Sachsen (Zips)
Zipser Sachsen (Sachsen [Zips])
Die deutschen Kolonisten, die im 12. und 13. Jh. die Zips (Region) besiedelten, werden ohne Rücksicht auf Herkunft und Stammeszugehörigkeit allgemein als Z. bezeichnet. Auch wenn die Herkunft der Siedler zum Teil nach wie vor umstritten ist, so gilt es doch als sicher, dass die Einwanderer aus verschiedensten Gegenden des deutschen Sprachraums kamen – mehrheitlich wohl aus Sachsen. Für die erste Phase der Besiedlung werden in der Literatur ferner folgende Herkunftsländer genannt: Mitteldeutschland (Rheinland, Thüringen), Hessen, Mittelfranken, vereinzelt auch Bayern. In der zweiten, größeren und gezielten Ansiedlungsaktion, die nach dem Mongolensturm 1241/42 einsetzte, wurden erneut bayerische, fränkische und thüringische sowie schlesische Siedler in die Zipser Gemeinden berufen.
Dem Umstand, dass die deutschen Siedler mit vielen Privilegien ausgestattet werden (Freibrief von 1271, „Zipser Willkür“ 1370), ist es zuzuschreiben, dass die Z. bereits im 14. Jh. eine hohe wirtschaftliche und kulturelle Blüte erleben. Unterbrochen wird dieser Aufschwung durch die Verpfändung von 13 aus dem Bund der 24 Zipser Städte an Polen im Jahr 1412. Sowohl das bei Ungarn verbliebene als auch das an Polen gefallene Gebiet der Zips wird zwischen 1431 und 1462 mehrfach von den Hussiten heimgesucht – mit schweren materiellen Schäden und zahllosen Toten aufseiten der Z. Eine Folge davon ist, dass auch im ungarischen Teil der Zips der deutsche Bevölkerungsanteil merklich zurückgeht. Nach dem Ende der Hussitenkriege erleben die Bergstädte – wegen der Zufuhr deutschen Kapitals –eine Nachblüte. Der Augsburger Großkaufmann Jakob Fugger „der Reiche“gründet 1494 mit dem erfindungsreichen Zipser Bauingenieur Johannes Thurzo den „gemeinen ungarischen Handel“, eine Gesellschaft, die die Erze der niederungarischen Bergstädte nicht nur vertreibt, sondern auch fördert und eine Zeit lang das Kupferweltmonopol inne hat. Deshalb wurde der Satz geprägt: „Das goldene Augsburg ruht auf dem kupfernen Neusohl“.
Levoča, Kežmarok und Bardejov (dt. hist Bartfeld, ungar. hist. Bártfa) werden nach dem Studienplan Melanchthons höhere Schulen gegründet. Es gibt vielfältige Belege eines gehobenen Lebensstils, die auf einen wieder gewonnenen Wohlstand und das darauf gegründete gewachsene Selbstwertgefühl des deutschen Bevölkerungsteils im 16. Jh. schließen lassen.
Unterbrochen wird dieser Aufschwung durch die ständigen osmanischen Überfälle sowie die v. a. im 17. Jh. einsetzenden Religionskämpfe, die dann im 18. Jh. in eine unduldsam betriebene Rekatholisierung münden. Die Folge davon ist eine starke zahlenmäßige Abnahme der Deutschen. Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte erfährt der deutsche Bevölkerungsteil wiederum eine deutliche Stärkung. Die bereits unter Maria Theresia vollzogene Umstellung der Schulen auf die deutsche Unterrichtssprache und die 1784 von Joseph II. verordnete Einführung der deutschen Amtssprache kommen den Z. ebenso entgegen wie das Toleranzedikt von 1781, das den Evangelischen die weitgehend ungehinderte Ausübung ihrer Religion ermöglicht.
Ein eigenes Kapitel stellt die Haltung der Z. zum ungarischen Staat im Zeitalter des im 19. Jh. aufkommenden Nationalismus dar. In der ersten Jahrhunderthälfte entwickelt sich erstmals eine deutsch-magyarische Interessengemeinschaft, die während des zu dieser Zeit stattfindenden Ausbaus eines originären ungarischen Staats- und Nationsbewusstseins die Z. immer enger mit dem magyarischen Lager verbindet. Der damals entstehende ungarische Landespatriotismus, dem man unabhängig von der deutschen Muttersprache huldigt, mündet 1848/49 in die Waffenbrüderschaft einer Zipser Nationalgarde mit den ungarischen Aufständischen gegen das österreichische Kaiserhaus und den Wiener Zentralismus.
