Zypern (Land)
Zypern (griech. Kýpros, türk. Kıbrıs), Kurzform für die de facto geteilte Inselrepublik („Republic of Cyprus“): einerseits die Republik Z. (griech. Kypriaki Dimokratia) mit Geltungsanspruch für die gesamte Insel und zum anderen die (international nicht anerkannte) Türkische Republik Nordzypern (türk. Kuzey Kıbrıs Türk Cumhuriyeti).
Inhaltsverzeichnis |
1 Statistische Angaben
Lage: | Inselstaat im östlichen Mittelmeer. Seine Fläche beträgt 9251 km² (davon 5896 km² in der EU). Die Insel befindet sich 75 km südlich von der türkischen, 105 km von der syrischen Küste und 380 km nördlich vom ägyptischen Festland.
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Einwohner (2004): | 967.300 (inklusive ca. 130.000–150.000 anatolische Neusiedler in Nordzypern; EU-Teil: 749.200), davon 49,6 % männlich, 50,4 % weiblich; Altersstruktur 0–14 Jahre: 19,2 %, 15–64 Jahre: 68,9 %, 65 Jahre und älter: 11,9 %; Bevölkerungsdichte: 104,6 Einwohner/km²; 66,5 % im arbeitsfähigen Alter (im EU-Teil; Männer 15–64, Frauen 15–59); 67,8 % Beschäftigte (von den Personen im erwerbsfähigen Alter, im EU-Teil); 3,6 % Arbeitslose (im EU-Teil); Bevölkerungsentwicklung 1950–2004: 1,23 % jährlich, 1991–2004: 2,31 % jährlich; Nationalitäten: 665.000 Griechen (68,7 %, im EU-Teil), 213.000 Türken (22,0 %, in Nordzypern) u. a. (9,3 %); Religionszugehörigkeit: griechisch-orthodoxe Christen (67,3 %), Muslime (22,3 %), Katholiken (1,3 %), Maroniten (0,5 %) und armenische Christen (0,3 %).
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Hauptstadt und größere Städte (Nach der Volkszählung 2001): | Nikosia (ca. 88.000, davon 47.832 im EU-Teil), Limassol (94.250), Strovolos (58.525), Larnaka (46.666), Famagusta (27.637), Lakatameia (28.477), Pafos/Baf (26.530), Aglaggia (18.953), Katō Polemida (18.452), Girne/Kyreneia (14.205).
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Währung: | 1 Zypern-Pfund (C£) = 100 Cent (c.) |
Wappen: | Eine weiße Taube im Flug mit einem Olivenbaumzweig im Schnabel auf kupferfarbenem Schild, der von zwei Olivenbaumzweigen umrahmt wird. Unter der Taube steht die Jahreszahl 1960 für das Jahr in dem die Insel die Unabhängigkeit erhielt.
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Flagge: | Ein kupferfarbenes Abbild der Insel vor weißem Hintergrund. Unter der Insel befinden sich zwei Olivenbaumzweige.
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Hymne: | Ymnos eis tin Eleftherian („Ode an die Freiheit“), Text von Dionysios Solōmos (1798-1857), Melodie von Nikolaos Chalkiopoulos Mantzaros (1795-1872). |
Feiertage: | Staatliche Feiertage: 1. Januar (Neujahr), 25. März (Beginn des Befreiungstages gegen das Osmanische Reich 1821), 1. April (EOKA [Ethniky Organōsis Kipriōn Agōnistōn]-Tag, Zypriotischer Nationalfeiertag), 1. Oktober (Unabhängigkeitstag), 28. Oktober (Ochi-Tag – erinnert an das „Nein“ des Diktators Metaxas [1940] zur Forderung Mussolinis nach Stationierung von italienischen Truppen in Griechenland); sonstige Feiertage: 6. Januar (Dreikönigstag), Grüner Montag (Karneval, beweglich), griechisch-orthodoxer Karfreitag (beweglich), griechisch-orthodoxer Ostersonntag (beweglich), 1. Mai (Tag der Arbeit), griechisch-orthodoxes Pfingsten (auch: Kataklysmos, beweglich), 15. August (Mariä Himmelfahrt), 24. Dezember (Heiligabend), 25. Dezember (1. Weihnachtstag), 26. Dezember (2. Weihnachtstag). Fällt ein gesetzlicher Feiertag auf einen Sonntag, ist der folgende Montag arbeitsfrei.
Die in Nordzypern begangenen Feiertage: 23. April (Ulusal Egemenlik ve Çocuk Bayramı, "Tag der Nationalen Souveränität und Kindertag"), 19. Mai (Atatürk´ü Anma, Gençlik ve Spor Bayramı, "Atatürk-Gedenktag" und "Jugend- und Sporttag"), 20. Juli (Tag der türkischen Intervention 1974), 30. August (Zafer Bayramı, "Tag des Sieges"), 29. Oktober (Cumhuriyet Bayramı, "Tag der Republik" [der Gründung der Türkischen Republik]), 15. November (Tag der Proklamation der Türkischen Republik Nordzypern) sowie die beweglichen religiösen Feiertage: Kurban Bayramı ("Opferfest"), Ramazan Bayramı (Şeker Bayramı, "Ende des Ramadan", "Zuckerfest") sind keine offiziellen Feiertage in der Republik Z. Von den offiziellen Feiertagen der Republik Z. werden in Nordzypern lediglich der 1. Januar und der 1. Mai begangen. |
Zeit: | Osteuropäische Zeit |
Staatssprache: | Griechisch, Türkisch |
Staatsform: | Präsidialrepublik |
Staatsoberhaupt: | Präsident (derzeit Tassos Papadopoulos) |
Regierungschef: | Präsident |
Politische Parteien: | Anorthōtiko Komma Ergazomenou Laou (AKEL, „Fortschrittspartei des werktätigen Volkes“), Dīmokratiko Komma (DĪKO, „Demokratische Partei“), Dīmokratikos Synagermos (DĪSY, „Demokratische Sammelbewegung“), Evrōpaiko Komma (EVRŌ, „Europäische Partei“), Kinīma Oikologōn Perisallontistōn – To Prasino Komma tis Kiprou („Ökologische Umweltbewegung – die Grüne Partei Z.s“), Kinīma Sosialdīmokratōn (KISOS, „Sozialdemokratische Bewegung“).
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Bruttoinlandsprodukt (2004): | 17,352 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 18.136 US-Dollar (nur EU-Teil 2005: 15.719 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 20.820 US-Dollar). |
Bruttosozialprodukt (2004): | 16,384 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 17.125 US-Dollar (nur EU-Teil 2005: 16.705 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 22.125 US-Dollar). |
Auslandsverschuldung (2005): | 12,486 Mrd. US-Dollar |
Haushaltsdefizit (2005): | 416,891 Mio. US-Dollar (4,9 % des BIP) |
Außenhandel (2004): | Import 6,828 Mrd. US-Dollar, Hauptlieferländer (EU-Teil): 15,1 % Griechenland, 10,5 % Italien, 8,9 % Deutschland, 8,6 % Großbritannien, 6,3 % Frankreich; (Nordzypern): Türkei (46,3 %), Großbritannien (21,8 %), Deutschland (0,3 %); Export: 1,253 Mrd. US-Dollar; Hauptabnehmerstaaten (EU-Teil): 27,3 % Großbritannien, 11,9 % Griechenland, 5,0 % Deutschland, 4,7 % Vereinigte Arabische Emirate, 2,7 % Libanon; (Nordzypern): Türkei (60,1 %), Großbritannien (10,7 %), Deutschland (6,2 %).
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Mitgliedschaften: |
Commonwealth of Nations, Europarat, EU (exklusive Nordzypern), European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), International Labour Organization (ILO), International Monetary Fund (IMF), OSZE, UNO, Weltbank, WHO, WTO.
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Anmerkung der Redaktion: Stand der statistischen Angaben ist, wenn nicht anders vermerkt, das Publikationsdatum des Artikels.
2 Geographie
2.1 Naturraum
Mit 9251 km² ist Z. nach Sardinien und Sizilien zwar die drittgrößte Insel des Mittelmeers, aber nur wenig größer als Luxemburg. Sie liegt zwischen 34° 34' und 35° 40' nördlicher Breite und zwischen 32° 20' und 34° 35' in östlicher Länge: der größte Abstand von der Nord- zur Südküste beträgt 96 km, seine West-Ost-Erstreckung vom Kap Akamas im Westen bis zum Kloster Apostolos Andreas im Osten der Halbinsel Karpasia (türk. Karpas) 225 km. Im östlichen Teil des Mittelmeers gelegen ist Z. ca. 75 km von der türkischen Südküste entfernt, über 100 km westlich von Syrien und 386 km nördlich von Ägypten. Dagegen beträgt die Entfernung zur nächstgelegenen griechischen Insel Kastellorizon 300 km, zu Rhodos 420 km und nach Athen sind es 850 km. Eine solche Lagebeschreibung macht Z. zu einem natürlichen Bindeglied zwischen Europa und Asien (Nahost) bzw. Afrika und erklärt den geostrategischen Wert der Insel als Sprungbrett ebenso wie als Rückzugsbastion für die im Mittelmeerraum wirkenden abend- und morgenländischen Mächte.
In naturräumlicher Sicht gliedert sich Z., das erst in der oberen Kreidezeit entstand und geologisch noch recht jung ist, in drei Teilen: (1) Im Norden erstreckt sich hinter einer schmalen Küstenebene auf 53 km Länge ein schmaler, steiler Kalkkamm, die Gebirgskette „Fünf-Finger-Berg“ (Pentadaktylos, türk. Beşparmak Dağları). Sie gipfelt im Westen im Berg Kyparissovouno (türk. Selvili Tepe) mit einer Höhe von 1024 m.(2) Südlich davon erstreckt sich die weite Ebene (Mesaoria, türk. Mesarya), das frühere Hauptanbaugebiet. Sie erstreckt sich in einer Höhe von unter 100 m und erreicht nur im Inselinneren stellenweise ca. 170 m. (3) An sie schließt sich das Gebirge Troodos (türk. Karlıdağ) mit seiner höchsten Erhebung, dem 1951 m gelegenen Berg Olympos (auch Chionistra=Schneestelle/Frostbeule), an.
Das Gebirge nimmt das Innere des südwestlichen Inselteils ein und geht nach Westen, Süden und Osten allmählich in die unterschiedlich breite, nur wenig gegliederte Küste über, deren gesamte Länge nur ca. 620 km beträgt. Die hafenarme Nordküste besteht aus felsigen Steilhängen; die übrigen Küsten sind durch flache Buchten zwischen Gebirgsvorsprüngen gegliedert. Die an die Buchten der Südküste anschließenden Niederungen gehören seit der Antike zu den Hauptsiedlungsgebieten.
