Ljubljana
Ljubljana (slowen., dt. [hist.] Laibach)
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1 Geographie
L. ist die Hauptstadt der Republik Slowenien mit 256.923 Einwohnern (2004) und zugleich Schnittpunkt bedeutender europäischer Verkehrswege: von Nordosten nach Südwesten verläuft die kürzeste Verbindung zwischen der Pannonischen Tiefebene und der Adria, und das Savetal verbindet das nordwestliche mit dem südöstlichen Europa. Die Stadt liegt auf 298 m ü. d. M. an den Flüssen Save und Ljubljanica am Südrand des sumpfigen „Laibacher Beckens“ (Ljubljanska kotlina). 73,8 % der Stadtbewohner sind Slowenen, die anderen v. a. Bosniaken, Kroaten, Montenegriner und Serben. Die Staatsbürger der ex-jugoslawischen Republiken stellen auch den Großteil der 15,9 % Ausländer (47, 1 % von ihnen kommen von Bosnien und Herzegowina, 21,9 % aus Kroatien, 19,9 % aus Serbien und Montenegro; 2002). Die Fläche der Stadt beträgt 274,99 km².
Klimatisch ist die Stadt der mediterranen Zone zuzurechnen. Die Sonnenscheindauer wird jedoch im Vergleich mit anderen mediterranen Gebieten durch den Nebel deutlich verkürzt. Die durchschnittliche Temperatur beträgt im Januar –1,1 bzw. 0,7 °C, im Juli 21,7 °C. Die Niederschläge konzentrieren sich auf die Monate Mai, Juni und November (Jahresdurchschnitt: 1326 mm). Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Dienstleistungssektor (v. a. im Handel und Transport). Fast ein Drittel des slowenischen Bruttoinlandprodukts wird in L. erwirtschaftet.
L. ist Sitz der Akademie der Wissenschaften und Künste, einer Universität (1919; 42.655 Studenten 2003), einer Erzdiözese, zahlreicher Bibliotheken, Forschungsinstitute (u. a. für Kernforschung), Museen sowie Archive und eines Messezentrums. Die bedeutendsten Wirtschaftszweige der Stadt sind die Elektro-, Nahrungsmittel-, Papier- und Textilindustrie sowie der Fahrzeugbau.
2 Kulturgeschichte
Der Drache im Stadtwappen geht auf eine Legende zurück, der zufolge der griechische Held Jason nach dem Raub des Goldenen Vlieses zur Quelle des Flusses Ljubljanica gelangt sei und dort einen Drachen im Kampf besiegt habe. Jason gilt demnach als legendärer erster Bewohner L.s, der Drache ist Symbol der Stadt.
Nachweislich gründeten die Römer um 34 v. Chr. am linken Ufer des Flusses Ljubljanica in verkehrsstrategisch günstiger Lage die Siedlung Emona bzw. Aemona). Reste der in einer Inschrift dokumentierten, 2,5 m breiten, 6–8 m hohen Stadtmauer sind im Stadtteil Mirje erhalten. Der die Stadt überragende Burghügel war zuerst von Kelten und Illyrern befestigt worden, und auch die Römer hatten hier nachfolgend einen Militärposten unterhalten. Die mittelalterliche Burg entstand wohl im 9. Jh., die erste urkundliche Erwähnung datiert von 1144. Das heutige Aussehen geht auf den Umbau nach dem Erdbeben 1511 zurück sowie auf Renovierungsarbeiten Anfang des 17. Jh. Seit der Mitte des 17. Jh. diente die Burg als Garnison und Gefängnis, heute ist sie kultureller Veranstaltungsort. 452 verwüsteten die Hunnen unter Attila die Siedlung, die im 7. Jh. von den Slawen wiederbesiedelt wurde. 1144 ist der Name Laibach, 1146 dann Luwigana dokumentiert. Die mittelalterliche Stadt erwuchs neben dem antiken Emona zwischen dem Burghügel und dem Fluss Ljubljanica. Sie wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 12. Jh. Markt und erhielt 1220 das Stadtrecht. 