Pommerellen (Landschaft)
Pommerellen (auch: Kleinpommern, Pomerellen; kaschub. Pòrénkòwô Pòmòrskô; latein. Pomerania parva; poln. Pomorze Gdańskie, auch: Pomorze Wschodnie, Pomorze Nadwiślańskie)
Bei P. handelt es sich um die alte Landschaftsbezeichnung für den Landstrich zwischen der pommerschen Grenze (Pommern) im Westen (d. h. der Ostgrenze des Heiligen Römischen Reiches und später auch des Deutschen Bundes oder des Deutschen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg) und der Weichsel im Osten, bzw. der Ostsee im Norden und etwa der Netze im Süden.
Dieses Gebiet gehörte seit dem späten 10. Jh. mal in festerer, mal in loserer Bindung zum jungen polnischen Staatswesen. Nach dem Tode Bolesławs III. Krzywousty („Schiefmund“, 1107–38) zerfiel das polnische Reich in mehrere Teilfürstentümer. Dem Fürstentum P. gelang es 1227 unter seinen Herrschern aus dem Geschlecht der Samboriden (poln. Sobiesławicze), sich von Polen zu lösen und zu einem faktisch selbständigen Herzogtum aufzusteigen. Ein letztes Bindeglied stellte die Zugehörigkeit zum Bistum Włocławek (dt. hist. Leslau) dar. Erbstreitigkeiten innerhalb des samboridischen Hauses riefen die Nachbarn Brandenburg, das polnische Teilfürstentum Großpolen und den aufstrebenden Deutschordensstaat Preußen auf den Plan.
Ein böhmisches Intermezzo wirkte als Katalysator: König Wenzel (Václav) II. von Böhmen (1283–1305) eroberte um 1300 nahezu alle polnischen Fürstentümer und auch P., unterstützt vor der dortigen Geistlichkeit und der mächtigen Familie der Swenza/Swenzonen (poln. Święca). Gegen auswärtige Bedrohungen sollte ein Bündnis Wenzels mit dem Deutschen Orden schützen, doch schon 1305 tauschte Böhmen seinen pommerellischen Besitz mit Brandenburg gegen dessen Rechte in Meißen. Der Tod Wenzels II. und die Ermordung seines Sohnes, Wenzels (Václav) III., im Folgejahr 1306 änderten die Lage erneut. Nun waren das böhmische Könighaus erloschen und seine Herrschaft über Polen endgültig beendet.
Władysław I. Łokietek („Ellenlang“, 1305–33), als großpolnischer Fürst von Wenzel II. verjagt, hatte mit ungarischer Hilfe schon Kleinpolen erobert. Er rückte Ende 1306 in P. ein und stürzte die Swenzonen von der Höhe ihrer Macht, die ihrerseits den Markgrafen Waldemar von Brandenburg (1308–19) zu Hilfe riefen. So besetzten dessen Truppen im Sommer 1308 die wichtigsten Punkte.
Die Stadt Danzig (Gdańsk) öffnete ihm – anders als die Burg Danzig – freiwillig die Tore. Diese Burg wurde nun belagert und rief, da sie von Władysław Łokietek keine Unterstützung erhielt, den Deutschen Orden herbei, der die Burg entsetzte, bis zur Begleichung seiner Unkosten in Pfand nahm, ihre Besatzung hinauswarf und Danzig und ganz P. eroberte. Die Stadt ist dabei wohl kaum völlig zerstört worden, doch beweist das Fehlen von Danziger Überlieferung aus der Zeit vor 1309, dass es zu Zerstörungen und dem damit verbundenen Verlust von städtischen Urkunden gekommen sein muss. Brandenburgische Ansprüche auf P. löste der Orden durch Geldzahlungen ab (Vertrag von Soldin 1309), und auch weitere Ansprüche Dritter wusste der Deutsche Orden nach und nach zu erwerben, alle Ansprüche bis auf die polnischen. Polen, seit 1320 wieder und nun endgültig Königreich, hat sich mit der Situation nie abgefunden. Hier wurde ein Gegensatz zwischen Polen und dem Ordensstaat geschaffen, den es zuvor nicht gab und der zum Untergang des Ordens in Preußen führen sollte.
P. wurde zu einem Teil des Ordensstaates Preußen, zu einem Teil aber, der sich durch ethnische und soziale Struktur und durch die Kirchenorganisation vom Ordensland östlich der Weichsel unterschied. In P. gab es einen grundbesitzenden autochthonen, d. h. hier slawischen, Adel, während die prußischen, d. h. baltischen, Strukturen im Osten vom Orden zerschlagen worden waren. Entsprechend gehörte das „alte“ Ordensland zum baltischen Erzbistum Riga, während P. auch nach 1309 beim Erzbistum Gnesen (Gnieżno), genauer gesagt bei dessen Suffragan Włocławek verblieb. Ebenso fand der Deutsche Orden in diesem bereits christianisierten Land Niederlassungen anderer grundbesitzender Orden vor, so z. B. die großen Zisterzen Oliva (Oliwa) und Pelplin, mit denen er sich abfinden musste.
Nach dem Zweiten Thorner Frieden 1466 bürgerte sich für P. der Namen Preußen königlichen Anteils, später wurde es dann Westpreußen, heute Teil der Woiwodschaft Pommern.
Boockmann H. 1992: Ostpreußen und Westpreußen. Berlin (=Deutsche Geschichte im Osten Europas 1). Labuda G. (Hg.) 1969-2002: Historia Pomorza. Bde. I–IV.2. Poznań. Opgenoorth E. (Hg.) 1994-97: Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens. Bd. II/1-IV, Lüneburg (=Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 10).