Z. hat ein rein mediterranes Klima mit heißen, trockenen Sommern (mittlere Juli-Temperaturen in Nikosia 29 °C, im Troodos-Gebirge 22 °C) und milden, feuchten Wintern (mittlere Januartemperaturen in Nikosia um 10 °C bzw. im Gebirge um 3 °C), wobei die Mittel- und die Höchstwerte der Temperatur etwas höher liegen als sonst im östlichen Mittelmeer üblich. Nur im Küstenbereich fallen die Temperaturunterschiede geringer aus. Z. gilt zu recht als „Sonneninsel“ mit einer durchschnittlichen Sonnenscheindauer von 11,5 Stunden/Tag im Sommer und 5,5 Stunden/Tag im Winter. Die Meerwassertemperaturen variieren entsprechend zwischen 16 °C von Januar bis März und 27 °C im August. Durchschnittlich werden 480 mm Jahresniederschläge verzeichnet bei großen jährlichen Schwankungen. Da zyklonale Westwinde die (relativ geringen) Niederschläge mit sich führen, ist die Nordwestseite regenreicher als der Südosten (Mesaoria 300 mm bis 400 mm, im Gebirge Troodos dagegen bis 1000 mm, in den höheren Lagen als Schnee; z. T. bis ins Frühjahr Wintersport möglich). Allerdings zeigen statistische Langzeitauswertungen, dass die Niederschlagsmenge in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen ist.
Z. ist arm an natürlichen Flüssen und Seen. Die beiden größten Flüsse sind Pediaios (auch Pidias) und Gialias. Sie entspringen im Troodos-Gebirge und durchfließen die Ebene Mesaoria in östliche Richtung, führen aber nur im Winter Wasser und erreichen auch nur dann das Meer. Die übrigen Flüsse und Bäche sind unbedeutend. Nach den eher seltenen Sturzregen im Gebirge strömen die Fluten allerdings ungehindert talwärts und führen in der Ebene zu katastrophalen Überschwemmungen, wenn die Wassermassen dort nicht mehr in den normalerweise durchlässigen Schotterböden versickern können. Nur in den beiden Senkungsgebieten an der Bucht von Morfou (türk. Güzelyurt) westlich von Nikosia und nördlich von Famagusta führte früher mangelnder Abfluss zur Versumpfung. So entstanden die bekannten Malariagebiete, die erst die britische Kolonialverwaltung durch Trockenlegung beseitigte.
Für Bewässerungszwecke stehen ausschließlich Grund- und Niederschlagswasser zur Verfügung, das zudem schwer zu verwerten ist, da über 70 % des Niederschlagsvolumens ungenutzt abfließen. Grundwasser konnte früher aus technischen Gründen nur dort gefördert werden, wo der Grundwasserspiegel nicht weit unter Flur lag. Seit Tiefbrunnenbohrungen machbar sind, wurde Wasser fast unbegrenzt entnommen. Daher kam es seit den späten 50er Jahren zu einer schnellen Ausdehnung der bewässerten Areale in den östlichen und westlichen Mesaoria-Regionen. In der Bucht von Morfou sank der Grundwasserspiegel in den letzten 40 Jahren um über 10 Meter mit der Folge einer Versalzung der Grundwasser führenden Bodenschichten in meeresnahen Lagen. Diese Entwicklung zwang bereits vor der Teilung Z. zur Aufgabe vieler Zitrusplantagen. Die türkische Besetzung begünstigte die Einführung umweltschonender Bewässerungstechniken. Denn nach dem Verlust der bewässerten Areale im Norden, die wesentlich höhere landwirtschaftliche Erträge garantierten als die Trockenfeldbaugebiete, waren die griechischen Zyprer gezwungen, im Südteil der Insel in großem Umfang ehemalige Trockenfeldbaugebiete in bewässerte Flächen umzuwandeln. Dies konnte nur mit aufwendigen Staudammprojekten umgesetzt werden, die heute das Niederschlags- und Abflusswasser aus dem Troodos-Gebirge auffangen. Abgesehen von den wenigen Staudämmen aus britischer Kolonialzeit wurde der Staudammbau für Bewässerungszwecke auf Z. erst nach 1974 beschleunigt. Die Republik konnte bis Mitte der 80er Jahre mit Hilfe von Krediten der Weltbank immerhin fünf Großprojekte fertig stellen, womit ihr Wasservorräte von 35 Mio. t zur Verfügung stehen, die im Falle ausbleibender Niederschläge notfalls auch durch Wasserimport aus Griechenland ergänzt werden können.
Im Norden sah die Wasserhaushaltsbilanz nach der Inselteilung noch ungünstiger aus, denn dort fehlen Wasser liefernde Gebirge. Zudem waren zunächst Teile der westlichen Mesaoria-Ebene von Wasserlieferungen aus der Republik abhängig. Auch im Norden wurden in den letzten 10 Jahren mehrere Staudämme gebaut, die jedoch aus technischen und finanziellen Gründen ungleich bescheidener ausfielen als im Süden. Das Wasserdefizit beträgt als Folge der landwirtschaftlich intensiv genutzten östlichen und westlichen Teile der Mesaoria-Ebene im Inselnordteil bereits 30 Mio. t (Stand: 1991). Sicherlich sind die Staudammprojekte und die zahlreichen Meerwasserentsalzungsanlagen keine Universallösung des zyprischen Wasserproblems. Langfristig können die winterlichen Regenfälle den ständig steigenden Wasserkonsum als Folge der landwirtschaftlichen Produktion und des expandierenden Tourismus nicht kompensieren. Im Durchschnitt haben Touristen einen drei- bis vierfach höheren Wasserkonsum als Einheimische.
Die kommunale Stromversorgung wurde in Z. erstmals Ende der 1930er Jahre etabliert. Während die wenigen Städte für die Stromerzeugung selbst verantwortlich waren, blieb der ländliche Raum aus finanziellen und technischen Gründen ausgespart. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Energieversorgung zentralisiert und eine flächendeckende Stromversorgung organisiert. 1952 wurde das Diesel-Kraftwerk in Dekelia gebaut und bereits 1963 erweitert; zudem wurde die ›Electricity Authority of Cyprus‹ gegründet. 1966 entstand ein zweites Kraftwerk in Moni an der zyprischen Südküste, das aber den steigenden Strombedarf der Insel auch nicht lange befriedigen konnte. 1974 kam es dann zur Erweiterung des Kraftwerks von Dekelia um eine zweite Stufe (Block B). Bis heute wird dort der meiste Strom in Z. mit Ausnahme geringer Kontingente in Nordzypern erzeugt.Die Vegetation Z. ist vom Menschen geprägt und von Gegensätzen bestimmt: während die Ebene Mesaoria weitgehend baumlos und vegetationsarm ist, sind die Gebirge heute wieder bewaldet. Die Insel war in der Antike waldreich und daher wichtiger Holzlieferant für den Schiffbau von Phöniziern und Römern, die die Verwüstung Z. zu verantworten hatten. Erst die Briten betrieben die systematische Aufforstung besonders des mittleren und westlichen Troodos-Gebirge auch gegen die Interessen der Schaf- und Ziegenhalter. Heute ist nahezu ein knappes Fünftel der Insel (17 % bzw. 1730 km²) wieder bewaldet, was für die gesamte Mittelmeer-Region beachtenswert ist. In den höchsten Erhebungen des Gebirges haben sich Bestände der Schwarzkiefer und der Stinkwacholder erhalten. Ansonsten ist besonders die Aleppokiefer Bestand bildend. Die steilen Berghänge sind mit Zistrosen, den immergrünen Erdbeerbäumen und den Goldeichen erfolgreich aufgeforstet worden. An einigen Stellen im Gebirge finden sich die frostbeständigen Zedern, die zwar auch große Trockenheit ertragen können, aber nicht die glühende Sommerhitze der Mittelebene. Die Zedernwälder werden forstlich so gut gepflegt, dass sich in ihnen das 1937 fast ausgestorbene Mufflon, eines der wenigen, v. a. in der Münzprägung verwandten Symbole der Republik Z., wieder erholt hat und mit über 400 Exemplaren heute dort vertreten ist. An den Wasserläufen, Bergbächen und Straßen kommen häufig Platanen und Pappeln vor. Darüber hinaus ist der Ölbaum bis zum Wald fast allein vorherrschend. Über 1800 Wildpflanzen (u. a. 30 Orchideenarten) machen Z. zu einer immer blühenden Insel. In beiden Inselteilen kommt den Interessen der heimischen Wirtschaft höhere Bedeutung zu als dem Umweltschutz. Dass es immer noch unberührte Landstriche gibt (Tillyria, türk. Dillirga und Karpasia, türk. Karpaş) ist eher auf deren abgeschiedener, infrastrukturell noch schlecht erschlossener Lage zurückzuführen als auf effizienten behördlichen Schutzmaßnahmen. Umweltschutzprojekte (z. B. Naturschutzparks) werden privaten Initiativen überlassen, weil staatliche Umweltschutzinstitutionen sich zwar aufgeschlossen gegenüber diesen Aktivitäten zeigen, aber aus finanziellen, wirtschaftspolitischen und diplomatischen Gründen sich eher passiv verhalten. Infolge personeller Unterbesetzung, mangelhafter Kapital- und Kompetenzausstattung beschränken sich die Umweltschutzbehörden auf rein überwachende Funktionen. In der Praxis werden Umweltsünden zwar registriert, ohne aber die Ursachen zu bekämpfen. Das Fehlen einer aktiven Umweltschutzpolitik ist auch auf die geringe Akzeptanz der Bevölkerung zurückzuführen. Schließlich ist die Umwelt zusätzlich Belastungen von außen ausgesetzt: Allein in der Bucht von Famagusta (türk. Gazimağusa Körfezi) werden jährlich etwa 10 t Abfall aus den östlichen Nachbarstaaten angeschwemmt.
2.2 Bevölkerung
Mit Gründung der Republik Z. 1959/60 schuf die Verfassung in Anerkennung der bestehenden Bevölkerungsverhältnisse ein Novum: die freiwillige Zuordnung der neuen Staatsbürger nach Herkunft und Muttersprache, Glauben oder kultureller Zugehörigkeit zu zwei politisch gleichberechtigten Volksgruppen („Communities“ in Art. 2). Die zyprisch-orthodoxe, griechische Bevölkerungsgruppe bildet mit 68,7 % die Mehrheit. Dagegen stellen die türkischen Muttersprachler muslimisch-sunnitischen Glaubens mit 22,0 % die stärkste Bevölkerungsminderheit. Die anderen religiös-ethnischen Minderheiten Z. – römisch-katholische „Lateiner“ (1,3 %), katholisch-arabische Maroniten (0,5 %) und christliche Armenier (0,3 %) – haben sich relativ problemlos und bei vollem Schutz ihrer kulturellen Minderheitenrechte vorwiegend im griechischen Süden integriert. Der erhebliche zahlenmäßige Rückgang von Armeniern und Maroniten belegt allerdings auch das fortschreitende erfolgreiche Gräzisieren dieser Minoritäten. Die jüdische Gemeinde Z.s (seit dem 1. Jh.) zählt nur noch einige wenige Mitglieder.