1335 fiel L. zusammen mit dem Herzogtum Krain an die Habsburger, wurde Sitz des Herzogtums und 1461 des Bischofs. Mit der Ausdehnung Österreichs nach Südosten ab der zweiten Hälfte des 15. Jh. infolge der Kriege gegen die Osmanen und Venezianer erlebte L. eine wirtschaftliche Blütezeit, profitierte v. a. vom Getreidehandel auf der Save. 1511 zerstörte ein schweres Erdbeben einen großen Teil der etwa 4000–5000 Einwohner zählenden Stadt. Im Zuge des Wiederaufbaus errichtete man erste Steinhäuser. In der zweiten Hälfte des 16. Jh. war L. das Zentrum der slowenischen Reformation. Ausdruck dessen ist die Errichtung einer Ständelateinschule (1533), der ersten Druckerei und der ersten öffentlichen Bibliothek (durch Primož Trubar) in der Stadt. Die Zeit des Barock setzte zahlreiche architektonische Akzente. Neben Kirchen (Nikolai- sowie Franziskaner- und Ursulinenkirche), Gebäuden (z. B. das Rathaus), Schloss- und Parkanlagen ist als herausragend der Brunnen mit Darstellungen der drei Krainer Flüsse (Save, Krka und Ljubljanica, 1751) von Francesco Robba zu nennen. 1693 bildete sich in L. nach italienischem Vorbild der wissenschaftliche Verein ›Academia operosorum Labacensis‹.Im 18. Jh. entfaltete sich ein intensiver Handel entlang der durch L. führenden Straße von Wien nach Triest; es entstanden erste Manufakturbetriebe. Die Stadt verdoppelte ihre Einwohner auf etwa 9400. Mit den „Laibacher Nachrichten aus allen Gegenden der Welt“ (›Lublanske Novice od vsih krajov celiga sveta‹) erschien 1797 die erste slowenischsprachige Zeitung der Stadt.
Von 1809-13 war L. Hauptstadt der napoleonischen „Illyrischen Provinzen“ (›Provinces Illyriennes‹). An den 1821 in L. stattgefundenen Kongress der Heiligen Allianz erinnert der Kongressplatz (Kongresni trg) im Zentrum der Stadt. Heute befindet sich am südlichen Ende des Platzes das Hauptgebäude der Universität – ursprünglich eine Fürstenresidenz (1898–1902) –, daneben der Sitz der slowenischen Philharmonie (1891) und der Sitz des ältesten slowenischen Verlagshauses (›Slovenska matica‹, gegr. 1864).
Nach 1848 war L. Mittelpunkt der slowenischen Nationalbewegung, die die Schaffung nationalen Bewusstseins unter den auf sechs Habsburger Kronländer verteilten Slowenen anstrebte. Der Übergang L.s von einer Stadt mit dt. Erscheinungsbild zur slowenischen Hauptstadt erfolgte allmählich in der 2. Hälfte des 19. Jh. Ab 1877 gelang es der slowenischen Volkspartei (›Slovenska ljudska stranka‹), sich in L. bei Landtags- und Reichratswahlen durchzusetzen. Ab 1881 war der Bürgermeister ein Slowene; 1883 wurde Slowenisch Amtssprache. Die Zahl der deutschsprachigen Bürger verringerte sich: Hatten 1880 noch 23 % der Bevölkerung Deutsch als ihre Umgangssprache angegeben, waren es 1910 (56.844 Einwohner) nur noch 14 %.
Für die im gesamten slowenischen Sprachgebiet nach 1867 gegründeten zahlreichen national orientierten Vereine wurde L. das Zentrum. Das 1821 begründete Nationalmuseum erhielt 1885 seinen ständigen Sitz in L. und stellt noch heute die wichtigste nationale Sammlung zur Vergangenheit der Slowenen und ihrer Vorfahren dar. Nachdem die Eisenbahnverbindungen Celje–L. (1849) und L.–Triest (1857) eröffnet wurden, begann sich L. zu einem industriellen Zentrum zu entwickeln. Von besonderer Bedeutung war die 1871 gegründete k. k. Tabakfabrik (2004 Tabakproduktion eingestellt).
Ein starker Modernisierungsschub fand nach dem schweren Erdbeben am 14.4.1895 statt, dem etwa ein Zehntel der Gebäude zum Opfer fiel. Der Wiederaufbau erfolgte nach den Plänen bedeutender Architekten, wie Maks Fabiani (1865–1962), Camillo Sitte (1843–1903) und Jože Plečnik (1872–1957).
