Sultan

Sultan (arab.)

S. ist ein Herrschertitel, der von mehreren islamischen Fürsten geführt wurde und wird. Das Wort ›Sulṭān‹ rührt vom aramäisch/arabischen Verb ›salṭana‹ in der Bedeutung „zum Herrscher machen“ her, und kennzeichnet einen Herrscher von allgemein anerkannter, vollständiger Unabhängigkeit. In der islamischen Frühzeit (7. – frühes 10. Jh.) wurde der Begriff „S.“ noch in der Bedeutung „Macht“, „Stärke“ oder „Vollmacht“ verwendet. Im 10. Jh. begann er dann den Inhaber dieser Macht zu bezeichnen.

Der Titel S., in der frühen Abbasiden-Zeit ausschließlich vom Kalifen geführt, signalisierte dessen aus dem Willen Gottes entspringende geistliche und weltliche Macht. Mit dem Machtverfall der Abbasiden begannen die Kalifen, einflussreichen weltlichen Machthabern Herrschertitel, darunter auch S., zu verleihen. Diese Verleihung gab dem Träger unter anderen islamischen Fürsten eine herausragende Stellung und war als religiöse Legitimierung seiner Macht von großer Bedeutung. Das Vorrecht, den Sultanstitel zu verleihen oder vorzuenthalten, ermöglichte dem Kalifen trotz abnehmender eigener weltlicher Macht eine gewisse Einflussnahme.

Nach dem Erlöschen des Abbasiden-Kalifats (1258) wurde der Titel S. in der islamischen Welt immer verbreiteter. Die islamischen Staatstheoretiker waren nun gezwungen, ihm eine neue, vom Kalifat unabhängige Bedeutung zu geben. Sie erklärten daher den S. zum „Stellvertreter Gottes auf Erden“ in allen weltlichen Angelegenheiten. Dem gegenüber kam der Geistlichkeit, als „Erben“ des Propheten Muḥammad, die finale Autorität in allen religiösen Fragen zu, wodurch den Gottesgelehrten die Rolle eines Regulativs in der Gesellschaft eingeräumt werden sollte. Ein S., der die durch das religiöse Recht gesetzten Grenzen der Herrschaftsausübung verletzte, konnte für abgesetzt erklärt werden. Doch die Verknüpfung des Titels mit religiöser Legitimation wirkte sich oftmals auch zum Nutzen der S. aus. Die Person des osmanischen S. nahm eine exaltierte Stellung in der Gesellschaft ein, und das Fortbestehen des Sultanats in der Linie des Hauses ʿOs̲mān wurde zu allen Zeiten als eine der elementaren Säulen für das Weiterbestehen des osmanischen Reiches angesehen. Mehr als einmal rettete sich in Zeiten der Unruhe ein Sultan durch die Ermordung sämtlicher anderer männlicher Mitglieder der Dynastie vor Tod oder Absetzung. Selbst einflussreiche Machthaber unterwarfen sich in diesem Teil widerstandslos dem Urteil des Sultans.

Die erste Dynastie, deren Herrscher den Titel S. trugen, waren die schiitischen Buwayḥiden im Irak (945–1055), die Bagdad eroberten und den Kalifen unter ihre Kontrolle brachten. Im Allgemeinen wurde der Titel S. jedoch von sunnitischen Herrschern geführt.

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Ein weiterer Herrscher, der den Sultanstitel verliehen bekam, war Maḥmūd von Ġazna (999–1030). Die Fāṭimidenkalifen in Ägypten (969–1171) schmückten sich mit dem Titel ›Sulṭān al-Islām‹ („Herrscher des Islams“), was den über die Landesgrenzen hinaus gehenden Herrschaftsanspruch verdeutlicht. Als erster islamischer Herrscher ließ der Seldschuke Tuğril Beg (1038–63) Münzen mit dem Titel S. prägen.

Im 12. Jh. nahmen auch die Ḫwārazm-Šāhs in Ḫurāsān und Transoxanien und die kurdischstämmigen ʿAyyūbiden in Ägypten diesen Titel an. Die Herrscher der Mamluken bezeichneten sich sogar als „Sulṭān al-Islām wa-l-Muslimīn (Herrscher über den Islam und die Muslime)“.

Im Osmanischen Reich wurde der Titel nicht nur seitens des Herrschers, sondern auch von den weiblichen Mitgliedern des Hauses nach dem Vornamen geführt. Diese im 16. Jh. aufkommende Regelung markiert den Beginn einer gewissen Inflation in der Bedeutung des Sultanstitels. Während die Herrscher der Krimtataren den türkischstämmigen Titel Ḫān führten, sprach man andere männliche Angehörige ihrer Dynastie mit „S.“ an. Die Ṣafawiden in Iran (1501–1722) bezeichneten sich auf ihren Münzen ebenfalls als S., wenngleich sie das persischstämmige Šāh häufiger verwendeten.

Muslimische Kleinfürsten in Südostasien begannen sich ab dem 16. Jh. ebenfalls als Sultane zu bezeichnen. Zu dieser Zeit verbreitete sich die Sitte, die Šayḫe mystischer (Ṣūfī/Derviš) Orden ebenfalls mit dem Ehrentitel „S.“ anzusprechen.

Abel A. 1958: Le Khalife, présence sacrée. Studia Islamica 7, 29–46. Becker C. H. 1916: Bartholds Studien über Kalif und Sunna. Der Islam 6, 350–412. Busse H. 1969: Chalif und Großkönig. Die Buyiden im Iraq (945–1055). Beirut. Levy R. 1957: The Social Structure of Islam. Cambridge.

(Tilman Lüdke)

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