Lappland

Lappland (finn. Lappi, norweg. Lapland, russ. Lapplandija, sam. Sapma, schwed. Lappland)

Inhaltsverzeichnis

1 Naturraum

L. erstreckt sich vom skandinavischen Hochgebirge (bis 2000 m ü. d. M. im Abisko-Nationalpark) nach Osten hin bis in die niedrige Wald- und Sumpflandschaft des russischen Nordens. Es ist von zahlreichen Seen und Flüssen durchzogen. Teile L.s sind durch Nationalparks (Sarek, Abisko u. a.) geschützt. Das Klima wird an der Küste von Ausläufern des Golfstroms günstig beeinflusst; die zentralen Hochflächen haben Kontinentalklima mit kurzem, warmem Sommer und extrem kaltem Winter. Im Norden herrscht Tundra mit Permafrostböden vor.

Politisch gehört L. zu Norwegen (Finnmark, Hauptstadt: Vadsø), Schweden (Västerbotten, Hauptstadt: Umeå; Norrbotten, Hauptstadt: Luleå), Finnland (Lappi, Hauptstadt: Rovaniemi) und Russland (Halbinsel Kola, Hauptstadt: Murmansk). Es erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 356.786 km² und zählt 1.804.300 Einw. (2002), davon im norwegischen Teil 48.637 km² mit 74.900 Einwohnern, im schwedischen Teil 55.401 km² (Västerbotten) und 98.911 km² (Norrbotten) mit 256.700 bzw. 258.100 Einwohnern, im finnischen Teil 98.937 km² mit 196.600 Einwohnern und im russischen Teil 144.900 km² mit 1.018.000 Einwohnern. Die größten Städte sind Kiruna (Eisenerzabbau), Luleå, Haparanda, Rovaniemi, Kemi, Jokkmokk, Arvidsjaur, Tornio, Pallastunturi, Malmberget, Gällivare, Inari und Kirkenes.

Die Ureinwohner L.s, die Samen (Eigenbezeichnung Samek – „Menschen“; veraltet: Lappen) stellen rd. 60.000 Einwohner, davon ca. zwei Drittel auf norwegischem und ein Drittel auf schwedischem, finnischem und russischem Staatsterritorium. Sie sprechen eigene, regional unterschiedliche Sprachen, die zur finnougrischen Sprachfamilie gehören. In Norwegen, Schweden und Finnland gehören die Samen der lutherischen Kirche, auf der Halbinsel Kola der russisch-orthodoxen Kirche an. Naturreligiöse Praktiken gewinnen in letzter Zeit wieder an Bedeutung. Die übrige Bevölkerung setzt sich aus Angehörigen des jeweiligen Staatsvolkes und weiteren Volksgruppen, meist finnougrischer Herkunft, zusammen.

Wirtschaftliche Grundlagen bilden die Holz- und Viehwirtschaft (Ren-, Pelztiere), seit dem 17. Jh. Bergbau (Eisen, Kupfer, Nickel, Nephelin, Apatit; heute in Kiruna, Malmberget, Kirkenes, Petsamo, Kirovsk, Nikel), in neuerer Zeit Wasser-, Gezeiten- und Kernkraftwerke und Fremdenverkehr. Die L.bahn und die Murmanbahn durchqueren L. auf skandinavischem bzw. russischem Territorium.

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2 Kulturgeschichte

L. ist vermutlich seit über 10.000 Jahren bewohnt. Die ältesten Belege samischer Besiedelung sind rund 2000 Jahre alt. Frühe schriftliche Nachrichten über L. und die samische Bevölkerung (Tacitus, Prokop, Paulus Diaconus, Ottar) finden sich zwischen dem 2. und 9. Jh. Zwischen dem 9. und 17. Jh. existierten Handelsverbindungen (Pelze, Fisch) mit Wikingern und Kaufleuten der Hanse. Der Fischreichtum und die günstigen Handelsmöglichkeiten führten zur verstärkten Einwanderung von Skandinaviern, Finnen und Russen ab dem 13. Jh.

Während sich Norweger, Karelier, Čudʹ und Novgoroder mit sporadischen Raub- und Kontributionszügen nach L. begnügten, wurde die Steuereintreibung im Schwedischen Reich durch Steuerpächter, die sog. Hälsingar und Birkarlar, regelmäßig durchgeführt. Diese unterteilten die Handels- und Steuergebiete in Einzugsgebiete (die „Lappmarken“ Kemi, Torne, Lule, Pite, Ume, Lycksele und Åsele), die sich entlang der großen Flüsse erstreckten und bis in die norwegischen Fjorde und an die Nordsee reichten. Die Steuerpächter selbst setzten sich an den Flussmündungen fest, wo später Küstenstädte entstanden. Da es keine Grenzverträge zwischen den Herrschern gab, wurden die Samen oft mehrfach besteuert und erpresst.

Mit der Etablierung der Wasa-Dynastie in Schweden (seit 1523) begann die Integration L.s durch Staat, Kirchenmission und Siedler. Die schwedische Krone versuchte, sich die Steuerpächter und ihre Einnahmen zu unterwerfen, indem sie eine „gerechte“ Steuer forderte, Kronvögte einsetzte und das Land in Steuerbezirke („Samendörfer“) einteilte. Im Kalmar-Krieg (1611–13) gegen Dänemark versuchte Schweden, alle „Lappmarken“ unter seine Herrschaft zu bringen, musste jedoch im Frieden von Knäred (1613) auf seine Ansprüche hinsichtlich der Küstenmarken verzichten.

