Gelibolu (Stadt)

Gelibolu (türk., altgriech. Kallipolis, auch: Kallioupolis, ital. hist. Gallipoli, latein. Callipolis)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

G. ist eine Hafenstadt am nördlichen Eingang der Dardanellen an der Ostküste der Halbinsel G. Gelibolu (Halbinsel). im europäischen Teil der türkischen Provinz Çanakkale. G. hat 23.172 (2000) Einwohner. Über die ethnische Zusammensetzung gibt es keine offiziellen Zahlen. Die mittlere Temperatur im Januar beträgt 6,1 °C, im Juli 24,5 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge beläuft sich auf 630 mm. G. hat heute einen Fischereihafen und ist Marinestützpunkt sowie landwirtschaftliches Handelszentrum. Autofähren verkehren regelmäßig von G. aus in Richtung Lapseki.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Seit dem 3. Jh. v. Chr. belegt, war G. in der Antike ein untergeordneter Brückenkopf des auf der asiatischen Seite gegenüberliegenden Lampsakos (altgriech., türk. heute Lapseki), der im Verlauf der Geschichte wiederholt strategische Bedeutung hatte. 209 v. Chr. eroberte Philipp V. von Makedonien G. 324 n. Chr. kam es hier zum Seesieg des Caesars Crispus über den Kaiser Licinius.

Aufschwung nahm G., nachdem Konstantinopel zur Hauptstadt des Oströmischen Reiches geworden war; G. wurde zur Hauptfestung der Dardanellen und wichtigster Übergangspunkt von Europa nach Asien. Die Stadt war seit dem 5. Jh. Bischofssitz, und im 6. Jh. ließ Kaiser Justinian I. sie zu einer Grenzfestung ausbauen. Im Mittelalter war G. ein wichtiger Stapelplatz für den byzantinischen, venezianischen und genuesischen Handel. 1204–35 stand G. unter der Herrschaft Venedigs; 1235 eroberte der byzantinische Kaiser Iōannēs III. Doukas Vatatzēs die Stadt zurück; im gleichen Jahr unterzeichneten Iōannēs III. und der bulgarische Zar Ivan II. Asen in G. einen Bündnisvertrag.

1294 siegte bei G. ein genuesisches Heer über Venedig. 1304–07 setzte sich eine katalanische Söldnertruppe (›Companyia Catalana‹) fest. 1312 wurde eine Gruppe vor G. verschanzter türkischer Söldner von den Byzantinern geschlagen. 1354 zerstörte ein Erdbeben G., kurz darauf besetzten die Osmanen die Stadt und bauten sie wieder auf. 1366 eroberte ein Heer unter Graf Amadeus VI. von Savoyen G. für das Byzantinische Reich zurück, aber Kaiser Andronikos IV. Palaiologos musste die Stadt 1376 wieder an die Osmanen abtreten. Ab 1391 wurde G. unter Sultan Bāyezīd I. zu einer stark befestigten Flottenbasis ausgebaut, die trotz des Seesiegs Venedigs (1416) bis 1515 Bestand hatte. Im Krimkrieg 1854/55 landeten britische und französische Truppen in G. 1912 zerstörte wiederum ein schweres Erdbeben die Stadt. Während des Ersten Weltkrieges wurden weite Teile von G. vernichtet.

Im 16. Jh. siedelten sich sephardische Juden in G. an, wo sie schon auf eine Gruppe griechisch sprechender Juden trafen. 1914 betrug ihre Zahl im Kreis G. 2580, in den 1990er Jahren zählte man noch 3 Personen. In G. soll der Seefahrer Pīrī Reīs, Schöpfer der berühmten Weltkarte, Ende des 15. Jh. geboren worden sein.

Besondere Sehenswürdigkeiten sind der viereckige, aus byzantinischer Zeit stammende Festungsturm, der unter den Osmanen als Gefängnis diente, und der 1407 errichtete Gebetsplatz unter freiem Himmel (›Azebeler Namazgahı‹). In der Altstadt finden sich neben mehreren Moscheen alte osmanische Holzhäuser und Grabhäuser (›Türbe‹).

(Maik Ohnezeit)

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