russischen Föderation. Die wichtigen Städte des Südens der K. sind von Sewastopol bis Feodosija über eine Küstenstraße verbunden. Der Zugverkehr verläuft entlang einer Nord-Süd-Achse von Zaporižžja über Džankoj nach Simferopolʹ und Sewastopol sowie über eine Nordwest-Südost-Verbindung von Cherson über den Knotenpunkt Džankoj nach Feodosija und Kerč. Seit den 1980er Jahren war der Zugfährverkehr nach Russland unterbrochen und wurde erst Ende 2004 wieder aufgenommen. Es bestehen seit langem Pläne die K. mit einer Brücke oder einem Tunnel an das russische Festland anzubinden. Bislang scheiterte dieses Vorhaben aus finanziellen Gründen und wegen Grenzstreitigkeiten zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation.
Wichtig für den Tourismus ist der internationale Flughafen Simferopolʹ. Die bedeutenden Seehäfen der K. – Jevpatorija, Sewastopol, Jalta und Feodosija – befinden sich an der Schwarzmeerküste. Sewastopol ist zudem bis 2017 Standort der russischen Schwarzmeerflotte, woraus sich der administrative Sonderstatus der Stadt erklärt.
Nicht nur wegen des Meeres, sondern auch aufgrund der reizvollen, vielfältigen, heute an vielen Stellen unter Naturschutz stehenden Landschaft, des günstigen Klimas und des großen kulturellen Erbes besitzt die Südküste ein gutes Potenzial für touristische Nutzung. Dies wurde bereits seit dem 19. Jh. und verstärkt in der Sowjetperiode – nicht zuletzt jedoch auch auf Kosten der Umwelt – in Wert gesetzt. Ob sich die Tourismusbranche auf der K. im internationalen Wettbewerb behaupten kann, bleibt abzuwarten.
2 Kulturgeschichte
Auf der K. lässt sich eine Besiedlung durch den Menschen schon seit dem Paläolithikum nachweisen. Die Halbinsel war über die Jahrhunderte Knotenpunkt des Schwarzmeerhandels. Zwischen ca. 1000 und 500 v. Chr. siedelten Stämme der „Kimmerier“ und Taurier auf der Halbinsel, letzteren verdankt sie ihren alten Namen Taurien. Im 6. und 5. Jh. v. Chr. gründeten die Griechen Kolonien an den Küsten der K., die bedeutendste war Chersonēsos in der Nähe des heutigen Sewastopol. Diese vereinigten sich im 5. Jh. v. Chr. zum Bosporanischen Königreich. Ein etwa zu gleicher Zeit von den Skythen auf der K. errichtetes Reich mit dem Zentrum Neapolis (heute Simferopolʹ) wurde im 4. Jh. v. Chr. durch sarmatische Stämme zurückgedrängt, aber nicht zerschlagen. Im 1. Jh. v. Chr. kamen Teile der K. (u. a. Chersonēsos) unter römische – später, bis zum 12. Jh., byzantinische – Kontrolle. An vielen Stellen der K. finden sich heute eindrucksvolle Denkmäler aus der Antike. In der Zeit der Völkerwanderung drangen zunächst die Goten (K.goten) auf die K. Auf sie gehen die sog. „Höhlenstädte“ zurück, etwa Mangup-Kale. Es folgten u. a. die Hunnen und später die Karäer sowie die Chasaren, die bis zum 9. Jh. auf der K. herrschten, bevor diese in den Machtbereich der Kiewer Rus gelangte und sich damit auch slawische Bevölkerung auf der K. ansiedelte. Ende des 10. Jh. erfolgte mit der „Taufe der Rus“ auch der Abschluss der bereits im 3. Jh. begonnenen Christianisierung der K., deren Bedeutung als Handelsplatz zwischen Byzanz und der Rus wuchs. Zu dieser Zeit siedelte sich auch armenische Bevölkerung auf der K. an. Im 13. und 14. Jh. gründeten die Venezianer und Genuesen mehrere Handelskolonien an der Südküste, z. B. Balaklava, Soldaia (heute Sudak) und Kaffa (heute Feodosija), die u. a. wichtige Zentren des Sklavenhandel waren.
