Triest (Frage)

Triester Frage

Am 1. und 2.5.1945 besetzten fast gleichzeitig militärische Einheiten Titos und britische Truppen, die von italienischen Partisanen unterstützt wurden, gegen deutschen Widerstand Triest, das seit 1943 offiziell von Jugoslawien beansprucht wurde. Während der sog. „Vierzig Tage“ (1.5.-12.6.1945), in denen jugoslawische Truppen die Stadt beherrschten, kam es zu Massenverhaftungen und zur blutigen Abrechnung mit Faschisten und Kollaborateuren, aber auch mit den Gegnern eines Anschlusses von Triest und Julisch Venetiens (ital. Venezia Giulia, slowen. Julijska Krajina) an das sozialistische Jugoslawien, darunter selbst Antifaschisten. Briten und Amerikaner betrieben ihrerseits eine rigoros antikommunistische Politik. Nach scharfen diplomatischen Auseinandersetzungen, die zeitweise in militärischen Aktionen zwischen britischen und amerikanischen Kräften einerseits sowie Tito-Einheiten andererseits überzugehen drohten, kam der Großteil Julisch Venetiens östlich der Morgan-Linie als Zone B unter jugoslawische und die Zone A mit Triest und der Enklave Pula (kroat., ital. Pola) unter alliierte Militärverwaltung (9.6.1945). Im Friedensvertrag mit Italien (10.2.1947) wurde Julisch Venetien zwischen Jugoslawien und Italien aufgeteilt und ein Freies Territorium Triest (FTT) entlang der Küste zwischen Monfalcone und Novigrad (kroat., ital. Cittanova) eingerichtet, unter Beibehaltung der Zonen A und B. Die jugoslawisch-italienische sowie die Zonengrenze im FTT wurden Teil des Eisernen Vorhangs. Wegen anhaltender Konflikte sowohl zwischen den Westmächten und Jugoslawien, das noch von der Sowjetunion unterstützt wurde, zwischen der italienischen und slowenisch-kroatischen Bevölkerung, zwischen Demokraten und Kommunisten (die italienischen Kommunisten unterstützten bis zum Bruch zwischen Tito und Stalin 1948 den Anschluss Julisch Venetiens an das kommunistische Lager, also an Jugoslawien), bestand das Freie Territorium nur auf dem Papier und blieb de facto weiterhin geteilt in Zonen A und B. Um die starke kommunistischte Partei Italiens zu schwächen, bekundeten die drei alliierten Westmächte am 20.3.1948, vor den italienischen Parlamentswahlen, ihre Absicht, das FTT Italien zu übergeben. Als am 28.6.1948 Tito aus dem Sowjetblock ausgeschlossen wurde u. sich dem Westen zu nähern begann, zeichnete sich bereits die endgültige Teilung des FTT auf Italien und Jugoslawien ab. Stark differierende Vorstellungen über die Grenzziehung und den Status des Triester Hafens verursachten italienischen irredentistischen Terror, der sich v. a. gegen die britisch-amerikanische Militärverwaltung richtete. Jugoslawien übte seinerseits Druck auf die italienische Bevölkerung aus und verstärkte damit die anhaltende Fluchtbewegung der Italiener aus Istrien. Die Gegensätze mündeten Ende August 1953 in militärische Drohgebärden zwischen Jugoslawien und Italien. Sie erreichten ihren Höhepunkt, als am 8.10.1953 die USA und Großbritannien einseitig ihre Militärverwaltung für beendet erklärten und die Zone A Italien überantworteten. Tito sah sich brüskiert und Italien wollte nicht endgültig auf die Zone B des FTT verzichten. In langwierigen britisch-amerikanischen Verhandlungen zuerst mit Jugoslawien und dann mit Italien konnte schließlich (4.10.1954) ein Kompromiss erzielt werden. Die Zone A des FTT mit Triest fiel, mit kleinen Grenzkorrekturen zugunsten Jugoslawiens, an Italien, die Zone B an Jugoslawien. Damit war ein gefährlicher Konfliktherd des Kalten Krieges beseitigt, und die italienisch-jugoslawische Grenze wurde bald zu einer der offensten des Eisernen Vorhangs. Zur vollen Wiedererrichtung der nationalen Souveränität in den beiden Zonen führte allerdings erst 1975 der Vertrag von Osimo zwischen Italien und Jugoslawien.

(Sabine Rutar)


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