Prokesch von Osten, Anton Franz
Prokesch von Osten, Anton Franz, * 10.12.1795 in Graz, † 26.10.1876 in Wien, österreichischer Militär, Diplomat und Gelehrter.
P., einer der wohl bekanntesten Orientalisten in der Geschichte der Habsburgermonarchie, trat – nachdem er schon im Alter von 16 Jahren Vollwaise geworden war – 1815 in die österreichische Armee ein, in deren Reihen er an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teilnahm; u. a. diente er als Ordonnanzoffizier des Erzherzogs Karl von Österreich. Nach Kriegsende stand P. in engem Kontakt zu Feldmarschall Fürst Schwarzenberg, den er auch nach Leipzig begleitete, wo Schwarzenberg verstarb. Bald darauf lernte P. Johann Wolfgang von Goethe kennen, erhielt jedoch schon 1821 eine Kommandierung zur Kartographierung im Karpatengebiet.
Nach weiterer Verwendung in Triest meldete sich P. zum Dienst im österreichischen Marineverband in der Levante, von wo aus er immer wieder inoffizielle Berichte nach Wien schickte, die auch Staatskanzler Metternich vorgelegt wurden. In die Zeit, die P. in der Levante verbrachte, fielen etwa der Unabhängigkeitskampf der Griechen und der Aufstieg des ägyptischen Gouverneurs Mehmed Ali. P. besuchte die Ionischen Inseln, Alexandria, Athen, Rhodos, Smyrna und zahlreiche andere Orte des Vorderen Orients und entwickelte sich nicht zuletzt dadurch zum versierten Kenner dieses Gebietes. 1830 erfolgte P.s Erhebung in den Ritterstand (Prädikat „von Osten“) und die Auszeichnung mit dem Leopold-Orden.
1831/32 war P. in diplomatischer Mission in Bologna und Rom eingesetzt, bevor er 1833 nach Ägypten und 1834 nach Athen entsandt wurde, wo er als erster österreichischer Gesandter am griechischen Königshof tätig war. In Athen verblieb P. bis 1849, als ihn Felix Fürst Schwarzenberg als Gesandten nach Berlin versetzte. 1853 erfolgte die Ernennung zum Präsidialgesandten am Bundestag in Frankfurt und 1855 die Versetzung als Internuntius nach Konstantinopel. Während seiner 16jährigen Tätigkeit am Hofe des Sultans geriet P. vielfach in Konflikt mit der Wiener Bürokratie, in der er kaum Verständnis für seine Sicht des Orients und seine Forderung nach Akzeptanz der orientalischen Kultur fand. Diese Differenzen, vermutlich gepaart mit Intrigen im Außenministerium, führten 1872 zur Abberufung P.s aus Konstantinopel. Vom Sultan erhielt P. aus diesem Anlass den eigentlich nur für die Verleihung an Osmanen vorgesehen Osmanié-Orden in Brillanten, von Franz Joseph I. wurde P. der erbliche Grafenstand zugesprochen. Ab 1873 unternahm P. mehrere Reisen nach Frankreich, Italien, Spanien und Nordafrika, bevor er im Herbst 1876 in Wien verstarb.
P. zeichnete sich nicht nur durch eine langjährige diplomatische Tätigkeit aus: Er ist auch als Numismatiker, Ägyptologe, Archäologe, Epigraphiker, Geograph, Religionswissenschaftler und Schriftsteller in die Annalen eingegangen. Zu seinen wichtigsten Werken zählen „Erinnerungen aus Aegypten und Kleinasien“ (Wien 1829–31) und die sechsbändige „Geschichte des Abfalls der Griechen vom Türkischen Reiche“ (Wien 1867).
Bertsch D. 2005: Anton P. (1795-1876). München (= Südosteuropäische Arbeiten 123). Engel-Janosi F. 1938: Die Jugendzeit des Grafen P. Innsbruck. Omar M. A. 1993: Anton Prokesch-Osten. Frankfurt a. M. (= Studien zur Geschichte Südosteuropas 11).