Aus dem kulturell und historisch begründeten Gegensatz der regional übergeordneten griechischen und türkischen Nationalismen im Umgang mit der Moderne erwuchs der unlösbare insulare Volksgruppenkonflikt – das Z.problem. Die sture Loyalität beider ethno-religiösen Gemeinschaften zu ihren jeweiligen nationalen „Mutterländern“ Griechenland und Türkei sowie deren gegensätzliche Regionalinteressen trotz gemeinsamer Mitgliedschaft in der NATO hatten zur Folge, dass die staatliche Selbständigkeit der jungen zyprischen Republik von Anfang an unvollständig blieb. Mit der Unabhängigkeit von England wurden zugleich völkerrechtlich bindende Verträge zwischen Großbritannien, Griechenland und der Türkei abgeschlossen zur Garantie der von außen verordneten staatlichen bi-ethnischen Einheit der Republik Z., notfalls auch mit dem Recht zur militärischen Intervention.
Als Symbol des gegenseitigen Interessenausgleichs behielt die englische Krone 1960 zwei Militärbasen (Sovereign Base Areas Administration) mit einer Gesamtfläche von 256,4 km² bzw. fast drei Prozent der Inselfläche. In ihnen leben heute 7000 (griechische wie türkische) Zyprer und insgesamt 3650 britische Soldaten sowie etwas 4500 Verwaltungsangestellte (mit etwa 5000 Familienmitgliedern). Diese Basen haben eine eigene Infrastruktur und stehen unter der vollen Verfügungsgewalt der britischen Krone, was bis heute eine völkerrechtliche Anomalie ist. Den beiden anderen Schutzmächten Griechenland und die Türkei wurde dafür erlaubt, jeweils eigene kleinere militärische Kontingente auf der Insel zu unterhalten.Da der interethnische Interessenausgleich nicht funktionierte, zerbrach dieses labile staatliche Gebilde endgültig im Sommer 1974 mit dem Einmarsch der türkischen Armee. Es kam zur faktischen Inselteilung: im griechischen Inselsüden (5896 km², einschl. 256 km² britische Militärstützpunkte, die fast 3 % des Inselfläche einnehmen) leben heute 665.000 zyprische Griechen (2004) und im türkischen Inselnorden (3355 km² bzw. 37 % der Gesamtfläche) etwa 213.000 zyprische Türken (2004). Die UNO-Pufferzone zwischen beiden Teilen umfasst 4 % des Landesterritoriums. Hinzu kommt ein legaler Ausländeranteil von etwa 4,2 % an der Gesamtbevölkerung bei einer allerdings erheblich ansteigenden Dunkelziffer.
Die Volksgruppen siedelten in der jungen Republik noch stark verstreut über die ganze Insel und in ethnisch gemischten Dörfern. Die Homogenisierung innerhalb der beiden größten Bevölkerungsgruppen begann im Bürgerkrieg von 1963/64 und 1967 als ethnisch-religiös motivierte Vertreibungen der türkischen Zyprer, die ihre traditionellen Siedlungsgebiete unter eigener Kontrolle brachten (fast 3 % des Inselterritoriums). Als Folge der gewaltsamen Inselteilung erfolgten die großen „Bevölkerungsverschiebungen“. In den südlichen Teil kamen etwa 160.000 griechische Zyprer aus dem türkischen Nordteil. Umgekehrt flohen etwa 50.000 türkische Zyprer aus dem Süden in den zyprisch-türkischen Inselteil. Außerdem wurden hier bis zu ca. 150.000 Türken aus dem anatolischen Festland neu angesiedelt und 30–35.000 türkische Soldaten ständig stationiert. Angehörige der beiden großen Volksgruppen bilden heute nur noch unbedeutende Minderheiten im jeweils anderen Inselteil: Nur etwa 500 Griechen blieben in Nordz.; auch im Süden leben heute weniger als 200 türkische Zyprer.
Autochtone Türken wie Griechen zeigen heute zumindest ähnliche generative Verhaltensmuster und passen sich widerstandslos an die westeuropäischen Modernisierungstrends (geringe Kinderzahl, höheres Heiratsalter) an. Obwohl das natürliche Bevölkerungswachstum in Z. v. a. als Folge der höheren Kinderzahlen der Zuwanderer aus der Türkei noch deutlich über dem Reproduktionsniveau liegt, fallen die Fruchtbarkeitsraten bereits erheblich niedriger aus als in den meist unterentwickelten Mittelmeeranrainerstaaten. Das relative Bevölkerungswachstum in beiden Landesteilen folgt allerdings unterschiedlichen Zu- und Abwanderungsmustern. Der Süden Z. verzeichnete nach der Krise von 1974 zunächst erhebliche Wanderungsverluste. Erst ab den späten 1980er Jahren entwickelte er sich erstmals zum Einwanderungsland als Folge des „kleinen Wirtschaftswunders“ und der Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes für Ausländer. Dagegen stieg in Nordz. die Bevölkerung nach der Teilung aufgrund der systematischen Ansiedlung von Festlandstürken sprunghaft an. Allerdings schwächte die zugleich erfolgte Abwanderung der eingesessenen türkischen Zyprer (meist nach London) wegen der chronisch schlechten Wirtschaftslage die Auswirkungen der Zuwanderung aus der Türkei auf die Gesamtbevölkerung des Nordteils. Im Gegensatz zum Süden werden im Norden die türkischen Zuwanderer zunehmend zum vorherrschenden Bevölkerungselement.
Jenseits von interethnischem Bürgerkrieg und türkischer Militärintervention hat sich seit dem Ende der britischen Kolonialzeit die Siedlungsstruktur in Z. tief greifend verändert. Ein Vergleich der Siedlungsentwicklung zwischen Nord- und Südz. verdeutlicht dies. Nach 1974 konzentrierte sich die zyprisch-türkische Politik auf die landwirtschaftliche Nutzung ihres Territoriums und förderte mit der lange heftig bestrittenen Ansiedelung von Festlandstürken die Besiedelung der gesamten Fläche. Dies führte zu einer massiven Auswanderung der insularen türkischen Zyprer und zu einer „Anatolisierung“ Nordz.s. Die nordzyprische Siedlungsstruktur ähnelt seither den benachbarten Entwicklungsländern: Die rückständigen Dörfer stagnieren wegen des ungebremsten Bevölkerungswachstums der Hauptstadt, das zu Massenarbeitslosigkeit und zur weiteren Aufblähung des von der Türkei subventionierten Verwaltungsapparats führt. Dagegen hat sich im Süden eine dynamische Wachstumsregion entlang der Küste und um die Städte herausgebildet, der weite Regionen im Gebirge und im schlecht erschlossenen Inselwesten mit Bevölkerungsrückgang und Siedlungsverfall gegenüberstehen. Der griechische Inselsüden ähnelt mit diesem Siedlungsmuster eher den globalisierten Gesellschaften des Westens. Denkmalpflege und Restaurationsbemühungen zur touristischen Inszenierung traditioneller zyprischer Identität können nicht darüber hinwegtäuschen, wie weit sich die griechischen Zyprer in den vergangenen Dekaden von ihrer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft während der britischen Kolonialzeit entfernt haben.
2.3 Staat und Gesellschaft
Nach der Verfassung von 1960 ist Z. einmalig in Europa: eine duale präsidiale Republik mit zwei sich selbst verwaltenden Volksgruppen, denen bis 1964/65 zwei weitgehend gleichberechtigte Regierungsspitzen vorstanden − der griechische Präsident und der türkische Vizepräsident mit jeweils eigenständiger Wahllegitimation durch die beiden Volksgruppen. Seit 1974 besteht Z. jedoch aus zwei politisch, wirtschaftlich und verwaltungsmäßig selbständigen Systemen: dem international anerkannten griechischen Südteil (Republik) und dem zyprisch-türkischen Nordteil, der als TRNZ (am 15.11.1983 proklamiert) bis heute nur von der Türkei anerkannt wird.
a) Republik Z.
Formell gilt die Verfassung seit 1974 nur noch im griechischen Südteil. Faktisch hörte sie bereits 1963/64 auf zu existieren, nachdem Präsident Erzbischof Makarios III. mit seinem einseitigen Vorschlag zur Verfassungsänderung den offenen Konflikt zwischen beiden Volksgruppen ausgelöst hatte. Während die zyprischen Griechen die Anwendung der Verfassung für zu kompliziert, rigide und vorteilhaft nur für die türkische Minderheit erachteten, bestand die Führung der zyprischen Türken auf der vollständigen und buchstabengetreuen Anwendung der Verfassungsnormen. Das Wiederaufkeimen der interethnischen Gewalttätigkeiten und die Interventionsdrohungen der Türkei führten schließlich im März 1964 zur letzten gemeinsamen Aktion beider Präsidenten: die Bitte um Entsendung und dauerhafte Stationierung einer UN-Friedenstruppe (›UNFICYP‹), deren Mandat seither alle sechs Monate vom UN-Sicherheitsrat verlängert wird. Die zyprisch-türkischen Amtsträger kehrten danach nur vereinzelt in ihre alten Funktionen in der Zentralregierung zurück. Das Fehlen der türkischen Zyprer im Repräsentantenhaus nutzten die zyprisch-griechischen Repräsentanten zum offenen Verfassungsbruch aus: Sie höhlten mit Hilfe mehrerer einfacher Gesetze – und ohne das dafür notwendige Einverständnis der für Verfassungsänderungen vorgesehenen Zweidrittelmehrheit der zyprisch-türkischen Abgeordneten einzuholen – den Volksgruppenstaat aus und passten die Verfassung in einigen Kernbereichen zu ihren Gunsten den vorläufigen Realitäten an. In der Steuergesetzgebung wurde die verfassungsgemäße Notwendigkeit der Zustimmung zyprisch-türkischer Repräsentanten ausgesetzt, in der Kommunalgesetzgebung gelten diese die Gemeinschaft der türkischen Zyprer betreffenden Regelungen nicht mehr und im Wahlgesetz wurde die Abgeordnetenzahl erhöht – bei Beibehaltung des 70:30 Proporzes. Bis auf das Gesetz zur Einführung von Zivilehe und Ehescheidung, das den Verfassungsartikel 111 modifizierte, und das jüngste (vierte) Verfassung ändernde Gesetz zur Etablierung der Unabhängigkeit der Zentralbank (Juli 2002) wurden sämtliche mit (zyprisch-griechischer) Mehrheit durchgeführten, beide Gemeinschaften betreffenden Änderungen nicht in die Verfassung inkorporiert, sondern werden als provisorische Regelungen bis zu einer Lösung des Z.-Problems angesehen.
Der von den griechischen Zyprern beherrschte Oberste (Verfassungs-)Gerichtshof rechtfertigte nachträglich die Fiktion der Fortgeltung der Verfassung und erlaubte einmalige Anpassungsmaßnahmen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Staates − ausnahmsweise aufgrund der durch die Gewaltausübung eingetretenen außerordentlichen Krise, ohne jemals den Notstand auszurufen. Am Ausschluss der türkischen Zyprer an der gleichberechtigten politischen Teilhabe änderte auch die politisch opportune Vorkehrung nichts, einige der ihnen von der Verfassung vorbehaltenen Stellen im Staat freizuhalten und nicht mit zyprischen Griechen zu besetzen. Die so entkernte Verfassung der Republik dient seit 1974 staatsrechtlich als Grundgesetz für einen homogenen zyprisch-griechischen Zentralstaat mit dem Geltungsanspruch für die gesamte Insel, der aber de facto auf den Südteil beschränkt bleibt und nur echte ethno-religiöse Minderheiten anerkennt und schützt. Dagegen haben die Gründungsverträge seit der einseitigen Kündigung durch die zyprisch-griechischen Regierung von heute an Geltungskraft verloren.