Dieses Zusammengehen war psychologisch bedeutsam zur Verbreitung der Magyarophilie und der Bereitschaft zum Volkstumswechsel unter den Zipser Deutschen. Spätestens mit der nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 einsetzenden Magyarisierungspolitik der ungarischen Regierungen vollzieht sich der Wandel von der ursprünglichen deutschen Identität zur deutsch-magyarischen Doppelidentität. Die Sachsen verstehen sich zunehmend als loyale ungarische Staatsbürger deutscher Zunge. Ethnisch ist man also Deutscher, politisch und staatlich aber Ungar. Diese Verbindung von Zipser Regionalbewusstsein und staatspatriotischer Gesinnung bringt ein zeitgenössischer Ausspruch auf den Punkt: „Unser Leib ist in der Zips, unser Herz in Budapest“. In der Folge setzen die Z. der durch die ungarischen Schulgesetze vorgegebenen Verdrängung ihrer Muttersprache keinen Widerstand entgegen. Dass mit dem Bekenntnis zu Ungarn viele Hoffnungen auf sozialen Aufstieg und auch konkrete Vorteile verbunden waren, steht außer Zweifel.
Assimilation und freiwilliger Volkstumswechsel sind nicht die einzigen Gründe für die deutliche Abnahme der Zipser sächsischen Bevölkerung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jh. Die durch gravierende wirtschaftliche Veränderungen –v. a. die fortschreitende Industrialisierung –verursachten sozialen Umschichtungen bewirken die Abwanderung Tausender deutscher Zipser in andere Teile Ungarns bzw. nach Nordamerika. Zudem ist die Geburtenrate der Zipser Deutschen niedriger als jene der Slowaken und Ruthenen. Die Folge ist, dass am Beginn des Ersten Weltkrieges nur mehr 98.500, an dessen Ende noch 36.890 Deutsche im Komitat leben. D. h., ihr Anteil ist auf knapp mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung gesunken.
Die Angliederung an die Erste Tschechoslowakische Republik (1919) löst einerseits eine weitere Abwanderung aus, andererseits wird der Prozess der Assimilation ans Magyarentum gestoppt, wobei die (Wieder-)Einführung deutscher Schulen eine zentrale Rolle spielt. 1930 werden im Gebiet der Zips wieder 42.000 Deutsche gezählt. Allerdings beginnt zu dieser Zeit auch hier jene verhängnisvolle Entwicklung, an deren Ende eine Zips fast ohne Z. steht. „Die Zipser haben sich, wie die anderen Volksdeutschen in Südosteuropa auch, von Hitlers Programm und seinen zweifelhaften Triumphen geblendet, unter zweckwidriger Verwendung ihres Rechtes auf nationale Selbstbestimmung zu einem Instrument eines antidemokratischen, inhumanen und totalitären Systems degradieren lassen“.
Nach dem Slowakischen Nationalaufstand und der militärischen Besetzung der Zips durch die Rote Armee verlässt zwischen Herbst 1944 und Februar 1945 der Großteil der deutschen Bevölkerung die Region. Von den Gebliebenen bzw. 1946/47 Zurückgekehrten werden viele vertrieben, interniert oder später ausgesiedelt. Jene, die im Lande bleiben, werden slowakisiert. Erst nach der Wende 1989 wird deutlich, dass in der Slowakei und eben auch der Zips noch Nachkommen der Deutschen leben. So etwa bekannte sich der von 1999 bis 2004 als Präsident der 1993 errichteten souveränen Slowakischen Republik amtierende Rudolf Schuster zu seiner deutschen Herkunft.
Chalupecký I. 2001: Die Zipser Deutschen im 18. Jahrhundert, Südostdeutsches Archiv 44/45, 21–30. Hadbawnik O. 1986: Die Zipser in der Bukowina. Anfang, Aufbau und Ende ihres buchenländischen Bergbaues in den Nordkarpaten. München. Hoensch, J.K. 1995: Die Zipser. Ein Überblick, Grimm G., Zach K. (Hg.): Die Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa. Geschichte, Wirtschaft, Recht, Sprache. Bd. 1. München,143–157. Piirainen I.T. 1996: Deutsche Siedler und deutschsprachige Gesetze in der wirtschaftlichen Entwicklung der Slowakei, Grimm G., Zach K. (Hg.): Die Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa. Geschichte, Wirtschaft, Recht, Sprache. Bd. 2. München, 133–151.