Er schloss auch infrastrukturelle Modernisierungen ein: Wasserleitungen hatte es schon seit 1890 gegeben, die Elektrizität wurde 1897 eingeführt, die Kanalisation 1898 ausgebaut. Seit 1901 fuhr die Straßenbahn. Fabiani regte eine urbanistische Entwicklung innerhalb einer Umgehungsstraße (Miklošičeva und Prešernova) nach Vorbild des Wiener Rings an. Erste Jugendstil-Bauten wurden errichtet. Der Name der Drachenbrücke (Zmajski most), 1901 an der Stelle der früheren „Metzgerbrücke“ vom dalmatinischen Architekten Jurij Zaninović (1876–1946) erbaut, und ursprünglich nach Kaiser Franz Joseph benannt, leitet sich von den eisernen Drachen ab, die die Brückenköpfe zieren. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. entstanden weitere sezessionistische Bauten, v. a. im Viertel zwischen dem mittelalterlichen Stadtzentrum und dem Bahnhof. Von 1933 datiert der erste sichtbare slowenische Bezug auf die amerikanische Architektur dieser Zeit: Der Wolkenkratzer (Nebotičnik) des Architekten Vladimir Šubič (1894–1946). Plečnik machte neben Wien und Prag seine Heimatstadt L. zu seiner Hauptwirkungsstätte, mit deren Umgestaltung er 1925 begann. Es entstanden u. a. die Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie (1925–27, heute Sitz des Verfassungsgerichts), das Stadion (1925–35), das Gebäude der Versicherungsgesellschaft Triglav (1928–30), die Anlage des Tivoli-Parks (1929–34) und die Markthallen (1940–44). Von 1936 bis 1940 wurde nach Plečniks Plänen die National- und Universitätsbibliothek erbaut, in Form eines ungleichen Trapezes. Die verspielte Fassade kontrastiert mit dem ernsten, in dunklem Marmor aus Podpeč gehaltenen Inneren. Erwähnenswert sind auch die Brücke über das Flüsschen Gradaščica im Vorort Trnovo (1929–32) sowie die Schusterbrücke (Šuštarski most, 1931–32) und v. a. die Dreierbrücke (Tromostovje, 1929–31) über die Ljubljanica. Letztere besteht aus zwei Fußgängerbrücken, die Plečnik neben die ältere Brücke von 1842 baute. Als letztes großes Werk Plečniks gilt der Umbau des ehemaligen Deutschritterordensklosters Križanke (1951–56) zu einem Konzert- und Veranstaltungsort. In diesen Jahren entwarf er auch mehrere Denkmäler an den slowenischen Volksbefreiungskampf (1951–54). Sein Wohnhaus im Stadtteil Trnovo (1924–30) ist heute Sitz des Plečnik-Archivs und -Museums.Im Zweiten Weltkrieg war L. vom 3.5.1941 bis zum 8.9.1943 Zentrum der italienisch besetzten Provinz L. (›Provincia di Lubiana‹). Den Propaganda- und Sabotageaktionen der „Volksbefreiungsfront“ (Osvobodilna fronta) arbeiteten in L. sechs illegale Druckereien und eine Rundfunkstation (Kričač) zu.
Die Forschung vertritt heute den Standpunkt, dass die italienische Besatzungszeit im Vergleich zur nachfolgenden deutschen (von September 1943 bis Mai 1945) zunächst moderater war, jedoch mit Ausbruch des Partisanenkrieges im Juni 1941 an repressiver Härte gewann, bis hin zur Deportation eines Teils der Zivilbevölkerung in Lager (u. a. Gonars, Rab). Im Februar 1942 umgaben die italienischen Besatzer L. mit einem 30 km langen Stacheldraht und mit Bunkern (heute ist diese Strecke ein Wanderweg). Neben der Widerstandsbewegung scheint es auch einen nicht kleinen Anteil der slowenischen Bevölkerung gegeben zu haben, der mit den Besatzern kollaborierte. Am 8.5. übernahmen die kommunistischen Partisanen die Macht in der Stadt. Sie schloss die Verfolgung und Liquidierung zahlreicher politischer Gegner ein.
Im sozialistischen Jugoslawien war L. Hauptstadt der Teilrepublik Slowenien. Der Ausbau der Stadt erfolgte nicht mehr konzentrisch, sondern entlang der Ausfallstraßen. Die architektonische Gestaltung bestimmten slowenische Architekten aus der Schule von Le Corbusier. 1961 wurde der internationale Flughafen L.-Brnik eröffnet (1.048.238 Passagiere im Jahr 2004). Plattenbausiedlungen finden sich vorwiegend im Nordosten am Rande der Stadt.
Im Juni 1991 erfolgte auf die Bekanntgabe der Souveränität Sloweniens (26.6.1991) ein militärischer Angriff der jugoslawischen Armee. Der Krieg dauerte neun Tage. Mit der internationalen Anerkennung Sloweniens im Januar 1992 avancierte L. zur Hauptstadt des neuen selbständigen Staates.
Gestrin F. (Hg.) 1984: Zgodovina Ljubljane: prispevki za monografijo, Ljubljana.