Persisch

Persisch (Neupersisch); indoeuropäische Sprache aus dem südwestiranischen Zweig der Gruppe der iranischen Sprachen. Unter der wissenschaftlichen Bezeichnung Neup. werden alle zeitlichen und räumlichen Sprachvarietäten zusammengefasst, die seit dem 9. Jh. mit Hilfe eines modifizierten arabischbasierten Schriftsystems geschrieben und überliefert wurden. In einem weiteren Sinne umfasst das Neup.e auch die drei zeitgenössischen Sprachvarietäten, die in Iran unter der Bezeichnung P. (Eigenbezeichnung: zabān-i fārsī), in Afghanistan unter der Bezeichnung Dari (Eigenbezeichnung: zabān-i darī) und in Tadschikistan unter der Bezeichnung Tadschikisch (Eigenbezeichnung: zaboni toǧikī) den Status einer offiziellen oder Staatssprache besitzen und sich in ihrer schriftsprachlichen Form gleichermaßen auf die als fārsī, pārsī oder darī (<dar bzw. bār – „Hof“, für „Hofsprache“) bezeichnete Sprache der klassischen p.en Literatur beziehen.

Umgangssprachlich stehen die meisten p.en Dialekte Afghanistans dem Tadschikischen näher als der p.en Sprache Irans. Sprachgenetisch kann das Neup.e auf das Altp.e zurückgeführt werden, das in den Königsinschriften der Achämeniden vom 6. bis zum 4. Jh. v. Chr. bezeugt ist und in sassanidischer Zeit (224–651) in Form des Mittelp.en von der südwestiranischen Provinz Pārs (heute: Fārs) über die westlichen Gebiete des heutigen Afghanistans bis nach Mittelasien vordrang. Die Grenze zum Mittelp.en wird dabei v. a. durch die Übernahme der arabischen Schrift (ab ca. Mitte des 8. Jh.) im Zuge der arabischen Eroberung und Islamisierung markiert. Hinzu kommen einige morphologische Änderungen und zahlreiche lexikalische Erweiterungen, wobei in erster Linie eine große Masse arabischstämmigen Wortguts ins Auge fällt. Die Möglichkeit, bestimmte Verben durch einfache Kombination mit Nomina zu komplexen Verben umzubilden, war ein begünstigender Faktor bei der massiven Aufnahme arabischer Lexik. Seit dem 12. Jh. hält sich der Anteil von Arabismen am gesamten p.en Wortschatz je nach Textgattung bei ungefähr 50 %.

Das P.e kann als die erste Sprache gelten, die im Zuge der Islamisierung nicht durch das Arabische verdrängt wurde, sondern sich als eine weitere islamische Literatursprache neben dem Arabischen behaupten konnte. In Korpus, Status und Prestige wurde das P.e in einem solchen Maße an die Bedürfnisse islamischer Religion und Kultur angepasst, dass seine Kenntnis in weiten Teilen Asiens auch als Voraussetzung für die Annahme des islamischen Glaubens erschien. Damit trug das P.e wesentlich zur Internationalisierung des Islam bei. Flexionsarmut im Nominalbereich (das P.e kennt kein grammatisches Geschlecht und keine Kasusformen) haben die Etablierung des P.en als überregionale Lingua franca in Vorder-, Zentral- und Südasien zusätzlich begünstigt.

Auf dem Weg einer erfolgreichen Kombination von religiöser und sprachlicher Missionierung konnte sich das P.e und mit ihm die arabische Schrift ab dem 8. Jh. auch in Mittelasien verbreiten, wo es das Sogdische als bedeutendste vorislamische Literatur- und Verkehrssprache ablöste und viele andere ostiranische Idiome verdrängte, um sich vorerst noch außerhalb der vom Arabischen dominierten Bereiche von Theologie, Wissenschaft und Verwaltung als allgemeine Verkehrssprache durchzusetzen.

In Buchara und den angrenzenden Gebieten Chorasans (Iran, Turkmenistan, Afghanistan) erlebte die klassische persische Literatur zur Zeit der Sāmāniden (819–1005) in Gestalt einer ausgesprochen elaborierten Hofdichtung (Abū ʿAbd-allāh Ǧaʿfar Rūdakī u. a.) eine erste Blüte, die auch die spätere literarische Entwicklung in anderen Gebieten der p.sprachigen Welt maßgeblich prägen sollte. Das ›Šāhnāma‹ – „Königsbuch“ von Abū-l-Qāsim Firdawsī (10. Jh.) ist das berühmteste Zeugnis einer wieder auflebenden altiranischen Heldendichtung, womit das Prestige des P.en als Literatursprache auch außerhalb höfischer Kreise eine spürbare Aufwertung erfuhr.