Staatsoberhaupt und oberster Vertreter der geschlossenen Exekutive (Regierungschef) ist heute der Präsident, der auf fünf Jahre direkt vom Wahlvolk gewählt ist und nicht vom Vertrauen des Parlaments abhängt. Er ernennt und entlässt die elf Mitglieder des Ministerrats, die keine Abgeordneten sein dürfen und nicht der Bestätigung durch das Parlament bedürfen. Zudem verfügt der Präsident über ein Vetorecht gegen alle Regierungs- und Gesetzesbeschlüsse. Die Legislative liegt beim Repräsentantenhaus (Parlament) und besteht aus 80 Abgeordneten, davon 56 für den griechischen Bevölkerungsteil und 24 temporär vakante für die türkische Volksgruppe. Sie werden auf fünf Jahre gewählt nach dem einfachen Verhältniswahlrecht (seit 1996 mit nur einer 1,8 %-Sperrklausel). Es besteht Wahlpflicht. Einflussreiche parlamentarische Parteien sind traditionell AKEL, DISY, DIKO, EDEK/KISOS und EDI.
Kennzeichen des Parteienwesens ist seine stabile Blockbildung. Grund dafür ist die auf die britische Kolonialzeit zurückgehende tiefe gesellschaftliche Spaltung zwischen den beiden heute fast gleich starken Lagern: einerseits die kirchentreuen, vor 1974 vorwiegend aus der Untergrundbewegung Ethnikī Organōsis Kypriōn Agōnistōn (EOKA) stammenden und mit dem Anschluss an Griechenland (enōsis) sympathisierenden Konservativen/Rechten, die in den Parteien DISY und DIKO organisiert sind. Und andererseits die kommunistische Arbeiterbewegung AKEL. Die ehemaligen Mitglieder der Untergrundbewegung EOKA beherrschen immer noch viele Schlüsselfunktionen im Staat. Klientelistische Abhängigkeitsverhältnisse und konspirative „Waffenbrüderschaft“ zeichnen ihre Beziehungen untereinander aus. Das linke Lager wird von der Bewegung AKEL repräsentiert, die mit 77 Jahren die älteste, mitgliederstärkste und am effizientesten organisierte Parteiorganisation sowie die aus demokratischen Wahlen hervorgegangene erfolgreichste kommunistische Partei Europas ist. Zwar hat sie stets den bewaffneten Kampf gegen Briten und zyprischen Türken abgelehnt, nicht aber die Union mit Griechenland. Die Kommunisten verfügen über ein bis in die Dörfer reichendes dichtes Netz von politischen Aktivisten und führenden Funktionären, die alle Untergliederungen und nahe stehenden Organisationen sowie das Zentralkomitee der Partei beherrschen. Sie entscheiden selbstherrlich über die Ernennung der Parteikandidaten für die Parlamentswahlen. Um ihren gewünschten Kandidaten das Mandat zu sichern, sind dezentralisierte und personalisierte Wahlkämpfe untersagt. Auf diese Weise sind die AKEL-Abgeordneten immer auch Vertreter der linken Gewerkschaftsbewegung.
Von diesen beiden Blöcken unabhängige, höchst fragile Klein- und Kleinstparteien werden meist von prominenten Politikern oft aus Protest gegen die etablierten Parteien kurz vor Wahlen gegründet (z. B. EDI). Sie lösen sich ebenso regelmäßig danach wieder auf. Die Parteivorsitzenden und einige bekannte Mitglieder treffen typischerweise alle richtungspolitischen Entscheidungen. Der Wähler ist in seiner Stimmabgabe bei Wahlen auf die extreme Personifizierung ausgerichtet und kann mit Parteiprogrammen wenig anfangen. Entscheidende Kriterien sind dagegen traditionelle Loyalitäten und die Haltung der Parteiführer zur Z.-Problematik, obwohl sich die Parteien in den grundsätzlichen Lösungsoptionen längst einig sind trotz gelegentlicher rhetorischer Differenzen über die Verfahrensweisen.
Nach der Inselteilung herrscht zwischen den traditionell parteipolitisch-antagonistisch ausgerichteten Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden ein für mediterrane Verhältnisse ungewöhnlich moderater, sozialpartnerschaftlicher Umgang vor. Die Gewerkschaftsbewegung kennzeichnen ein hoher Organisationsgrad, starke korporatistische Strukturen bei weitgehender Ideologiefreiheit im politischen Alltag und eine geringe Streikbereitschaft aus. Die Verbände haben im ›Industrial Relations Code‹ seit 1977 freiwillig den Interventionsstaat als zentralen Vermittler und Schlichter anerkannt (›tripartism‹). Die Gewerkschaften haben sich so in den nationalen Konsens einbinden lassen und für ihre Kompromissbereitschaft einen erheblichen Einfluss auf die politischen Entscheidungen der Regierung erhalten. Führende Gewerkschafter sind auch Parteipolitiker und Abgeordnete. Mit diesem ausgeprägten Parteienengagement bringen sie aber die gewerkschaftliche Autonomie in Gefahr, von den Parteistrukturen und dem Volksgruppenkonflikt erdrückt zu werden. Traten früher die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer aus beiden Volksgruppen häufig gemeinsam für ihre Interessen ein, so hängen die Kontakte heute vom allgemeinen politischen Klima ab. Dennoch treten die linken Gewerkschaften aus beiden Volksgruppen für einen gemeinsamen zyprischen Bundesstaat in Europa ein mit einem einheitlichen Sozialsicherungssystem bei gleichem Lohnniveau.
Der griechische Inselsüden wird zentralistisch verwaltet und ist dafür nach der alten Verwaltungseinteilung vor 1974 in sechs administrative Distrikte (von denen Kyrenia und Famagusta faktisch nicht mehr der griechischen Territorialgewalt unterliegen) aufgeteilt, von denen jeder einem Distrikt-Vorsteher (Präfekt) als regionaler Vertreter der Zentralregierung untersteht. Die sechs vom Ministerrat ernannten Bezirksbeauftragten handeln als Chefkoordinatoren aller Aktivitäten der Ministerien in ihrem Bezirk und sind zusammen mit dem Rechnungsprüfer dafür verantwortlich, dass die örtlichen Selbstverwaltungseinheiten im Rahmen der Gesetzes-, Verordnungs- und Budgetvorgaben der Zentralregierung handeln. Sie führen zudem die Wahlen auf lokaler Ebene durch und stellen Lizenzen und Zertifikate aus. Sie sind strikt weisungsgebunden und unterstehen einem Referatsleiter im Innenministerium. Derzeit wird nach EU-Vorgaben die Verwaltungskapazität auf subnationaler Ebene verstärkt. Der Ministerrat hat eine weitere Dezentralisierung beschlossen und Befugnisse auf Bezirksebene verlagert. Zu den neuen Aufgaben der Bezirksbeauftragten zählen jetzt auch die Überwachung der Durchführung von Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten sowie die Ausstellung von Personalausweisen, Pässen und bestimmten Baugenehmigungen.
Mit der neuen Gesetzgebung wurde die bisherige dreistufige Lokalverwaltung (Gemeinderat, „Verbesserungsräte“, Dorfkommissionen) durch eine Verwaltungsebene ersetzt: die 33 Gemeinde- und die 576 Dorfverwaltungen. Die Mitglieder dieser örtlichen Verwaltungsgremien werden in allgemeinen Wahlen alle 5 Jahre neu bestimmt. Die unabhängigen, korporativ strukturierten städtischen Kommunalorgane dürfen in ihren Kompetenzräumen selbständig entscheiden und unterliegen keiner hierarchischen Struktur. Sie erheben ihre eigenen Steuern (z. B. Grunderwerbs-/ Gewerbesteuern) und Gebühren. Sie können nach Genehmigung durch den Ministerrat auch Kredite und Darlehen aufnehmen. Die Finanzierung wichtiger kommunaler Infrastrukturprojekte erfolgt aber nach wie vor durch den Ministerrat, der auch den Gemeindehaushalt überprüft und genehmigt. Die Kommunalgesetzgebung räumt jeder städtischen Gemeinde das Recht auf eigene Verwaltungsvorschriften ein, wenn diese zuvor vom Ministerrat und dem Repräsentantenhaus genehmigt wurden. Und sie sieht auch die Durchführung lokaler Sachreferenden vor (z. B. bei der Umwandlung einer Dorf- zur Stadtgemeinde), wenn der Ministerrat zuvor sein Einverständnis erklärt hat. Die Räte können jederzeit Versammlungen einberufen, um mit den anwesenden Bürgern über anstehende Sachthemen zu diskutieren.
Die EU-Kommission bestätigte, dass die auf dem angelsächsischen Rechtssystem gründende Justiz (2003: 84 Richter, davon 18 Frauen) „unabhängig“, die Gewaltenteilung „gewahrt“ und das Niveau des Justizwesens „hoch“ sowie die Verfahrensordnung trotz mancher Verzögerungen im Zivilrecht „zufriedenstellend“ seien. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege müssen allerdings die noch aus englischer Kolonialzeit stammende Verfahrensordnung, die Infrastruktur der Gerichtsverwaltung und die Weiterbildung der Richter sowie das Strafvollzugssystem unbedingt modernisiert werden.
b) TRNZ
Die zyprischen Türken wählten ebenso einen in der Verfassung von 1960 nicht vorgesehenen Weg: den der territorialen Separation und staatlichen Sezession. Die bereits Ende 1963 erfolgte Teilung der gemeinsamen Hauptstadt Nikosia entlang der Waffenstillstandsgrenze und die anhaltenden Übergriffe seitens zyprisch-griechischer Milizen bereitete den Exodus der zyprischen Türken in so genannte Enklaven vor, in denen der sukzessive Aufbau einer eigenständigen, wenn auch provisorischen Staatsverwaltung (›Administration‹) mit festlandstürkischer Finanzhilfe erfolgte. So vorbereitet, riefen sie neun Jahre nach der Inselteilung durch türkische Besatzungstruppen und nach mehrfachen Anläufen in Richtung Autonomie und Bundesstaat einseitig die ebenfalls zentralistische TRNZ aus, die nur von der Türkei anerkannt und auch von ihr finanziell fast vollständig unterstützt wird. 1985 gab sich die seit 1976 regelmäßig aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Zentralverwaltung eine bis heute gültige neue Verfassung, auf deren Grundlage die Regierung eigene Gesetze umsetzt, die von einem eigenen, demokratisch legitimierten Parlament erlassen und vom Präsidenten verkündet werden.
Der Verfassungstext weist in seiner Präambel auf vier wesentliche Eigenarten im Selbstverständnis der heutigen zyprischen Türken hin:
das zyprisch-türkische Volk (nicht die Nation) als Verfassungsgeber ist ein „untrennbarer Bestandteil der großen Türkischen Nation“;
es verdankt seine Eigenstaatlichkeit einzig der Abtrennung vom osmanischen Mutterland;
mit der „Garantiemacht“ Türkei sind die türkischen Zyprer ideell durch die Anerkennung der säkularen Prinzipien Atatürks, völkerrechtlich durch Abkommen und sicherheitspolitisch durch die „heroische“ türkische Armee eng verbunden;
dennoch sind Verfassungsgeber und Staatsvolk die Staatsbürger der TRNZ und nicht das zyprische Volk bzw. die türkische Nation.
