Kasan (Stadt)

Kasan (russ. Kazanʹ, tatar. Qazan)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

K. befindet sich 800 km östlich von Moskau an der Wolga und ist die Hauptstadt der Autonomen Republik Tatarstan. Die Stadt liegt 69 m ü. d. M. und nimmt 412 km² ein.

Durch das gemäßigt kontinentale Klima herrschen in K. kalte Winter und heiße Sommer. Die Jahresmitteltemperatur in K. beträgt 3,7 °C. Der kälteste Monat ist der Januar mit durchschnittlich –13,1 °C und der wärmste Juli mit 19,4 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im Durchschnitt 542 mm.

Die 1.112.673 (2005) Einwohner K.s gehören 101 Nationalitäten an. Etwa die Hälfte sind Tataren, die zweitgrößte Gruppe sind Russen (ca. 40 %), es folgen die Tschuwaschen (4 %) und Ukrainer (1 %). Zu den am meisten verbreiteten Konfession zählen der Islam (die Tataren sind sunnitische Muslime) und das russisch-orthodoxe Christentum, auch zahlreiche protestantische Kirchen sind vertreten. Seit 1555 ist K. Erzbistum, seit 1989 unter dem Namen „Erzbistum von K. und Marij“.

Der K.er Flusshafen ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen der Ostsee und dem Weißen Meer sowie dem Schwarzen, dem Asowschen und dem Kaspischen Meer. In K. sind 40 % aller Industriebetriebe Tatarstans konzentriert. In der Sowjetzeit siedelte man überwiegend Rüstungsindustrie an, darunter eine große Flugzeugfabrik und eine ebenfalls große Hubschrauberfabrik. Mit dem Zerfall der Sowjetunion verlor dieser Industriezweig an Bedeutung. Gegenwärtig sind Erdölförderung und -verarbeitung die zentralen Industriefaktoren, wobei die Vorkommen jedoch langsam zur Neige gehen. Ebenfalls von Bedeutung ist der Maschinen- und Fahrzeugbau.

Bekannt ist K. zudem für seine zahlreichen Universitäten und Technischen Hochschulen, darunter die „K.er Staatliche Universität“ (Kazanskij gosudarstvennyj universitet), die „K.er Staatliche Technologische Universität“ (Kazanskij Gosudarstvennyj Technologičeskij Universitet), die „Staatliche Pädagogische Hochschule“ (Kazanskij Gosudarstvennyj Pedagogičeskij Universitet) und das „K.er Geistliche Seminar“ (Kazanskaja Duchovnaja Seminarija).

Anfang

2 Kulturgeschichte

Das erste Staatswesen im Gebiet um das heutige K. entstand gegen Ende des 9. Jh. in Gestalt des Reiches der muslimischen Wolgabulgaren. Die Stadt K. wurde wahrscheinlich von diesen 1177 gegründet. Mit dem Einfall der Goldenen Horde unter Dschingis Khan verloren die Wolgabulgaren im 13. Jh. ihre Unabhängigkeit. Der Niedergang der mongolischen Herrschaft führte 1393 zur Bildung des Khanats von K. (ca. 1437–1552) und des Krimkhanats. Unter Khan Ulu-Machmet wurde K. zur Namensgeberin und zur Hauptstadt des Khanats. Mitte des 15. Jh. entwickelte sich K. zu einem wichtigen Handels- und Handwerkszentrum. Die an Handelsrouten gelegene Stadt machte sich nicht nur durch den Bau prächtiger Paläste und Moscheen, sondern auch durch Lederwaren und Goldschmiedearbeiten einen Namen. 1552 eroberte Ivan IV. das Khanat von K. und gliederte es in die Moskauer Rus ein. K. brannte infolge der Kampfhandlungen vollständig ab. Ivan IV. ließ die Stadt zur Festung gegen Angriffe aus dem Osten ausbauen.

Das 17. Jh. war durch zahlreiche Katastrophen geprägt: Feuersbrünste 1672 und 1684 entvölkerten ganze Straßenzüge. Der Wiederaufbau der Stadt wurde bis zum Ende des Jahrhunderts abgeschlossen. 1708 erklärte Peter I. K. zur Hauptstadt des Gouvernements K.

In den 70er Jahren des 18. Jh. wurde K. zu einem Zentrum des Pugačëv-Aufstands (1773–75). Eine Feuersbrunst zerstörte zum dritten Mal große Teile der mehrheitlich aus Holz erbauten Stadt. Der Wiederaufbau K. erfolgte nach einem von Katharina II. autorisierten Generalplan. In einer Mischung aus östlicher und westlicher Architektur wurde das Stadtzentrum in Stein neu aufgebaut und die Straßen begradigt. K. entwickelte sich rasch wieder zu einem Handelzentrum für Porzellan, Keramik, Gewürze, Stoffe, Lederwaren, Wein und Früchte. Der Handel brachte Wohlstand in die Stadt.

1791 eröffnete das erste ständige Theater. Öffentliche und geistliche islamische Schulen (Medresen) wurden gebaut. In der ersten Hälfte des 19. Jh. hatte sich K. zum industriellen, Handels- und Kulturzentrum der Wolgaregion entwickelt. Adlige, wohlhabende Kaufleute und Vertreter der Kirche ließen prächtige Residenzen, Kathedralen und Moscheen errichten. Heute gibt es in der Stadt 33 Moscheen und 23 orthodoxen Kirchen.

Mit der Gründung der Tatarischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (TASSR) 1920 wurde K. deren Hauptstadt. Am 30.8.1990 erklärte die ASSR einseitig ihre Unabhängigkeit von Moskau. 1992 wurde die Republik Tatarstan mit der Hauptstadt K. ausgerufen.

Bukharaev R. 1995: Kasanʹ – The Enchanted Capital. London. http://www.kcn.ru/tat_ru/kazan/ [Stand 6.3.2006].

(Katharina Lieb)

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