Ufa

Ufa (russ., baschk. Öfö)


Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Hauptstadt der autonomen Republik Baschkortostan innerhalb der Russischen Föderation, liegt im westlichen Vorland des südlichen Urals auf einer Höhe von 77 ü. d. M. an der Mündung des Flusses Ufa in den Fluss Belaja (baschk. Aǵiz̧el) und hat 1.029.600 Einwohnern (2005).

Die Bevölkerungsstatistik weist 1782 2389, 1837 14.300, 1886 26.976, 1897 49.275, 1939 245.900, 1959 667.00, 1970 773.000 und 1980 1.009.000 Einwohner aus. Den größten Teil der Bevölkerung bilden (im Jahr 2002) Russen (54, 2%), es folgen Tataren (27 %) und Baschkiren (11,3 %) sowie kleinere Gruppen, wie die Tschuwaschen (1,1 %), Mari (1 %), Mordwinen (0,5 %) und Udmurten (0,1 %).

Das moderne U. erstreckt sich über mehrere Massive mit einer Gesamtausdehnung von ca. 50 km und einer Fläche von 75.324 ha. Der Prospekt ›Oktjabrja‹, mit etwa 10 km längste Straße U.s, verbindet als zentrale Magistrale die südlichen und nördlichen Teile der Stadt.

U. ist gegenwärtig v. a. Industriestadt. Die bedeutendsten Industriezweige sind: Maschinenbau, (petro)chemische Industrie, Holzverarbeitung, Elektro- und Nachrichtentechnik und Nahrungsmittelindustrie. Die letzten Jahre sind vom Strukturwandel geprägt. U.s Status als Zentrum einer multiethnischen Region spiegelt sich in der kulturellen Vielfalt der Stadt wider. U. verfügt z. B. über sechs Theater, ein Philharmonisches Orchester sowie ein Puppentheater, zahlreiche Museen (u. a. ein Museum für Archäologie und Ethnographie mit einer umfangreichen Sammlung von literarischen und musikalischen Tondokumenten), einen Zirkus, ein Planetarium, einen Botanischen Garten und die Nationalbibliothek Baschkortostans.

An den Hochschulen der Stadt (u. a. der Baschkirischen Staatlichen Universität sowie den Technischen Universitäten für Luftfahrt und für Erdölwirtschaft) sind heute ca. 150.000 Studenten eingeschrieben. Die Russische Akademie der Wissenschaften ist mit zehn Instituten vertreten. Daneben ist U. eng verbunden u. a. mit dem Namen des Schriftstellers Sergej T. Aksakov und zahlreichen Wissenschaftlern, Publizisten, Schauspielern und weiteren Autoren. Es gibt umfangreiche staatliche Förderprogramme im Bereich von Bildung und Kultur. Kulturfestivals und Kongresse verschiedener ethnischer Gruppen werden regelmäßig in U. ausgetragen.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Nachdem die baschkirischen Siedlungsgebiete ca. 1554–57 infolge der Eroberung Kasans an das Moskauer Reich gefallen waren, errichteten Mitglieder der russischen Schützengarde ›strelʹcy‹ („Strelitzen“) 1574 am Zusammenfluss von Ufa und Belaja auf Bitten baschkirischer Stämme als Schutzfeste gegen vordringende Steppennomaden einen Kreml mit einer ca. 440 m langen Eichenpalisade, die für die neue Siedlung zunächst namensgebend war (baschk. Imenʹkala, etwa „Eichenfestung“). Etwa zeitgleich entstand nach dem Flussnamen die Bezeichnung U., die mutmaßlich auf das alttürkische ›ufak‹ („klein“) zurückgeht.