Die Verfassung der TRNZ enthält Strukturelemente sowohl aus der türkischen Verfassung von 1982 als auch aus der Verfassung Z. von 1960. So ist sie auch den Prinzipien der Volkssouveränität, der demokratischen Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit sowie den liberal-sozialen Grundrechten verpflichtet, die zusammen mit der territorialen und linguistischen Integrität nach Artikel 9 zum unveränderlichen Verfassungskern zählen. Typologisch begründet sie erstmals in der zyprischen Verfassungstradition das parlamentarische Regierungssystem westeuropäischen Ursprungs.
Nach der Verfassung von 1985 liegt die Gesetzgebung bei der Versammlung der Republik. Das Einkammerparlament mit 50 Abgeordneten wird für 5 Jahre nach dem auf Parteilisten basierenden verstärkten Verhältniswahlrecht mit einer relativ hohen 8 %-Sperrklausel gewählt. Die Exekutivgewalt liegt bei der Regierung unter dem Vorsitz des Premierministers. Der auf 5 Jahre direkt gewählte Präsident hat als Staatsoberhaupt im Wesentlichen repräsentative Funktionen wahrzunehmen. Wichtige Parlamentsparteien sind: Ulusal Birlik Partisi (UBP, „Nationale Einheitspartei“), Demokrat Partisi (DP, „Demokratische Partei“), Toplumcu Kurtuluş Partisi (TKP, „Kommunale Befreiungspartei“) und Cumhuriyetçi Türk Partisi (CTP, „Republikanisch-Türkische Partei“) sowie Bariş ve Demokrasi Hareketi (BDH, „Bewegung für Frieden und Demokratie“.
Die Parteienlandschaft hat sich seit 1974 als relativ stabil erwiesen, trotz mangelnder ideologischer Profilierung. Wie in der Republik gilt auch hier grundsätzlich der Links-Rechts-Gegensatz, wobei die linken Parteien häufig in der Opposition sind. Das Z.-Problem als nationale Existenzfrage beherrscht auch hier ständig die Wahlkämpfe. Die Zementierung der Inselteilung wird heute besonders von den wieder erstarkten linken, auf Ausgleich mit den zyprischen Griechen bedachten und europhilen Parteien, Gewerkschaften und Medien sowie Nichtregierungsorganisationen in Frage gestellt. Weitere Kennzeichen sind die häufig wechselnden Wahlbündnisse ungeachtet der eigenen Ideologie und Programmatik. Sie erschweren die Zuordnung der nahe stehenden Interessengruppen, die ebenso oft und unabhängig von der Programmatik ihre parteipolitische Ausrichtung nach dem Opportunitätsprinzip ändern.
Dagegen spielen die Gewerkschaften eine untergeordnete Rolle aufgrund der schlechten Wirtschaftslage mit hoher Inflation und Unterbeschäftigung, einer faktisch nicht bestehenden Industrie und vorherrschenden Kleinst- und Familienbetrieben in der Agrarwirtschaft sowie im Dienstleistungssektor. Lediglich im unproduktiven Öffentlichen Dienst mit seiner völligen Abhängigkeit von den Subventionen aus Ankara ist der höchste Organisationsgrad zu verzeichnen. Obwohl es auch in der TRNZ eine aktive Vermittlerrolle des Staates gibt, beklagen die politisch einflusslosen Gewerkschaftsführer, dass die Regierung als Arbeitgeber und Schlichter die Unternehmerseite begünstige.
Dafür spielen die ca. 86 Nichtregierungsorganisationen mit einer Mitgliedschaft von geschätzten 38.000 türkischen Zyprern in den vergangenen Jahren eine wesentlich bedeutsamere Rolle in der TRNZ als in der Republik. Mit medienwirksam inszenierten, öffentlichen Großkundgebungen suchten diese NGO’s die internationale Aufmerksamkeit, um den beschleunigten Wirtschaftsverfall und die zunehmende Repressionspolitik der alten konservativen Regierung zu demonstrieren. Im Bündnis mit den linken Parteien und Gewerkschafts- wie Unternehmerverbänden bzw. der Handelskammer verlangten sie von ihrer Regierung nicht mehr nur eine positive Einstellung zur EU, die sie z. T. indirekt mitfinanziert, und zu volksgruppenübergreifenden Aktivitäten, sondern forderten auch die direkte Einmischung der EU. Für sie liegt die Lösung in einem gleichberechtigten Partnerschaftsstaat mit einer internationalen Rechtspersönlichkeit und effektiven Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsstaatsstrukturen zur Bewältigung der Verpflichtungen aus der vollen EU-Mitgliedschaft. Allerdings gehören die Initiatoren und Mitglieder dieser NGO’s eher den links-intellektuellen, urbanen Teilen an, die sich in ihrer insularen Identität und Integrität von der zunehmenden Zahl festlandstürkischer Siedler mit und ohne TRNZ-Staatsbürgerschaft und der türkischen Armee entfremdet sowie in ihrem Bestand gefährdet fühlen. Von einem EU-Beitritt versprechen sie sich nicht nur Wohlstand, sondern auch ein Ende der türkischen Immigration und die Repatriierung der anatolischen Siedler. Die überraschende innerzyprische Grenzöffnung im April 2003 durch die TRNZ-Behörden nach fast 30 Jahren der Isolation vor der griechischen Volksgruppe war offenbar auf den steigenden Druck der organisierten zyprisch-türkischen Öffentlichkeit zurückzuführen. Angesichts der wirtschaftlichen Misere und der Attraktivität einer EU-Mitgliedschaft war der öffentliche Widerstand gegen die kompromisslose Verweigerungshaltung der eigenen Regierung zu groß geworden.
Die zweistufig gegliederte Lokalverwaltung fällt in die Zuständigkeit der 28 Stadtgemeinden und 130 Dörfer, die in drei Verwaltungsdistrikte zusammengefasst sind. Die Stadtgemeinden werden von den Bürgermeistern und den ihnen beigeordneten Verwaltungsräten (6–14 Mitglieder) regiert, die beide auf vier Jahre wählbar sind. In den Dörfern besteht der Rat aus dem Vorsitzenden (›Muhtar‹) und den vier Beisitzern (›Azas‹), die ebenfalls alle frei wählbar sind. Die Bürgermeister-Wahlen werden nach dem einfachen Mehrheitswahlrecht durchgeführt: Gibt es ein Unentschieden, was aufgrund der geringen Stimmenzahl häufig vorkommt, entscheidet das Los. Ratsmitglieder und ›Azas‹ werden nach einfachem Verhältniswahlrecht auf Grundlage von Parteilisten ausgewählt. So wie in der Republik kommt den Kommunalwahlen auch in der TRNZ parteipolitisch eine hohe Bedeutung zu. Allerdings haben alle Parteien aufgrund der Abwanderung und der Urbanisierung zunehmend Schwierigkeiten, auf der Dorfebene geeignete Kandidaten zu rekrutieren. Unabhängige Kandidaten haben wegen der vorherrschenden Parteilisten meist geringe Chancen sich durchzusetzen. Ein dem Innenminister unterstehender Vertreter der Zentralverwaltung hält als beamteter Bezirksvorsteher zusammen mit dem Wahlkreisabgeordneten die Verbindung zur Zentralregierung, die den Großteil der Finanzen für die Lokalverwaltung stellt. Seit der Reform des Gemeindeverwaltungsgesetzes von 1980 sind die Gemeindekompetenzen um die üblichen Angelegenheiten im Bereich der Selbstverwaltung, einschließlich Gesundheit, Tourismus und Gewerbe, erweitert worden.
Unabhängige, öffentliche Gerichte, deren Zuständigkeiten von der TRNZ-Verfassung und späterer Gesetzgebung bestimmt werden, sind auch hier gegeben. Die Struktur ähnelt jener der Republik mit dem Obersten Gerichtshof an der Spitze und den nach geordneten Assisen-, Distrikt- und Familien- sowie Militärgerichten. Nach der Bewertung der EU-Kommission funktioniert die Justiz allgemein „ordnungsgemäß“. Inwieweit die Regierung sich rechtsstaatlicher Mittel bedient, um Regimekritiker mundtot zu machen, ist von außen nur am Einzelfall zu ermessen. So sind z. B. die 1996 begangenen Morde an einem zyprisch-türkischen Journalisten und zwei zyprisch-griechischen Demonstranten bis heute nicht aufgeklärt und 2000 wurden Schauprozesse gegen mehrere Journalisten geführt.
2.4 Wirtschaft
Im zyprisch-griechischen Teil konnten die durch die Krise von 1974 entstandenen wirtschaftlichen Verluste schnell überwunden werden. Bei einer relativ niedrigen Inflationsrate ist die ökonomische Leistungsfähigkeit höher als die der gesamten Insel vor 1974. Getreide- und Kartoffelanbau erfolgen in der Ebene Mesaoria, die aber künstlich bewässert werden muss. Zitruskulturen sind um Lemesos, Rebflächen in dem südlichen und östlichen Troodos-Vorgebirge konzentriert. Hauptwirtschaftszweig ist die Industrie mit Textil-, Schuh-, Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung sowie dem Bauwesen. Größter Betrieb ist die Erdölraffinerie in Larnaka. Bergbau erfolgt auf Kupfer- und Golderz, abgebaut werden u. a. Marmor, Bentonit und Gips. Die Republik (in geringerem Maß auch die TRNZ) entwickelt sich zunehmend zu einem Dienstleistungszentrum für Offshore-Unternehmen und -Banken. Im internationalen Schiffsregister steht das Land an dritter Stelle. Größter Devisenbringer ist der sich ständig ausweitende Tourismus. 2004 erfolgte die Aufnahme Z. in die EU, wobei dies aufgrund der Blockadepolitik des Südens wenige Veränderungen für den Nordteil brachte.Der zyprisch-türkische Teil ist ohne Wirtschaftshilfe der Türkei kaum lebensfähig, obwohl die landwirtschaftlich wertvollsten Anbaugebiete und die Schwerpunkte der Industrie nach der Teilung im Nordteil lagen. Bei einer hohen Inflationsrate liegt das Pro-Kopf-Einkommen nur bei einem Viertel des vergleichbaren Wertes im Süden (2001 ca. 4000 Euro bei einem angenommenen Umfang des Schwarzhandels von 30-40 % des Bruttosozialprodukts). Hauptanbau- und Hauptexportprodukte sind Zitrusfrüchte, Tabak und Gemüse. Die vorhandene Kapazität der Industriestandorte Nikosia und Famagusta wird aus Mangel an Arbeits- und Fachkräften nur teilweise ausgelastet. Der ehemals bedeutende Tourismus beginnt sich nur langsam wieder zu erholen, wird aber durch die international beachtete griechische Nichtanerkennungs- bzw. Embargopolitik stark behindert. Durch die Demarkationslinie wurde das Straßennetz zerschnitten: in der Republik ist es etwa 10.700 km, in der TRNZ rd. 2400 km lang. Der ehemalige Haupthafen von Famagusta dient nur der TRNZ. Für die Republik wurden Limassol und Larnaka (beide seit 1990/91 Freihäfen) als Tiefwasserhäfen ausgebaut. Da der internationale Flughafen von Nikosia auf der Demarkationslinie liegt, kann er derzeit nur von der UNO benutzt werden. In der Republik entstanden daher die internationalen Flughäfen Larnaka und Paphos; im Norden wurden die Flughäfen Ercan (griech. Tymvou) und Geçitkale (griech. Lefkoniko) eingerichtet.