Entscheidender für die Geschichte der K. war jedoch der Einfall der Mongolen 1223. Die Halbinsel wurde zunächst zu einem Khanat der „Goldenen Horde“ und 1433 zum politisch eigenständigen K.khanat, das von verschiedenen Turkstämmen, aus denen die K.tataren hervorgingen, gebildet wurde. Aus der Zeit der mongolischen Herrschaft leitet sich der heutige Name der Halbinsel ab, der im Mongolischen „Festung“ bedeutet. Es existierte in dieser Zeit jedoch weiterhin das auf die K.goten zurückgehende Fürstentum Feodoro im Südwesten und auch Genua hielt bis Ende des 15. Jh. Festungen an der Südküste der Halbinsel.
1475 erfolgte die Invasion der Osmanen. Drei Jahre später wurde das Khanat Vasall des Osmanischen Reiches, verfügte jedoch über eine weitgehende Unabhängigkeit. Die bis ins 18. Jh. währende osmanische Herrschaft brachte die K. nachhaltig, architektonisch bis heute erkennbar, in die Einflusssphäre des Islam.
Verschiedene Vorstöße Russlands auf die K. blieben lange erfolglos. Als es russischen Truppen 1771 schließlich gelang, die K. zu besetzen, blieb das Khanat zunächst noch bestehen. Nach dem Sieg über die Osmanen im sog. Russisch-Türkischen Krieg von 1768–74 wurde es jedoch 1783 von Katharina II. aufgelöst und die K. an das Russische Reich angeschlossen. Die Halbinsel wurde zunächst Teil des „Gebietes Taurien“ (russ. Tavričeskaja oblastʹ), 1796 der Provinz „Neurussland“ (russ. Novorossija) zugeordnet und schließlich 1802 Teil des „Gouvernements Taurien“ (russ. Tavričeskaja gubernija). Die Bezeichnung K. verschwand damit aus der administrativen Nomenklatur.Ein Großteil der bäuerlichen christlichen K.bevölkerung wurde ausgesiedelt, später neben Balten, Bulgaren, Deutschen und Russen auch Juden und Kosaken angeworben und in mehreren Migrationswellen auf der K. angesiedelt. Zahlreiche neue Städte entstanden, wie z. B. Sewastopol, dessen Hafen- und Festungsanlagen bis in die Gegenwart von großer militärischer Bedeutsamkeit sind. Von Katharinas II. Reise durch die neu eroberten und rasch kolonisierten Gebiete 1787 sind die sog. Potemkinschen Dörfer überliefert. Die russische Regierung kooperierte zunächst mit der k.tatarischen Oberschicht, der sie Land und Privilegien überließ. Mit zunehmender Russifizierung verließen bis Ende des 19. Jh. jedoch große Teile der k.tatarischen Bevölkerung die K. (der Zensus von 1897 weist einen slawischen Bevölkerungsanteil von 45 % gegenüber einem k.tatarischen von 34 % aus) in Richtung Osmanisches Reich. Nach einem weiteren verlorenen Krieg (1787–91) hatte dieses 1792 die Zugehörigkeit der K. zu Russland vertraglich anerkannt. Der Machtverlust des Osmanischen Reiches am Schwarzen Meer war jedoch nicht im Interesse der übrigen europäischen Staaten. Sie sahen die politische Stabilität in der Region und damit ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet. Der Konflikt zwischen dem Osmanischen Reich und Russland wurde nicht zuletzt deshalb auch von britischer Seite geschürt und von 1853–56 wurde die K. zum Schauplatz des K.krieges, den das Osmanische Reich und seine Alliierten England und Frankreich erfolgreich entscheiden konnten. Die Auswirkungen für Russland waren ein vorläufiger Bedeutungsverlust in der Region, innenpolitische Spannungen und der Zusammenbruch der Wirtschaft auf der K.
Der Bau der Eisenbahn im Jahre 1875 war ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Wirtschaftslage und ein wichtiger Impuls für die Regionalentwicklung auf der Halbinsel. U. a. ermöglichte der Anschluss an das Russische Reich den erfolgreichen Aufbau des neu entstandenen Wirtschaftszweigs Fremdenverkehr. Die Halbinsel entwickelte sich schnell zu einem beliebten Kur- und Feriengebiet für die gehobenen Schichten der russischen Gesellschaft sowie zahlreiche Künstler, v. a. Maler und Schriftsteller, die sich von der Landschaft inspirieren ließen.
