Elbląg (Stadt)

Elbląg (poln., dt. hist. Elbing)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Hafenstadt E. in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren liegt am Rande der Weichselniederung (Żuławy Wiślane) und des „Elbinger Hochlandes“ (Wysoczyzna Elbląska) am Fluss E. (Elbing), in der Nähe des Frischen Haffs in einer Höhe von 2–60 m. Die trapezförmige Altstadt grenzt an den Fluss und wird ergänzt durch Neustadt (heute Śródmieście/Innenstadt) und Speicherinsel. Die im Norden und Osten gelegenen Wohngebiete der Vorkriegszeit wurden nach 1945 durch eine Wohnblockbebauung ergänzt.

Die durchschnittliche Temperatur E.s beträgt im Januar –2,4 °C, im Juli 16,8 °C, der jährliche Niederschlagsdurchschnitt 690 mm.

Die Bevölkerung lag jahrhundertelang bei ca. 10–15.000, wuchs im 19. Jh. von 17.977 (1816) auf 52.518 (1900), erreichte 1913 62.258, 1939 86.000 und stieg – nach dem nahezu vollständigen Bevölkerungsaustausch nach 1945 – bis 1996 auf 130.555 Einwohner. Heute beträgt die Einwohnerzahl 126.985 (2006). Die Stadt wird fast ausnahmslos von Polen bewohnt; bis 1945 war die Einwohnerschaft fast durchgehend deutsch und protestantisch. E. ist seit 1999 kreisfreie Stadt und gleichzeitig Sitz des Landkreises E., von 1975 bis 1998 war es Hauptstadt der Woiwodschaft E.

E. lebte bis ins 19. Jh. vorwiegend vom Handel. Seit den 1840er Jahren (1837 Gründung der Schichau-Werft) entwickelte sich die örtliche Industrie. 1945 kam die Verbindung zur Ostsee durch die Frische Nehrung bei Baltijsk (dt. hist. Pillau) unter russische Hoheit, weshalb Hafen und Werft bedeutungslos wurden. Heute dominieren Großunternehmen des Maschinenbaus. Die Rolle des Fremdenverkehrs wächst, u. a. wegen der reizvollen Umgebung. Die Stadt ist Sitz mehrerer staatlicher und privater Hochschulen. Außerdem besitzt sie ein Theater, ein Museum sowie ein Kulturzentrum.

Anfang

2 Kulturgeschichte

E. wurde 1237 in der Nähe des prußischen Handelsplatzes Truso vom Deutschen Orden gegründet; 1246 erhielt es die Stadtrechte und ein Landgebiet von 200 km². Besiedelt v.a. von Bürgern aus Lübeck, wurde die Stadt bald Mitglied der Hanse und war bis 1308 wichtigster Hafen des Ordensstaates. Später stand es in Konkurrenz zu Danzig, das aufgrund seiner günstigeren Lage den Handel mit dem polnischen Hinterland auf sich ziehen konnte. E. war aktives Mitglied im Preußischen Bund gegen die Ordensherrschaft. Als der Bund sich 1454 dem polnischen König unterwarf, zerstörten die Bürger die Ordensburg; durch den Thorner Vertrag von 1466 wurde die Zugehörigkeit zu Polen besiegelt. 1457 bestätigte der König die Privilegien der Stadt und erweiterte ihr Landgebiet. In Preußen königlichen Anteils gelegen, genoss E. eine gewisse Autonomie.

1535 entstand in E. das erste protestantische Gymnasium Preußens und Polens (seit 1598 akademisches Gymnasium). Neben den gotischen Sakralbauwerken war E. durch die im Stil der Renaissance neu- und umgebauten Bürgerhäuser des 16. und 17. Jh. geprägt. Seit 1557 gab es eine Druckerei.

Wirtschaftlich nahm die Stadt in der zweiten Hälfte des 16. Jh. einen Aufschwung. In Konkurrenz zu Danzig gelang es, den englischen Handel nach E. zu ziehen; zwischen 1579/85 und 1628 hatte die ›Eastland Company‹ hier ihren Sitz. Durch die Versandung des Frischen Haffs verlor E. im 17. und 18. Jh. seine Bedeutung für den Handel; auch die mehrfache Besatzung durch fremde Armeen (1626–35 durch die Schweden) ließ die zur Festung ausgebaute Stadt verarmen. 1657 verpfändete der König von Polen E. an den Kurfürsten von Brandenburg; 1703 besetzte Brandenburg-Preußen das städtische Landgebiet. 1772 fiel E. im Zuge der ersten Teilung Polen-Litauens an Preußen und wurde Teil der Provinz Westpreußen.

Nach Jahrzehnten der Stagnation setzte in den 1840er Jahren die Industrialisierung ein. 1787 erschien die erste Zeitung. 1846 entstand ein Stadttheater. Seit 1852 besaß die Stadt eine Eisenbahnanbindung nach Bromberg (Bydgoszcz). Das bürgerlich geprägte E. war eine der Hochburgen des deutschen Liberalismus. 1926 wurde eine Pädagogische Akademie gegründet.

Die im Versailler Vertrag festgelegten Grenzen – E. kam mit den angrenzenden westpreußischen Kreisen zu Ostpreußen und verlor seine Landverbindung zum Rest des Reiches – beeinträchtigten das lokale Wirtschaftsleben; 1933 wies die Stadt die höchste Arbeitslosigkeit Preußens auf. Sie profitierte von den Infrastrukturinvestitionen des Dritten Reiches (u. a. Autobahn nach Königsberg 1938) und von der Rüstungsproduktion; die F. Schichau AG beschäftigte gegen Kriegsende in E. 18.000 Menschen.

Seit 1939 entstanden in der Stadt Unterlager des nahegelegenen KZ Stutthof. Am 9./10.2.1945 eroberte die Rote Armee E.; im Zuge der Kampfhandlungen wurde die Altstadt nahezu gänzlich zerstört. 1945/46 kam es zu einem fast vollständigen Bevölkerungsaustausch. E. wurde zu einer Arbeiterstadt mit Schwerindustrie und zu einem regionalen Wirtschafts- und Verwaltungszentrum. Das Terrain der Altstadt wurde – bis auf die Kirchen – weitgehend eingeebnet; nach dem Wiederaufbau einzelner Bürgerhäuser in den 1950er und 1970er Jahren sind seit 1988 auf den alten Fundamenten zahlreiche Straßenzüge in historisierenden Formen entstanden. Das eigentliche Stadtzentrum hat sich ins Gebiet der alten Neustadt verlagert. Die Auflösung der Woiwodschaft E. 1998 sowie Massenentlassungen der Turbinenfabrik verschärften die wirtschaftliche Situation.

Gierszewski S. [Bd.1], Groth A. [Bd. 1–3], Andrzejewski M. [Bd. 4] (Hg.) 1993-2002: Historia Elbląga, 4 Bde. Gdańsk. Jähnig B., Schuch H.-J. (Hg.) 1991: Elbing 1237-1987. Münster. Hauke K., Stobbe H. 1964: Die Baugeschichte und die Baudenkmäler der Stadt Elbing. Stuttgart.

(Peter Oliver Loew)

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