In Form einer erzählenden Geschichtsschreibung (Taʿrīḫ-i Sīstān u. a., 11./13. Jh.) entwickelte sich auch eine p.e Prosasprache. Unter ihrer Vermittlung wurde später eine bedeutende Popularisierung der islamischen Wissenschaften ermöglicht. So konnte das P.e nach und nach auch die Domänen von Wissenschaft, Religion und Verwaltung erobern. Das von der „Fürstenspiegel“-Literatur inspirierte Siyāsatnāma – „Buch der Staatskunst“ von Niẓām ul-Mulk (11. Jh.) wurde z. B. zum wichtigsten Regierungshandbuch des islamischen Mittelalters. ʿUmar Ḫayyām (11. Jh.), Ǧalāl al-Dīn Rūmī, Farīd al-Dīn ʿAṭṭār, Ilyās b. Yūsuf Niẓāmī, Abū ʿAbd-allāh Saʿdī (12. Jh.), Šams al-Dīn Muḥammad Ḥāfiẓ (14. Jh.) u. a. trugen maßgeblich zur weiteren Entwicklung jener klassischen p.en Dichtung bei, die bis heute in der gesamten p.sprachigen Welt als gemeinsames Erbe und verbindendes Identifikationsglied angesehen wird.

In den ersten Jahrhunderten der islamischen Herrschaft konnte sich in Mittelasien das ostiranische Choresmische als frühe islamische Literatursprache neben dem P.en behaupten, während das P.e selbst zum Vorbild für die Islamisierung anderer Sprachen wurde. So entwickelte sich mit Beginn des 11. Jh. eine türkisch-islamische Schriftsprache, die sich ab dem 15. Jh. in Gestalt des Tschagataischen als eine mit dem P.en in Mittelasien konkurrierende Literatursprache etablieren konnte. Bis zum ausgehenden 19. Jh. musste das P.e besonders in den inzwischen zu Russland gehörenden städtischen Zentren Transoxaniens, kaum dagegen im Emirat von Buchara, immer mehr Domänen an turksprachige Idiome abtreten, ohne aber seine Stellung als Sprache des Glaubens zu verlieren.

Moderne Drucktechnik wurde für das P.e in Mittelasien erst später bedeutsam als für turksprachige Idiome, die durch die russische Herrschaft eine spürbare Aufwertung erfuhren: Während das Turki mit einer wöchentlichen Beilage der offiziellen russischen „Turkestanischen Zeitung“ (Turkestanskie vedomosti) bereits 1871 als Zeitungssprache etabliert wurde, erschien die erste persischsprachige Zeitung Transoxaniens („Edles Buchara“, Buḫārā-yi šarīf) erst 1912. Mittelasiatische Aufklärer (ʿAbd al-Raʾūf Fiṭrat, Ṣadr al-Dīn ʿAynī u. a.) legten im frühen 20. Jh. die Grundlagen für die Entwicklung einer modernen Prosasprache, die sich durch eine morphosyntaktische und stilistische Annäherung an die gesprochene Sprache von den Konventionen der etablierten Schriftsprache zu unterscheiden suchte.

Mit der Entwicklung des Tadschikischen in sowjetischer Zeit wurde die Funktion der p.en Sprache Mittelasiens weitgehend auf ihre Rolle als Primärsprache einer nach nationalen Kriterien definierten Sprechergemeinschaft reduziert. Seine frühere Stellung als dominierende islamische Literatursprache zeigt sich bis heute in einem durch islamische Religion und Kultur vermittelten Wortschatz arabisch-p.er Prägung, der mittelasiatische Sprachen unterschiedlichster genetischer Zuordnung miteinander verbindet. Im kaukasischen Raum wurden v. a. das Aserbaidschanische und Kurdische, in einem geringeren Umfang auch das Georgische und Armenische vom P.en beeinflusst. Baku und andere Städte Kaukasiens waren im ausgehenden 19. und frühen 20. Jh. bedeutende Zentren der p.sprachigen Aufklärung, die sowohl nach Iran wie auch nach Mittelasien ausstrahlte.

Fragner B. 1999: Die „Persophonie“. Regionalität, Identität und Sprachkontakt in der Geschichte Asiens. Berlin (=Anor 5). Lazard G. 1975: The Rise of the New Persian Language. Frye R. N. (ed.): The Cambridge History of Iran. IV: The Period from the Arab Invasion to the Saljuqs. Cambridge, 263–293. Rzehak L. 2001: Vom Persischen zum Tadschikischen. Sprachliches Handeln und Sprachplanung in Transoxanien zwischen Tradition, Moderne und Sowjetmacht (1900–1956). Wiesbaden. Schmitt R. 2000: Die iranischen Sprachen in Geschichte und Gegenwart. Wiesbaden.

(Lutz Rzehak)

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