2.5 Bildung und Kultur
In der Republik Z. (Analphabetenquote 3 %) besteht eine neunjährige allgemeine Schulpflicht (Einschulungsalter fünfeinhalb Jahre); die Schulpflicht in der TRNZ (Analphabetenquote 6 %) umfasst die achtjährige Primarschule (Einschulungsalter sieben Jahre; einjähriger Vorschulbesuch möglich). Inselweit gibt es sechs Universitäten: die staatliche Universität von Z. (gegründet 1989; 1992 Aufnahme des Lehrbetriebs) im griechischen Teil Nikosias und die ebenfalls einzige staatliche ›Eastern Mediterranean‹-Universität (gegründet 1979/86) im türkischen Famagusta. In der TRNZ gibt es vier weitere kleinere private Universitäten und in der Republik 18 private tertiäre Bildungseinrichtungen (1989). Die kontinuierlich anwachsende Zahl der in ihnen eingeschriebenen, meist ausländischen Studenten, macht ihre wachsende Bedeutung als Devisenbeschaffer und regionaler Wirtschaftsfaktor v. a. für die TRNZ deutlich.
Die sechs zyprisch-griechischen Tageszeitungen und zwei Wochenzeitungen (davon jeweils ein englischsprachiges Produkt sowie 13 Sport-, Gewerkschafts- und Lokalzeitungen) sind mehrheitlich zwar parteipolitisch polarisiert, decken aber das gesamte Meinungsspektrum gut ab (Stand 2006). Angesichts der Titelvielfalt und der kleinen Zahl potentieller Leser bleiben die Auflagen klein und der wirtschaftliche Überlebenskampf groß. Zudem ziehen auch die festlandsgriechischen Printmedien zunehmend Leser an sich. Schließlich hat die Presse auch aufgrund der Liberalisierung der elektronischen Medien seit 1990/93 ihre Bedeutung für die politische Meinungsbildung stark eingebüßt. Denn seit Inkrafttreten der neuen Hörfunk- und Fernsehgesetze zur Auflösung des staatlichen Rundfunkmonopols erhielten bis Ende 1996 allein 37 Radiostationen und sieben Fernsehsender Betreiberlizenzen. Die Zulassung privater Konkurrenz mit leichter Unterhaltung bereitet dem Staatssender ›RIK‹ (Radiofōniko Idryma Kyprou) große finanzielle Schwierigkeiten, seinen von der Regierung vorgegebenen Sendeauftrag, die türkische Okkupation Nordz.s und die Flüchtlingsfrage nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wahrzunehmen.
2006 wurden regelmäßig elf zyprisch-türkische (sowie eine englischsprachige) Tageszeitungen und drei Wochenzeitungen (sowie 2 englischsprachige Produkte und sogar das dreisprachige ›Dialog‹) veröffentlicht. Zudem werden täglich bis zu 20.000 Zeitungen aus der Türkei im Norden verkauft. In der Presselandschaft der TRNZ dominieren zwar wie in der Republik die parteiorientierten, regimetreuen Produkte. Dennoch sind auch einige wenige, meist linke Zeitungen erhältlich, die sich offen für einen griechisch-türkischen Ausgleich und eine friedliche Wiedervereinigung nach einem Beitritt der Insel zur EU einsetzen. Stärker noch als in der Presse stehen die elektronischen Medien im Dienst der Ideologie des „nationalen Befreiungskampfes“. Der Staatsrundfunk steht ganz unter dem Einfluss der Regierung und der türkischen Armee bzw. des Botschafters mit dem Ziel, die Einheit zwischen der Türkei und der TRNZ propagandistisch nach außen darzustellen. Seit 1997 erlaubt ein neues Mediengesetz neben dem öffentlich-rechtlich organisierten Regierungssender auch den Betrieb privater Medien. Drei kommerzielle Sendeanstalten stehen in harter Konkurrenz zu den großen festlandstürkischen Unterhaltungssendern. Die journalistische Freiheit zur kritischen Berichterstattung ist in der TRNZ nur begrenzt gegeben.
3 Kulturgeschichte
Als Folge ihrer geopolitischen Lage befand sich die Insel in ihrer gesamten, beinahe 9000jährigen Besiedlungsgeschichte ständig unter dem Einfluss der herrschenden Mächte im östlichen Mittelmeer. Indem die Zyprer sich nach außen hin freiwillig der jeweiligen regionalen Großmacht unterwarfen und tributpflichtig wurden sowie nach innen die auf sie einwirkenden multikulturellen Gegensätze sinnvoll miteinander verbanden, gelang es ihnen, ein weitgehend freies Eigenleben zu bewahren. Dies wiederum wussten sie zum eigenen Vorteil zu nutzen, so dass sie von ihrer kulturellen Vermittlerrolle bis tief in die Neuzeit hinein auch wirtschaftlich profitierten.
Von den antiken Stadtkönigtümern zum mittelalterlichen Königreich der Kreuzfahrer
Eingebettet in ein gut ausgebautes, engmaschiges Handelsnetz erlebte die Insel als wichtigster Kupferexporteur des Altertums im 12. und 11. Jh. v. Chr. einen ersten Wirtschaftsaufschwung. Die Zyprer öffneten sich so dem griechischen Kulturraum: Sowohl die minoischen Kreter als auch die Mykener gründeten Handelsstützpunkte. Die aus der mykenischen Peloponnes vertriebenen, kulturell weiterentwickelten Siedler sollen dabei die aus Kleinasien stammenden ›Eteozyprer‹ gräzisiert haben, wobei sie die dort vorgefundenen orientalischen Kulturtraditionen übernahmen und mit ihren Traditionen verbanden (z. B. Aphroditekult). Als Folge der Rivalitäten zwischen Achaiern und den im 9. Jh. an der Ostküste der Insel siedelnden syrisch-semitischen Phöniziern sowie ihrer wechselnden Abhängigkeiten von den Weltreichen der Assyrer, Ägypter und Perser (750–478 v. Chr.) kam es zur Herausbildung von sprachlich wie ethnisch streng segregierten und jeweils autokratisch-autoritär regierten Stadtkönigtümer, die zur zentralen Organisationsform der antiken Zyprer wurden. Der Rohstoffreichtum und die günstige Lage im Ost-West-Handel begründeten den enormen Wohlstand der zyprischen Stadtregenten. Mit großem Selbstbewusstsein suchten sie ihre Eigenständigkeit im ständigen Wechsel ihrer Bündnispartner zu sichern und machten Z. zum Zankapfel zwischen Athen und Persien (490–325 v. Chr.). Alexander der Große gab den Inselherrschern für kurze Zeit die volle Souveränität und Unabhängigkeit als Lohn für die Gefolgschaft der griechischen Dynastien (331 v. Chr.). In den Diadochenkämpfen sank die Insel in den Status einer untergeordneten Provinz des ptolemäischen Ägyptens (294 v. Chr.) und verblieb als solche auch im Römischen Reich (seit 58 v. Chr.).
Nach der Reichsteilung (395) fiel Z. an Byzanz. Die byzantinische Herrschaftsstruktur Z. wirkte bis ins 20. Jh. hinein und war geprägt von der scharfen Trennung zwischen der Masse der Bauern und Handwerker sowie einer kleinen gebildeten Herrschaftsschicht von Großgrundbesitzern, Beamten und Klerus mit je eigenen Privilegien. Die Amtskirche ebenso wie das starke Mönchtum legitimierten mit ihrer Autorität über die Inselbevölkerung diese Wirtschafts- und Sozialordnung. Sie erhandelten sich auch die Selbständigkeit der Kirche Z. (Autokephalie) vom Patriarchat von Antiochia (488). Im Grenzkrieg zwischen Byzantinern und Arabern konnte die Insel zwar nicht dauerhaft von den Muslimen bevölkert werden, wurde aber beiden Reichen tributpflichtig (649–964). Verschiedene Aufstände gegen die Byzantiner zeugten von den Partikularinteressen einzelner lokaler Feudalherren. Die Vertreibung des einzigen „Kaisers von Z.“ (1185) durch den englischen König Richard Löwenherz am Rande des Dritten Kreuzzuges beendete die über 800jährige Herrschaft von Byzanz und leitete im 12. Jh. eine ungewöhnliche Blüte ein (zahlreiche katholische Kirchenbauten, Bevölkerung in Z. wuchs auf etwa 100.000 Einwohner).
Die Insel wurde für die nächsten fast 400 Jahre zum letzten und zeitweise reichsten Vorposten des lateinischen Europa im Nahen Osten. Obwohl die griechischen Bauern materiell nicht schlechter gestellt waren, lehnten sie sich zusammen mit dem orthodoxen Klerus mehrfach gegen die „Lateiner“ auf. Denn die Könige aus dem französischen Adelsgeschlecht der Lusignan (seit 1197) zeigten kein Interesse, die rechtlichen und soziokulturellen Unterschiede zwischen den herrschenden katholischen „Franken“ und den beherrschten griechischen Orthodoxen aufzuheben. Der Widerstand gegen die institutionelle Unterordnung förderte den Anspruch der orthodoxen Kirche, als einzige Bewahrerin der kulturellen Identität des unterworfenen byzantinischen Griechentums aufzutreten. Auch unter der venezianischen Herrschaft (1489–1571) veränderte sich der rechtliche Status der von den Maroniten, Armeniern und Roma getrennt siedelnden, schollenabhängigen griechischen Landbevölkerung nicht. Vielmehr verschärften sich ihre Steuerlasten, weil Venedig für seine Stützpunkte höhere Einnahmen benötigte. Als Reaktion darauf fanden „Hungerkrawalle“ (1562) statt, die die Aufständischen zur Aufnahme von Beziehungen zum Osmanischen Reich nutzten, die 1570/71 zur Eroberung Z. führten.
