Trabzon
Trabzon (türk., altgriech. Trapezous, hist. Trapezunt); zwischen Pontischem Gebirge und Schwarzem Meer gelegene Hafenstadt, Hauptstadt der gleichnamigen türkischen Provinz, mit 227.428 vorwiegend sunnitischen Einwohnern (2003).
Die Ursprünge T.s liegen im Dunkeln. Xenophon berichtet in seiner ›Anabasis‹, die Stadt sei 756 v. Chr. von milesischen Kolonisten gegründet worden. Gesichert ist jedoch nur, dass T. zu Lebzeiten des Verfassers Ende des 5. Jh. v. Chr. als griechische Stadt existierte und von Sinopē (heute türk. Sinop) abhängig war. Der Name T. geht auf altgriech. trapeza (= Tafel) zurück und bezieht sich auf den terrassenförmigen Hügel, auf dem die antike Stadt gegründet wurde. Ihre Bedeutung verdankte T. v. a. dem Abbau von Gold, Kupfer und Silber im Pontischen Gebirge und ihrer Rolle als Warenumschlagplatz am Ausgang einer bedeutenden Handelsstraße, die vom Schwarzen Meer nach Persien und Zentralasien führte. 64 annektierte der römische Feldherr Pompeius T. und machte es zum wichtigsten Flottenstützpunkt des Römischen Reiches an der pontischen Schwarzmeerküste. T. erhielt den Status einer „freien Stadt“; eine 200jährige Blütezeit begann. Der Reichtum T.s provozierte Mitte des 3. Jh. einen Plünderungszug der Goten, von dem sich die Stadt aber bald erholt zu haben scheint, denn sie blieb Garnison der I. Pontischen Legion.
Zur Zeit Kaiser Diokletians (284–305) breitete sich durch die Mission des späteren Märtyrers Eugenios, der ab dem 9. Jh. zum Schutzheiligen der Stadt werden sollte, das Christentum aus. Im 6.–7. Jh. war T. ein bedeutender byzantinischer Militärstützpunkt, unter Justinian wurden die Mauern der Zitadelle neu befestigt und ein Aquädukt errichtet. Unter Leōn III. (717–41) wurde T. einer der drei Hauptorte des neu geschaffenen militärischen Verwaltungsbezirkes (altgriech. Thema) Chaldia. Im 9. Jh. war T. wichtiger Knotenpunkt des Handels zwischen der Kaukasusregion, der Krim und Byzanz. Nach der Niederlage des byzantinischen Heeres bei Manzikert (heute türk. Malazgirt) 1071 gegen die Seldschuken, die den Verlust der byzantinischen Herrschaft in weiten Teilen Kleinasiens zur Folge hatte, konnte sich in T. unter dem Statthalter Theodoros Gabras ein Außenposten behaupten. Noch vor der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204 bemächtigte sich Alexios I. Komnēnos (1204–22) mit Unterstützung der georgischen Königin Tamar der Stadt T. und errichtete eine eigene Herrschaft. Bis 1461 war T. Hauptstadt des gleichnamigen Kaiserreiches, das die Küste Nordanatoliens von der Mündung des Flusses Çoruh bis Amisos (Samsun), sowie zeitweise auch die Südküste der Krim umfasste. 1244 blieb T. unberührt vom Eroberungszug der Mongolen in Zentral- und Südanatolien. Unter mongolischer Oberhoheit (›Pax Mongolica‹) erlebte die Handelsstadt T. im 13. und 14. Jh. eine weitere Blütezeit.
Die Lage der Stadt am Schnittpunkt verschiedener Reiche spiegelte sich auch in der Hofkultur wieder, die neben byzantinisch-georgischen, persische und islamische Einflüsse aufwies. In Folge des 1261 geschlossenen Vertrags von Nymphaion, in dem der byzantinische Kaiser Michaēl VIII. Genua ein Handelsmonopol in der Schwarzmeerregion gewährte, etablierte sich in T. eine genuesische Kolonie. 1319 erhielt Venedig innerhalb der Stadt die gleichen Privilegien. Während der Erbfolgestreitigkeiten nach dem Tod Alexios II. (1297–1330) wurden Stadt und Reich 1340–56 mehrfach verwüstet und geplündert; 1347 suchte eine Pestepidemie T. heim. 1461 ergab sich die Stadt gegen freien Abzug an Meḥmed II. und wurde Teil des Osmanischen Reiches.
T. erhielt eine Janitscharengarnison und wurde Hauptstadt eines gleichnamigen paşalıḳs. Unter den ersten Sultanen diente T. als Operationsbasis für den iranischen und kaukasischen Raum und erfreute sich bis ins 18. Jh. einer wirtschaftlichen Blüte. Infolge der politischen Auseinandersetzungen zwischen der Reichszentrale und lokalen Machthabern begann Ende des 17. Jh. der wirtschaftliche Niedergang der Stadt, dem jedoch u. a. nach der Einrichtung einer Dampferlinie 1836 ein neuerlicher Aufschwung folgte.
Im Ersten Weltkrieg wurde T. 1916–18 von russischen Truppen besetzt. 1923 kam es in Folge des in der Konvention von Lausanne festgesetzten Bevölkerungsaustausches zwischen Griechenland und der Türkei zur Vertreibung der griechischen Einwohner der Stadt. Zuvor war 1915 die große armenische Gemeinde der Stadt ermordet bzw. deportiert worden. Die historischen Baudenkmäler der Griechen und Armenier in T. wurde nach 1923 größtenteils zerstört.
Bis in die Gegenwart erhalten sind die Kirchen Hagia Sophia (türk. Ayasofya; heute Museum) und Panagia Chrysokephalos (heute Moschee). Von Interesse ist außerdem eine 5 km südwestlich der Stadt gelegene Villa Atatürks und die aus dem 15. Jh. stammenden Überreste des armenischen Klosters in Kaymaklı. T. ist Sitz einer technischen Universität. Als größter Hafen der östlichen Schwarzmeerküste und Handelszentrum erlebte T. nach der Öffnung der Grenzen in den 1990er Jahren einen Aufschwung, was sich auch in der stark wachsenden Bevölkerungszahl niederschlägt. Heute ist die Stadt Drehscheibe des Handels mit Armenien, Georgien Aserbaidschan sowie dem Iran. Von der Grenzöffnung profitierte auch die Tourismusindustrie, die inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt und ihrem Umland ist.
Janssens E. 1969: Trébizonde en Colchide. Brüssel.