Sultanat
Sultanat
S. hat zwei Bedeutungen: Zum einen bezeichnet der Ausdruck das Institut der Regierung eines Sultans über einen islamischen Staat. Zum anderen bezieht sich S. auf diesen Staat selbst.
In der frühen islamischen Geschichte war der Titel ›Sulṭān‹ den Abbasiden-Kalifen vorbehalten. Erst nach dem Machtverfall der Abbasiden im 9. Jh. wurde der Titel „S.“ auch an die weltlichen Herrscher der mittlerweile aufgekommenen islamischen Staaten verliehen. Der Titel verleiht ausdrücklich weltliche Macht, bindet den Träger jedoch auch an die im religiösen Gesetz kodifizierten Vorgaben zur Machausübung. Bei einer Verletzung dieser Vorgaben kann der S. von der Geistlichkeit für abgesetzt erklärt werden.
Das in der islamischen Geschichte einflussreichste S. war das osmanische, das im frühen 14. Jh. entstand. Es bestand bis 1922, seit 1908 in der Rolle einer konstitutionellen Monarchie. 1922 setzte Mustafa Kemal (Atatürk) die Abschaffung des S.s in der türkischen Nationalversammlung durch. Auch in Marokko und Ägypten wurde der Titel des Herrschers im 20. Jh. von ›Sulṭān‹ in ›Malik‹ („König“)umgewandelt. Während der französischen Protektoratsperiode (1912–56) war der marokkanische S. weitestgehend entmachtet; der erste Monarch des unabhängigen Marokko, Muḥammad V. (1957–61), nahm bei der Unabhängigkeit Marokkos den Königstitel an. In Ägypten führten die Briten während des ersten Weltkrieges, nach der Absetzung des letzten Ḫadīwen (osmanischer Vizekönig in Ägypten) für kurze Zeit ein S. ein; nach der Revolution von 1919 und der nominellen Unabhängigkeit Ägyptens 1923 wurden die letzten beiden Monarchen Ägyptens (Fuwʿād, 1922–36) und Fārūq (1936–52) nicht mehr als Sultane, sondern als Könige, bezeichnet.
S.e gab es in allen Regionen der muslimischen Welt, von Marokko und Afrika (z. B. Sokoto in Nigeria) bis nach Südostasien (Brunei, Sarawak). In der Neuzeit verloren viele dieser S.e ihre weltliche Macht; ihre religiöse Bedeutung blieb jedoch häufig erhalten.