Nach der Februarrevolution 1917 entstand auf der K. eine k.tatarische Nationalbewegung, die im April des Jahres die Autonomie der K. erklärte. Ende Dezember 1917 begann jedoch der russische Bürgerkrieg auch auf die K. überzugreifen und die k.tatarische Bewegung zu überrollen. Zwischen 1918 und 1919 wechselten die Machtverhältnisse in einem sehr hohen Tempo zwischen den Bolschewisten, Deutschen und Entente-Truppen. Im Juni 1919 annektierte die Weiße Armee unter Anton I. Denikin die gesamte K. und installierte eine Militärregierung. Die Rückeroberung durch die Rote Armee gelang erst im November 1920 und zum dritten Mal seit 1918 wurde auf der K. eine Sowjetrepublik ausgerufen. Lenin erließ bereits 1920 ein „Dekret über die Nutzung der Krim für die Erholung der Werktätigen“ (russ. Dekret ob ispolʹzovanii Kryma dlja lečenija trudjaščichsja). Der Bau von Hotels und Sanatorien, insbesondere für die Partei- und Staatsführung, wurde in der Sowjetperiode nochmals intensiviert.
Der Traum von der Eigenstaatlichkeit der K. fand jedoch am 18.10.1921 durch die Einrichtung der Autonomen Sozialistischen Republik K. im Rahmen der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) ein Ende. Die Konstruktion der autonomen Republik berücksichtigte anfänglich die ethnische Vielfalt der K., insbesondere im Hinblick auf die K.tataren. Allerdings wurde jegliche Eigenständigkeit durch die Zwangskollektivierungsmaßnahmen unter Stalin in den 1920er und 1930er Jahren, unter der v. a. die k.tatarische Bevölkerung zu leiden hatte, faktisch rückgängig gemacht.
Mit dem Einfall der Deutschen in die Sowjetunion am 22.6.1941 wurde die K. ein weiteres Mal ein umkämpfter Kriegsschauplatz. Im August wurden ca. 60.000 als Kriegsgegner klassifizierte K.deutsche durch die Sowjetregierung nach Kasachstan deportiert. Ab Oktober war die Halbinsel, mit Ausnahme Sewastopols von der Deutschen Wehrmacht okkupiert. Die nationalsozialistische Großraumplanung sah vor, die K., die sie in „Neugotland“ umbenannte, über eine Autobahn an Deutschland anzubinden und mit Deutschen zu besiedeln.
Nach der Aufgabe Sewastopols durch die Rote Armee im Juli 1942 war die K. vollständig von deutschen und rumänischen Truppen besetzt. Wie in der gesamten südlichen Sowjetunion begann auch auf der K. die systematische Ermordung der Juden, Kommunisten und Roma sowie der Krimtschaken durch die „Einsatzgruppe D“, die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Wehrmacht mindestens 40.000 K.bewohner tötete. Diese Sondereinheit war ebenfalls dafür zuständig, die K.tataren zu einer Zusammenarbeit mit den Besatzern zu bewegen. Für die Tataren hatte dieses Werben bis zum heutigen Tage anhaltende Konsequenzen. Am 9.5.1944 wurde Sewastopol von der Sowjetarmee zurückerobert. In der Zeit vom 18.-21.5. ließ Stalin unter dem Vorwurf der Kollaboration mit den Deutschen rd. 191.000 K.tataren sowie die auf der K. lebende armenische (rd. 10.000), bulgarische (rd. 12.000) und griechische (rd. 14.–15.000) Bevölkerung nach Zentralasien deportieren. Insgesamt wurden an den Bestimmungsorten 228.392 Verbannte gezählt. Die Zahl der Deportierten war vermutlich weitaus höher, da der Transport nach Usbekistan viele Menschenleben forderte. Die „Konferenz von Jalta“ vom 4.-11.2.1945, auf der die Staatsoberhäupter der Alliierten Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill und Stalin über das Schicksal Deutschlands und die Nachkriegsordnung Europas berieten, brachte die K. erneut in den Fokus der Weltöffentlichkeit.
Da nach der Deportation der K.tataren die K. zu 70 % von Russen bewohnt wurde, bestand kein Grund mehr für den Autonomiestatus der Halbinsel. Im Juni 1945 wurde sie durch ein Gesetz des Obersten Sowjets der Russischen Sowjetrepublik in ein „Gebiet“ (russ. oblastʹ) der RSFSR umgewandelt.