Im Zuge der Kirchenmission wurden seit den 1680er Jahren rituelle Handlungen, heilige Plätze und Idole der Samen verboten und Zuwiderhandlungen scharf bestraft. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh. erschienen die ersten Lexika und Bibelübersetzungen in samischen Sprachen. Der Pastor von Karesuando, Lars Levi Læstadius (1800–61), bekämpfte den Alkoholismus unter den Samen, setzte sich aber auch für sie bei der schwedischen Regierung ein. Daneben interessierten sich mehr und mehr Pastoren wie auch Naturforscher (Carl von Linné u. a.) für die Natur und Kultur L.s.

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Die seit 1673 offiziell eingeleitete schwedische Kolonisation mit der Verleihung von Land-, Berg- und Wasserrechten sowie Steuerpachten an vor allem finnische Siedler („Kvänen“) führte zur massenhaften Flucht der Samen aus den Lappmarken. Für die verbleibende samische Bevölkerung stellte der Siedlerzustrom eine erhebliche Beschneidung ihrer Lebensgrundlagen dar. 1751 entstand im Rahmen des schwedisch-norwegischen Grenzvertrags ein Rechtsbezirk L., der die Samen zu Untertanen der jeweiligen Krone mit entsprechenden Rechten und Pflichten erklärte. Ein als Magna Charta der samischen Geschichte geltender „Zusatz“ (›Lappekodicillen‹) erlaubte eine grenzüberschreitende Rentierhaltung. Allerdings betrieb die schwedische Regierung gleichzeitig eine Politik der Konzentration, Separation, Umsiedlung und Sesshaftmachung der Samen.

Der Übergang Finnlands von Schweden an Russland 1809 und die norwegisch-schwedische Union von 1814 hatten für die Samen erhebliche Folgen. 1848 verabschiedete das norwegische Parlament einen Akt, der alles Land im äußersten Norden Norwegens (Finnmark) unter die Herrschaft der norwegischen Regierung brachte. Dadurch verloren die Samen ihre dortigen Besitzrechte. 1852 schloss die russische Regierung die Grenze zu Schweden-Norwegen für die Samen. Viele „norwegische“ Samen ließen sich daraufhin in Karesuando (Schweden) nieder und konnten von dort die Grenze nach Finnland passieren. 1889 sperrte Russland auch diese Grenze. Die Samen-Migration von Norwegen nach Schweden führte zu einer samischen Übervölkerung in Schwedisch-L., auf die die schwedische Regierung in den 1850er bis 1870er Jahren mit erneuten Umsiedlungs-, aber auch Schutzmaßnahmen (Reservate) reagierte. 1886 hob sie das individuelle Besitzrecht der Samen in Schweden auf und wandelte es in ein kollektives Nutzungsrecht um. Im Zuge der Auflösung der norwegisch-schwedischen Union von 1905 ließen die norwegische und schwedische Regierung den Bergsamen die Wahl, zu welchem Land sie gehören wollten. 1913 verabschiedete das norwegische Parlament einen „Eingeborenen-Land-Akt“, der den norwegischen Siedlern das beste Land in Nordnorwegen sicherte. 1913–20 schuf die schwedische Politik der Rassentrennung ein System des institutionellen Rassismus mit dem Verbot der samischen Sprache in den „Nomadenschulen“ und der Gründung eines rassenbiologischen Instituts in Uppsala.

Seit 1917 (erste Allsamische Konferenz in Trondheim) begannen die Samen in Norwegen, Schweden und Finnland, sich politisch zu organisieren und ein Netz eigener Institutionen aufzubauen. Die Regierungen betrieben in der Zwischenkriegszeit eine Verrechtlichungs- und Schutzpolitik und unternahmen weitere Versuche, die Samen sesshaft zu machen. Mit der UN-Erklärung der Menschenrechte von 1948 verbesserte sich die Situation der Samen deutlich. 1956 entstand die „Nordische Samen-Konferenz“, 1973 das erste Samen-Parlament. 1986 gaben sich die Samen eine eigene Flagge und Hymne. Ein 1987 erschienenes Gesetz sicherte den Erhalt der samischen Kultur. Gleichzeitig ging die Zurückdrängung samischer Interessen in Schweden und Norwegen aufgrund ökonomischer Erwägungen weiter. Die Rentierzucht wurde im 20. Jh. für viele Samen zum Nebenerwerb. Die schweren Verwüstungen lappländischer Gebiete während des Zweiten Weltkriegs (v. a. Finnmark und Nordfinnland) erforderte eine Evakuierung der samischen Bevölkerung in die südlichen Landesteile. In der Nachkriegszeit kehrte die Bevölkerung teilweise wieder zurück, teilweise wurde sie an anderer Stelle neu angesiedelt und sesshaft, weil die alten Lebensplätze nicht wieder aufgebaut werden konnten oder an die Sowjetunion abgetreten worden waren.

Im sowjetischen Teil L.s wurde nach der Oktoberrevolution von 1917 die Rentierhaltung verstaatlicht, die Samen verloren ihre Rentierherden und wurden zur Sesshaftigkeit gezwungen. Kontakte mit Samen im skandinavischen Teil L.s unterband Regierung in Moskau. Erst in den 1960er Jahren wurde die größte Samenpopulation der Sowjetunion, die Samen im Lovozero-Gebiet, von Wissenschaftlern entdeckt und erforscht – zu einem Zeitpunkt, als ein großer Teil von ihnen von Zwangsumsiedelungen, Alkoholismus, Selbstmord, beengten Wohnverhältnissen usw. betroffen war.

Collinder B. 1949: The Lapps. New York. Hætta O. M. 1994: Samene: historie, kultur, samfunn. Oslo. Kusmenko J. (Hg.) 2004: The Sámi and the Scandinavians. Aspects of 2000 years of contact. Hamburg. Seiwert W.-D. 2000: Die Saami. Indigenes Volk am Anfang Europas. Leipzig.

(Ralph Tuchtenhagen)

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