Von der osmanischen Provinz zur britischen Kronkolonie
Entgegen der wenig differenzierenden griechischen Geschichtsschreibung leiteten die Osmanen kurz nach der Eroberung Z. eine soziokulturelle Revolution von oben ein, indem sie die lateinische Feudalherrschaft beendeten. Die neue Provinz erhielt eine weitgehend autonome Regionalregierung mit dem Oberstatthalter (Beylerbey) in Nikosia. Leibeigenschaft und Frondienst der griechisch-orthodoxen Untertanen wurden abgeschafft sowie die Steuerlasten beträchtlich gesenkt. Die Osmanen beseitigten auch den Katholizismus, indem sie den lateinischen Adel und Klerus von der Insel vertrieben. Die zyprisch-orthodoxe Kirche sah sich dagegen in alle ihre alten Rechte wieder eingesetzt. Den enteigneten katholischen Großgrundbesitz verteilten sie zunächst an ihre zurückgelassene kleine Festungstruppe (ca. 4000 Mann) und die muslimischen Stiftungen. Den großen Rest des ehemaligen Eigentums der katholischen Kirche boten sie dem orthodoxen Klerus und den Klöstern zum Kauf an. Auf diese Weise und durch Schenkungen entwickelten sich v. a. die griechisch-orthodoxen Mönchsgemeinschaften zu den größten Grundbesitzern. Die landwirtschaftliche Produktion auf den Latifundien der Muslime und den monastischen bzw. kirchlichen Gütern für den europäischen Exportmarkt begünstigte in enger Zusammenarbeit mit den europäischen Konsuln-Kaufleuten in Larnaka die Herausbildung des griechischen Merkantilismus. Dieser stand zusammen mit der zyprischen Orthodoxie bei der Entwicklung des griechischen Schulsystems und des Nationalbewusstseins früh Pate. Zugleich legte der Großgrundbesitz die wirtschaftliche Grundlage für die muslimische Dominanz in Militär und Staatsverwaltung.
Aufgrund des Fehlens detaillierter osmanischer Bevölkerungserhebungen kann die Zahl der Muslime auf der Insel allenfalls geschätzt werden: Um 1606 dürften es bei einer Gesamtbevölkerung von nicht viel mehr als 120.000 Einwohner immerhin bis zu 30.000 gewesen sein. Da keine Massenkonversionen oder Zwangsrekrutierungen stattfanden, setzte sich wohl ein Teil der muslimischen Landbevölkerung aus freiwillig islamisierten, ehemals christlichen Dorfgemeinden zusammen. Diese wechselten vermutlich aus fiskalischen Gründen ihre Religion und Sprache, um die für Nichtmuslime geltenden doppelten Steuersätze und die Kopfsteuer nicht entrichten zu müssen.
Die zyprisch-orthodoxe Bevölkerung lernte zwischen „christlichen“ Autochtonen und „Türken“ zu unterscheiden. Die zyprischen Muslime sprachen dagegen lieber von „Byzantinern/Griechen“ (›Rum‹) und empfanden sich selbst als historisch integraler Teil der islamischen Weltgemeinschaft. „Griechen“ und „Türken“ stellten eindeutig die Bevölkerungsmehrheit. Sie siedelten aber über die ganze Insel verstreut (meist bei Aufrechterhaltung ethnisch getrennter Wohn-, Arbeits- und Lebensverhältnisse). Dennoch lebten beide Religions- und Sprachgruppen bis ins 20. Jh. hinein weitgehend friedlich nebeneinander. Eine Assimilierung der beiden unterschiedlichen Gemeinschaften fand trotz mancher symbiotischer Elemente (v. a. in den ethnisch gemischten Dörfern, die nach einer britischen Zählung von 1891 43 % aller Dorfsiedlungen ausmachten) nicht statt: Mischehen waren aus kulturellen und rechtlichen Gründen unerwünscht und blieben Ausnahmen (weit unter 1 %); die Schulausbildung fand von Beginn an nach Religionsgruppen getrennt statt.
In der sakralen Architektur Z. (nach Umwandlung der katholischen Kirchen zu Moscheen) und in der Beibehaltung der alten griechischen Ortsnamen lässt sich besonders anschaulich ablesen, dass die Osmanisierung der Insel eher als Prozess der Transformation ablief und nicht als gezielte Zerstörung der vorgefundenen Strukturen. Die wohl herausragende politisch-administrative Veränderung lag in der Etablierung der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinschaften gleichen religiösen Bekenntnisses (›Millet‹). Z. unterstand nach 1600 direkt dem Großadmiral und ab 1703 dem Großwesir (als Lehen übertragen). Dieser „erkaufte“ die Statthalterschaft jährlich, was Korruption und Unfähigkeit in der lokalen Verwaltung zur Folge hatte. Die griechisch-orthodoxe Kirche Z. war von der Hohen Pforte in Istanbul seit 1660 zum einzigen Repräsentanten und Sprecher der offiziell zugelassenen christlichen Kirchen (Orthodoxe, Maroniten, Armenier) auf der Insel anerkannt worden. Alle Erzbischöfe nahmen sich seitdem nicht nur das auf der Autokephalie beruhende traditionelle Vorrecht heraus, Einfluss beim Ökumenischen Patriarchen in Istanbul auszuüben. Sie suchten vielmehr von da ab jederzeit und ohne vorherige Genehmigung durch den griechischen Patriarchen den direkten Zugang zum eigentlichen Machtzentrum und erschienen häufig persönlich vor dem Großwesir der Hohen Pforte, um Vergünstigungen für sich und ihre Regionalkirche zu sichern. Auf diese Weise gelang ihnen sogar die Ausweisung missliebiger Gouverneure. Der Sultan bestätigte 1754 zudem auch offiziell den Erzbischof von Z. als alleinigen politischen Führer der zyprischen Christen (seit 1660 Ethnarch).
Eine weitere Besonderheit bestand darin, dass sich der griechisch-orthodoxe Erzbischof von der Mitte des 18. Jh. bis zur Reformperiode im Osmanischen Reich (Tanzimat) mit dem Statthalter das Recht zur Erhebung öffentlicher Steuern teilte. Mit Hilfe des osmanischen Militärs und eines einflussreichen christlichen Zivilverwalters der Hohen Pforte griechisch-phanariotischer Abstammung (Dragoman) wurde die Steuereintreibung nach Religionsgemeinschaften zum Vorteil beider Seiten durchgeführt. Die hohe Fluktuation der osmanischen Gouverneure verstärkte den Einfluss von Erzbischof und Zivilverwalter, die die halbautonome Provinz fast 50 Jahre alleine regierten. Dabei wurden Muslime ebenso wie Christen zeitweise derart unerträglich hoch besteuert, dass sie trotz mancher Spannungen teilweise gemeinsam gegen das insulare Unrechtregime rebellierten (1764, 1783,1804). Als Folge solcher kurzen und heftigen Gewaltausbrüche wurden die Urheber mit militärischer Unterstützung der Hohen Pforte beseitigt.
Die Angst vor der Ausbreitung der griechischen Erhebung lieferte dem muslimischen Gouverneur einen willkommenen Anlass, die Herrschaft der Bischöfe mit drakonischen Maßnahmen zu beenden. Da die muslimischen Notabeln spätestens seit der Niederschlagung ihres Aufstandes von 1804 auch antigriechische Ressentiments hegten, waren sie mit der öffentlichen Hinrichtung der gesamten orthodoxen Kirchenführung 1821 und der Konfiszierung ihres Privatbesitzes einverstanden. Erzbischof Kyprianos starb jedoch nicht wegen seines Glaubens, sondern wegen seiner konspirativen Beziehungen zu den festlandgriechischen Aufständischen. Das bis dahin entspannte nachbarschaftliche Verhältnis zwischen Türken und Griechen erlitt einen ersten – bis heute nicht wieder verheilten – Riss.
Nicht die inneren Verhältnisse sondern die veränderte weltpolitische Gesamtlage beendete die dreihundertjährige osmanische Herrschaft. Die englische Regierung erzwang am 4.6.1878 von der Hohen Pforte den Abschluss eines Beistandspakts zum Schutz gegen weitere russische Übergriffe auf die osmanischen Territorien außerhalb Europas. Als Gegenleistung dafür erhielt London die Insel zur Besetzung und Verwaltung. Formalrechtlich blieb – und dies ist ein einzigartiger Vorgang in der britischen Kolonialgeschichte – die Oberherrschaft über Z. bis 1914 beim Sultan, so dass er auch weiterhin den Mufti (zuletzt 1909) und die Richter der Muslime ernennen durfte. Der besondere Status der muslimischen Gemeinschaft der Insel wurde von den Engländern rechtlich abgesichert und in der Praxis genau respektiert. Faktisch aber behandelten die Briten Z. als ihre Kolonie. Erst durch den Kriegseintritt des Osmanischen Reiches auf Seiten Deutschlands gegen Großbritannien wurden die Verträge hinfällig. England annektierte die Insel am 5.11.1914 und inkorporierte sie in sein Herrschaftsgebiet. Im Friedensvertrag von Lausanne (24.7.1923) erkannte auch die neue Republik Türkei die Annexion Z. und die volle britische Souveränität über die Insel als völkerrechtlich bindend an. Z. wurde am 10.3.1925 schließlich zur britischen Kronkolonie erklärt.
Genese des unlösbaren Z.problems
Das Z.problem fällt mit den drei Phasen der britischen Kolonialherrschaft über die Insel zusammen. Im ersten Abschnitt von der Etablierung britischer Macht bis zum gescheiterten Aufstand der griechischen Zyprer (1878–1930) formierte sich das griechisch-nationalistische Bündnis zum Anschluss Z.s an das expandierende neugriechische Königreich, die so genannte „Wiedervereinigung“ (enōsis), unter Führung der Erzbischöfe der Insel. Diese irredentistische Bewegung kann als Reaktion auf die Entscheidung der britischen Kolonialverwaltung verstanden werden, die alten, aus osmanischer Zeit stammenden sprachlich-religiösen Unterteilungskriterien in ihr qualitativ modernes parlamentarisch-repräsentatives Staatsverfassungs- und Gesellschaftsmodell zu übernehmen. Damit wurde in Z. keine neue, die Inselbevölkerung einigende Staats- bzw. Nationalidee propagiert. Das für die Region ungewöhnlich liberale politische Herrschaftsklima förderte die griechische Majorisierung der Kolonialinstitutionen und deren nationalistische Militanz gegen die britische Fremdherrschaft. Demgegenüber weigerte sich die ehemalige muslimisch-türkische administrative Elite, nach dem Verlust ihrer Herrschaftsprivilegien die Rolle einer einfachen Minderheit anzunehmen. Sie forderte erfolgreich den britischen Schutz vor Mehrheitsentscheidungen, denn dies bedeutete für sie die Vorherrschaft der ihnen zahlenmäßig und wirtschaftlich weit überlegenen griechischen Zyprer. Von der griechischen ›Enōsis‹-Bewegung mussten die zyprischen Muslime befürchten, dass ihr Erfolg unweigerlich ihre Vertreibung zur Folge gehabt hätte.
Infolge der Politisierung der Religions- und Lebensgemeinschaften Z. verstanden sich diese zunehmend als griechische und türkische Nationalgruppierungen, die auf den Modernisierungsdruck durch den britischen Kolonialismus unterschiedlich reagierten. Während die zyprisch-griechische Geschichtslegende die griechisch-orthodoxe Abstammung zur Selbstidentifikation erfand, bekannten sich die zyprisch-türkischen Intellektuellen zur historischen Kontinuität mit den Osmanen. Die kommunale Segregation begann alle Ebenen der zyprischen Stadtgesellschaft zu erfassen. Die Mehrheit der ungebildeten Kleinbauern auf dem Lande (immerhin vier Fünftel der Bevölkerung) zeigte indes wenig Interesse bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein. Da sie zu großen Teilen chronisch verschuldet und stark religiös gebunden waren, standen sie aufgrund der vielfältigen Patronage- und Klientelverhältnisse unter dem Einfluss von Kirche und Besitzbürgertum, die deren soziale Lage nicht verbessern wollten. Die nun ausufernde Agitation für die Vereinigung der Insel mit Griechenland entwickelte sich schnell zum beliebtesten Wahlkampfthema zyprisch-griechischer Politiker. Die wachsenden Spannungen zwischen der ›Enōsis‹-Bewegung und den Briten entluden sich (auch aufgrund der berechtigten Unzufriedenheit über die Verwendung der Steuern) in einer gewalttätigen Massendemonstration (die Kirche sprach von Revolution), an der die zyprischen Türken keinen Anteil nahmen. Diese Revolte beschränkte sich nicht mehr nur auf das politische Gravitationszentrum in Nikosia. Der Funke sprang vielmehr auf alle Städte und zugleich auf etwa 200 der ca. 600 Dörfer über. Die Briten konnten diese ersten antibritischen Unruhen nur mit Hilfe ihrer Truppen aus Ägypten und der Deportation aller zyprisch-griechischen Anführer unterdrücken.