Anlässlich des 300. Jahrestages des Vertrages von Perejaslav wurde am 19.2.1954 die Anordnung des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR über die Übergabe der K. aus dem Bestand der RSFSR in den Bestand der USSR verabschiedet. Am 26.4.1954 wurde dieser Beschluss vom Obersten Sowjet ratifiziert und die K. an die Ukrainische SSR überschrieben. Dieser Akt hatte eine entscheidende Bedeutung für die politische Situation der K. nach dem Zusammenbruch der UdSSR. Trotz der Aufhebung der Verbannung 1956 unter Nikita S. Chruschtschow und der politischen Rehabilitierung 1967 unter Leonid I. Brežnev durften die K.tataren auch weiterhin nicht auf die K. zurückkehren. Erst in der Regierungszeit Michail S. Gorbatschows entstand ein offener Protest, viele Tataren siedelten illegal zurück und besetzten Land auf der K. Am 24.8.1991 proklamierte die Ukraine ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion, was am 1.12.1991 durch eine Volksabstimmung bestätigt wurde. Die „Schenkung“ des Jahres 1954, die bis zu diesem Zeitpunkt einen eher formal-administrativen Charakter hatte, führte nun dazu, dass sich die K. mit ihrer mehrheitlich russischen Bevölkerung und der dort stationierten Schwarzmeerflotte nicht mehr im Einflussbereich Russlands befand. Auch ein großer Teil der K.bewohner war nicht mit der Zugehörigkeit zur Ukraine einverstanden. In einem im Januar 1991 durchgeführten Referendum stimmten 90 % der Befragten auf der K. für die Wiedereinrichtung einer Autonomen Republik innerhalb der UdSSR, während sich im Dezember desselben Jahres lediglich 54 % in der Volksabstimmung zur Unabhängigkeit der Ukraine für die Unabhängigkeit des Landes aussprachen. Aus dem Autonomiestreben der K.bewohner, den territorialen Ansprüchen Russlands sowie dem Versuch des jungen ukrainischen Staates, seine Souveränität zu wahren, erwuchs ein ernstzunehmender Konflikt. Wichtige Meilensteine zu dessen Lösung waren das Inkrafttreten der Ukrainischen Verfassung 1996, die Unterzeichnung des Russisch-Ukrainischen Freundschaftsvertrags (Einigung über den Grenzverlauf und die Zugehörigkeit der Schwarzmeerflotte) 1997 und die Verabschiedung einer mit der ukrainischen Verfassung konformen K.verfassung am 21.10.1998. Die Autonome Republik K. und der Stadtbezirk Sewastopol sind nach der Ukrainischen Verfassung von 1996 zwei selbständige administrative Einheiten des ukrainischen Staates. Die Autonome Republik hat nur wenige Befugnisse mehr als die anderen Verwaltungsgebiete (oblasti) der Ukraine. Es wird ihr jedoch das Recht auf eine eigene Verfassung und ein eigenes Parlament, mit allerdings eingeschränkten legislativen Befugnissen, zugestanden.
Viele der 1944 verbannten ethnischen Gruppen kehrten nach 1991 auf die K. zurück. Bis 2001 waren es rd. 200.000 K.tataren und rd. 7000 ethnische Armenier sowie einige hundert ethnische Griechen, Deutsche und Bulgaren; Schätzungen von 2003 gehen von 260.000 Rückkehrern insgesamt aus. Insbesondere die Repatriierung der K.tataren stellt ein anspruchsvolle Aufgabe für die ukrainische Regierung dar, da diese Bevölkerungsgruppe über das geringste Pro-Kopf-Einkommen, die höchste Arbeitslosenquote und die höchste Sterberate in der Ukraine verfügt. Um soziale Spannungen zu vermeiden muss für die Unterbringung und Integration der Migranten gesorgt werden. Die ukrainische Regierung begegnet dieser Aufgabe mit Wohnbauprogrammen, die jedoch bislang nicht ausreichen. Die Repatriierung wird deshalb durch eine Reihe von Programmen internationaler und nationaler Organisationen unterstützt, von denen als wichtigstes das ›Crimea Integration and Development Program‹ des UNDP zu erwähnen ist.
Breuste J. 1994: Die Krim – Kulturlandschaft und Kulturwandel in einem russischen Expansionsraum. Europa Regional 3, 30–37. Sasse G. 2001: Die Krim – regionale Vielfalt im Spannungsfeld der Geschichte. Jordan P., Kappeler A., Lukan W., Vogl J. (Hg.) 2001: Ukraine : Geographie – ethnische Struktur – Geschichte – Sprache und Literatur – Kultur – Politik – Bildung – Wirtschaft – Recht. Wien, 437–56 (= Österreichische Osthefte; Sonderbd. 15). Wydra D. 2003: Die Halbinsel Krim – Regionale Problemlagen im europäischen Kontext. Besters-Dilger (Hg.). Die Ukraine in Europa. Aktuelle Lage, Hintergründe und Perspektiven. Wien, 337–62. (= Buchreihe des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, Bd. 9).