Die Siedlung erhielt 1579 eine Steinkirche und erlangte bereits 1586 den Status einer Stadt, der ersten auf dem Siedlungsgebiet der Baschkiren. Diese wurde in der Folgezeit mehrmals von in der Nähe ansässigen Steppenvölkern angegriffen, konnte aber erfolgreich verteidigt werden. Während des 17. Jh. blieb U. eine wichtige Festungs- und Handelsstadt an der Grenze zu Sibirien. 1715 wurde U. Hauptstadt einer gleichnamigen Provinz, nur formal Kasan unterstehend. 1744 allerdings als nunmehr Teil des neugegründeten Gouvernements Orenburg sank die Bedeutung U.s als Verwaltungszentrum Baschkiriens. Ein Brand am 23.5.1759 vernichtete den Kreml und große Teile der Stadt. Die wiedererrichteten Befestigungsanlagen blieben bis zum Pugačëv-Aufstand (1773–75) erhalten, dem die Stadt lange standhielt.

U. war seit Ende des 18. Jh. Sitz der muslimischen „Geistlichen Versammlung“ für den südlichen Ural und eines vom Zaren ernannten Muftis. 1802 wurde U. Residenz des Zivilgouverneurs von Orenburg und erneut Sitz der Verwaltung. 1819 wurde die Stadt großflächig erweitert. Es entstanden gerade verhältnismäßig breite Straßen und offene Plätze. 1865 wurde U. Hauptstadt des Gouvernements U. (russ. Ufimskaja Gubernija) mit sechs Kreisen. Die Soldaten- und Beamtenstadt, die zugleich einen bedeutenden Verkehrsknotenpunkt bildete, entwickelte sich nun rasch zu einem industriellem Zentrum. Das in den 1830er Jahren noch bedeutende lederverarbeitende Handwerk wurde von der Ziegelproduktion und der Metallindustrie abgelöst.

Nach der Schiffbarmachung des Flusses Belaja (1857/58) entstanden ab 1870 Verbindungen nach Kasan und Nischni Nowgorod. U. wurde zum größten Hafen der Uralregion. Ab 1885 erfolgte der Anschluss an das Netz der russischen Eisenbahn, deren Hauptwerkstätten und -depots in U. errichtet wurden. Revolutionäre Zirkel entstanden seit den 1870/80er Jahren. 1895 wurde eine marxistische, 1898 eine sozialdemokratische Partei in der Stadt gegründet. Der Streik von mehr als 2000 Eisenbahnarbeitern am 5.7.1905 kulminierte im Oktober in einem Generalstreik der Arbeiter U.s.

1917/18 war U. kurzzeitig Sitz einer muslimischen Nationalversammlung sowie im September 1918 einer Provisorischen Regierung, die die Autorität für Gesamtrussland einforderte (sog. U.-Direktorium) und sich gegen die Bolschewisten konstituierte. Trotz wiederholter Vorstöße der Roten Armee blieb U. bis Ende 1919 unter dem Einfluss verschiedener „weißer“ Gruppierungen und der baschkirischen Nationalbewegung A. Validovs. Im Juni 1922 wurde U. Hauptstadt der Baschkirischen ASSR. Für die wirtschaftliche Entwicklung bestimmend wurde die Entdeckung von Erdölquellen unweit von U. im Mai 1932. Deren Erschließung wurde durch den Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf mehr als 40 Industriebetriebe aus dem westlichen Teil Russlands nach U. evakuiert wurden, unterbrochen. Der Aufbau der Erdölindustrie Mitte der 50er Jahre begründete U.s neuerlichen Aufschwung. 1949 wurde ein Generalplan zur Rekonstruktion und Entwicklung U.s beschlossen, aus dem die heutige Stadtstruktur hervorging.

U. bleibt Hauptstadt Baschkiriens nach der Unabhängigkeitserklärung 1990 und dem Anschluss der Republik (nun offiziell Baschkortostan) an die Russische Föderation 1992.

Goldberg H. J. 1990: Ufa. Wieczynski J. L. (Hg.): The modern encyclopedia of Russian and Soviet History. Gulf Breeze. vol. 54 (suppl.), 109–111. Kappeler A. 1982: Russlands erste Nationalitäten: das Zarenreich und die Völker der Mittleren Wolga vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Köln. Ders. 2001: Russland als Vielvölkerreich: Entstehung – Geschichte – Zerfall. München. ufacity.info (http://www.ufacity.info.) [Stand 16.6.2004]. www.ufaman.narod.ru. [Stand 16.6.2004].

(Michael Kempmann)

Anfang
Views
bmu:kk