Im zweiten Abschnitt britischer Kolonialherrschaft trat zwischen 1931 und 1950 die Z.-Problematik in ein Übergangsstadium ein. Der ›Enōsis‹-Bewegung gelang es, trotz des nun vorwiegend autoritären Herrschaftsstils der britischen Gouverneure die Institutionalisierung und gesellschaftliche Massenmobilisierung der griechischen Zyprer voranzutreiben. Die ›Enōsis‹-Anhänger drangen nach der Legalisierung der Gewerkschaften und der Förderung landwirtschaftlicher Genossenschaften durch die Engländer in die immer zahlreicher vorhandenen gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Organisationen ein. Sie instrumentalisierten diese als wirkungsvolle Transmissionsriemen zur Verbreitung der offiziell verbotenen politischen Anschlussidee. Bis 1949 waren dann auch alle Parteien unter dem Dach des 1947 wieder zugelassenen orthodoxen ›Ethnarchie‹-Rat vereinigt. Zum zunächst überraschenden Erfolg der Kommunisten (AKEL) als neuer politischer Kraft trug viel ihr Kurs der Anpassung an die alten Kräfte der ›Enōsis‹ bei. Zwar wünschten sie sich (v. a. nach der Niederlage der festlandsgriechischen Schwesterpartei) im Gegensatz zur ›Enōsis‹-Bewegung ein von den Briten unabhängiges Z. Solange es ihnen aber politisch vorteilhafter erschien, stellten sie sich hinter die nationalistische Führung der zyprischen Kirche. Die Führung der ›Ethnarchie‹ dagegen bestand weiterhin auf ihre einmal eingenommene Haltung, jegliche Zusammenarbeit mit der britischen Kolonialadministration zu verweigern und den Anschluss an Griechenland zu proklamieren. Die britische Regierung benötigte jedoch weitere zehn Jahre, um zu erkennen, dass die Lösung nicht durch Zugeständnisse in der Verfassungsfrage (mehr autonome Selbstverwaltung) zu erreichen war. Zudem kam es seit 1954 zum Zusammenschluss und Gründung der terroristischen Organisation ›EOKA‹ durch zyprisch-griechische Rechtsextremisten, die allerdings schon seit 1947 in losen Gruppierungen agierten. Sie strebten zunächst entschieden die Beseitigung der Führer von Kommunisten und Gewerkschaften an. Die extreme Linke antwortete ihrerseits mit Dynamit-Attacken gegen ihre rechten Opponenten.
Im Sommer 1948 erreichte die Gewaltspirale einen ersten Höhepunkt. Ein Generalstreik lieferte den Vorwand für blutige Kämpfe mit der Polizei, die erneut zur Verlegung britischer Soldaten aus Palästina zwangen. Die zyprisch-griechische Front gegen die Herrschaft der britischen Kolonialherren schloss sich. Bald erhielt sie die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit aller griechischen Zyprer. Die Kirchenführung hatte schneller als die Kommunisten erkannt, dass in der traditionellen zyprischen Agrargesellschaft die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine sozial inspirierte Massenrevolution nicht gegeben waren. Die Aktivierung der konservativen Bauern ließ sich hingegen hauptsächlich über die Beherrschung der ›Enōsis‹-Bewegung sichern.
In der dritten Phase bis zur staatlichen Unabhängigkeit nutzte der insulare griechische Nationalismus die veränderte weltpolitische und regionale Ausgangslage dazu, die Z.frage zu internationalisieren. Nach einem von der Kirche organisierten Referendum (1950), das den Beweis für das legitime Recht der griechischen Zyprer auf Selbstbestimmung erbringen sollte, führte die ›Enōsis‹-Bewegung unter Erzbischof Makarios III. mit diplomatischem Vorgehen einerseits und den Terrormethoden der von Georgios Grivas geführten ›EOKA‹ gegen die britische Kolonialmacht andererseits die schwelende Z.problematik zur offenen Z.krise (1955–59). In diesen blutigen Auseinandersetzungen zwischen griechischen Zyprern und der englischen Kolonialmacht wurde auch die zyprisch-türkische Bevölkerung zunehmend mit hineingezogen. Mit Hilfe des festlandtürkischen Nationalismus (Kemalismus) und des neuen Mutterlandes (Türkei) sowie eigener Untergrundorganisationen (›Volkan‹, ›TMT‹) strebten die türkischen Zyprer als Reaktion darauf die Teilung (›Taksim‹) der Insel in einen griechischen und einen türkischen Sektor an. Da ›Enōsis‹ und ›Taksim‹ sich gegenseitig ausschlossen, bot sich zum nationalen Einheitsstaat offenbar nur noch das (gescheiterte) Experiment mit einer neutralen Republik unter der Protektion Griechenlands, der Türkei und Großbritanniens an.
Das Fehlen eines Konsenses zwischen beiden großen Volksgruppen über das heutige Wesen des Z.-Problems ist ein zentraler Grund für die Unfähigkeit zur Annäherung. Die Suche nach einer einvernehmlichen Lösung, die zuletzt die getrennte Abstimmung über den Annan-Plan 2004 bot, musste daher an einer der beiden Bevölkerungsgruppen scheitern. Ein anderer liegt in der Schwierigkeit des mit beiden Teilen Z. befreundeten Auslands, die Zyprer zur Änderung ihres historisch verursachten, gegenwärtig aber stabilen Status quo zu bewegen und so ihre Vertrauenskrise zu lösen. Mindestens vier Faktoren im Verhältnis der beiden Bevölkerungsgruppen erschweren die Lösung: Die scheinbar unüberbrückbaren Antagonismen zwischen den zwei zahlenmäßig, sozioökonomisch, religiös und sprachlich unterschiedlichen sowie mit geradezu entgegen gesetzten historischen Erfahrungen ausgestatteten insularen Gemeinschaften der Griechen und Türken.
Die enge Verbundenheit dieser beiden Bevölkerungsgruppen zu ihren jeweiligen „Mutterländern“ bzw. Schutzmächten, Griechenland und Türkei. Sie hat die Herausbildung einer eigenständigen, beide Bevölkerungsgruppen einschließenden zyprischen Staatsnation bisher verhindert. Dabei besteht die Neigung auf Seiten der wohlhabenden zyprisch-orthodoxen Inselgriechen, ihre eindeutige numerische Mehrheit und ihr zeitlich längeres national-religiöses Zusammengehörigkeitsbewusstsein mit den Festlandsgriechen als Argumente dafür zu gebrauchen, um Z. zu einer griechischen Insel zu machen. Sie lehnen es weitgehend ab, der Minderheit der heute kemalistisch-sunnitischen Türken den Status der vollen Gleichberechtigung zuzugestehen. Allerdings wird mittlerweile eine gewisse Überrepräsentation des zyprisch-türkischen Bevölkerungsteils in territorialer wie politischer Hinsicht als Ausdruck eines modernen Verständnisses von Minderheitenschutz akzeptiert, sofern die zentralen Entscheidungen über das gesamtzyprische Gemeinwesen von der griechischen Mehrheit getroffen werden.
Die historisch begründete Furcht der türkischen Zyprer vor Unterdrückung und gewaltsamen Übergriffen der sie majorisierenden Inselgriechen. Ihre seit 1963 systematisch betriebene Vertreibung bzw. Flucht in „Enklaven“ legte die Grundlagen für den territorialen und ökonomischen Separatismus. Was folgte, war die in ihrer Sicht zwingende sicherheitspolitische Sonderrolle der Türkei als ihre alleinige Friedens- und Schutzmacht seit 1974. Denn sie erst erlaubte der zyprisch-türkischen politischen Führung die eigenmächtige Ausrufung zunächst des Türkischen Föderativstaates von Z. (1975) und dann der Unabhängigkeit der TRNZ, die bis heute allerdings lediglich von der Türkei anerkannt wird. Die türkischen Zyprer verlangen seither zumindest zwei gleichberechtigte Teilstaaten auf einer Insel und ein effektives Vetorecht in einer gemeinsam kontrollierten Zentralgewalt.
Schließlich die De-facto-Teilung des Inselterritoriums aufgrund der andauernden militärischen Besetzung des Nordteils der Insel durch die türkische Armee seit 1974. Die Zyperngriechen werden seither mit Unterstützung Griechenlands und auch der internationalen Staatengemeinschaft darin bestärkt, die weitgehende Demilitarisierung, die Einhaltung der Sicherheit der Volksgruppen durch unabhängige Dritte (wie UNO oder EU), die Wiederherstellung der vollen Freizügigkeit, die umfassende Wiedereinsetzung der Zyperngriechen in ihr Eigentumsrecht im „türkisch besetzten Norden“ und die territoriale Aufteilung der Insel entsprechend dem Stärkeverhältnis der beiden Volksgruppen zu fordern.
Beide Bevölkerungsgruppen in Z. lassen sich ebenso wie Festlandsgriechen und -türken insbesondere vom Fußballsport begeistern und polarisieren. Es gibt in der Republik allein 16 Fußballmannschaften in der ersten Liga; in den beiden anderen Ligen, die nach den geographischen Bezirken organisiert sind, spielen noch einmal etwa so viele Mannschaften mit. Die von der Republik Z. gesteuerte „Zyprische Sportorganisation“ (›Kypriakos Organismos Athletismou‹, KOA) fördert darüber hinaus auch andere Mannschaftssportarten wie Volleyball, Basketball, Handball und Badminton. Sie steht zwar grundsätzlich jeder Initiative auf Förderung von Individualsportarten offen gegenüber, allerdings benötigen diese Sportarten meistens besonderer Erfolge einzelner „Zyprer“, um öffentliche Begeisterung und damit Förderung zu generieren. Die KOA verweigert jedoch bisher den in Nordzypern lebenden Türken den offiziellen Zutritt ihrer Mannschaften zu den eigenen wie den internationalen Ligen als Folge der beharrlich geführten staatlichen Nichtanerkennungspolitik. Ein beliebter Freizeitsport ist zudem das sog. ›Futsal‹, ein Fußballspiel, das v. a. abends und nachts bevorzugt gespielt wird. Besonders männliche Beschäftigte zwischen Mitte 30 und Anfang 40 betreiben diese Sportart meistens als Alternative zum Fitnessclub, das als westlicher kultureller Fremdimport abgelehnt wird.
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