Sachalin (Insel)
Sachalin (russ., Ainu: Krafto, chines. hist. Kǔyí bzw. Kùyè, später Shèngwǔjì, japan. hist. Karafutō)
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1 Geographie
S. ist die größte russische Insel an der Ostküste Asiens. Sie weist eine Nord-Süd-Ausdehnung von 948 km auf und ist 24–160 km breit. Auf 74.859 km² leben 507.000 Einwohner (2005). Hauptort ist Južno-Sachalinsk.
Verwaltungsmäßig bildet S. mit den Kurilen das Gebiet S. Vom russischen Festland ist die Insel durch den bis zu 7,3 km engen Tatarensund (russ. Tatarskij proliv), von der japanischen Insel Hokkaidō durch die La-Pérouse-Straße (japan. Sōya-kaikyō, russ. proliv Laperuza) getrennt. Im Norden und Osten wird sie vom Ochotskischen Meer umspült. Zwei Drittel der Insel haben gebirgigen Charakter, im nördlichen Teil der Insel erstreckt sich eine z. T. versumpfte Tiefebene. Der mittlere und südliche Teil der Insel wird von zwei parallel verlaufenden Gebirgsketten in Nord-Süd-Richtung durchzogen. Die „Wests.er Berge“ (russ. Zapadno-Sachalinskij chrebet) erreichen eine Länge von 600 km und eine maximale Höhe von 1330 m. Die „Osts.er Berge“ (russ. Vostočno-Sachalinskij chrebet) erstrecken sich über eine Länge von 280 km und erreichen Höhen bis zu 1608 m. Die größten Flüsse der Insel sind Tymʹ und Poranaj.
Das Klima steht unter Monsuneinfluss. Die durchschnittliche Januartemperatur liegt zwischen –24 °C (Norden) und –13 °C (Süden), im Juli erreichen die Temperaturen 13 °C (Norden) bis 16 °C (Süden). Die Niederschläge erreichen in den Bergen durchschnittlich 1200 mm pro Jahr, in den Niederungen 600 mm.
87 % der Insel sind von Wald bedeckt. Im Norden dominiert die Lärchentaiga, in den zentralen Teilen Fichten- und Tannenwälder, in den Bergen die Steinbirke. Die Flüsse und Küstengewässer weisen sehr reiche Fischgründe an Lachsen, Tintenfischen, Krabben und Krebsen auf; vor der Küste S.s befinden sich die Nahrungsgründe der letzten hundert Westpazifischen Grauwale. In den Wäldern leben Bären, Füchse, Vielfraße, Zobel, Hirsche sowie zahlreiche, auch seltene Vogelarten. An der Westküste wird Stein- und Braunkohle gefördert. Vor der Nordwestküste S.s gibt es bedeutende Erdöl- und Erdgasvorkommen, die auf insgesamt 700 Mio. t Öl und 2500 Mrd. km³ Gas geschätzt werden. Von sechs geplanten Förderprojekten (Sachalin 1-6) sind zwei teilweise umgesetzt.
2 Kulturgeschichte
Die von Ainu, Niwchen und Ewenken bewohnte Insel wurde im 17. Jh. zunächst von Chinesen, 1643 vom holländischen Seefahrer Maarten Gerritsz. de Vries und kurze Zeit später von den russischen Kosaken Vasilij D. Pojarkov (1646) und AVladimir V. Atlasov (1697) erreicht. Bis Ende des Jahrhunderts entstanden erste russische Siedlungen auf der von China beanspruchten Insel, dessen Oberhoheit im russisch-chinesischen Grenzvertrag von Nerčinsk 1689 festgeschrieben wurde. Im Verlauf des 19. Jh. erhob jedoch nicht nur Russland, sondern auch Japan Anspruch auf die für sie wirtschaftlich und militärstrategisch interessante Insel. 1845 erklärte Japan seine Oberhoheit über S. Seit 1855 teilten sich beide die Verwaltung der Insel und trieben in der Folgezeit deren Kolonisierung weiter voran. Es wurden Kohleminen und Militärbasen errichtet. 1857 wurde auf S. u. a. eine russische Strafkolonie gegründet, die bis 1904 Bestand hatte. In dieser Zeit besuchte der Schriftsteller und Arzt Anton Tschechow die Insel und verfasste den Roman „Die Insel Sachalin“ (Ostrov Sachalin, 1894), in dem er das Leben auf der Insel und die Situation der Strafgefangenen schilderte.
1875 verzichtete Japan im Vertrag von St. Petersburg auf S. und erhielt dafür die Kurilen. Nach Beendigung des Russisch-Japanischen Krieges 1905 wurde S. im Frieden von Portsmouth zwischen Japan (dem der südliche, bis zum 50. Breitengrad reichende Teil zufiel) und Russland aufgeteilt. Während des russischen Bürgerkrieges wurde der Nordteil der Insel von der Weißen Armee, und anschließend von Japan (bis 1925) besetzt. Nach schweren Kämpfen im August 1945 wurde die Insel durch die Sowjetunion erobert. Mit dem In-Kraft-Treten des Friedensvertrags von San Francisco am 28.4.1952 verzichtete Japan auf seinen Anspruch auf S., ohne jedoch die russische Souveränität über die Insel formell anzuerkennen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion gehört die Insel zu deren Rechtsnachfolger, der Russischen Föderation. S. galt bis 1991 als militärisches Sperrgebiet und konnte nur mit spezieller Genehmigung betreten werden.
1983 wurde in der Nähe von S. eine Boeing 747 der ›Korean Air Lines‹, die aus ungeklärten Gründen den sowjetischen Luftraum verletzt und einige streng geheime Militärstützpunkte des sowjetischen Militärs überflogen hatte, von einer sowjetischen Luft-Luft-Rakete abgeschossen. Dabei kamen alle 269 Passagiere ums Leben.
Am 28.5.1995 wurde S. von einem Erdbeben der Stärke 7,5 erschüttert. Die Stadt Neftegorsk wurde dabei zerstört, von den 3200 Einwohnern überlebten nur 875.
Ende Januar 2006 kam S. in die Schlagzeilen als 312 S.er Eisfischer in Lebensgefahr gerieten, weil sich eine riesige Platte des Packeises gelöst hatte und aufs Meer hinausgetrieben war.
Seit den politischen und wirtschaftlichen Veränderungen im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion sind die Inselbewohner noch mehr auf sich gestellt als vorher und vom Zentrum des Landes isoliert. Wesentlich hierfür sind die gestiegenen Flugkosten für den Personen- und Warenverkehr. Zunehmend werden die wirtschaftlichen Verflechtungen mit den Nachbarn im pazifischen Wirtschaftsraum intensiver. Die wirtschaftliche Zukunft wird in dem Export von Energieträgern gesehen. Bereits heute engagieren sich v. a. die USA, aber auch Japan und China bei der Erdölgewinnung vor der Küste S.s.
Der russische und japanische Einfluss spiegeln sich bis in die Gegenwart in der Architektur und dem kulturellen Angebot der Insel wieder.
Tschechow A. 1974: Die Insel Sachalin. Zürich. sakhalin (http://www.sakhalin.ru) (Stand 10.3.2006).