Vladimir (Stadt)

Vladimir (russ.)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

V. liegt 180 km nordöstlich von Moskau, auf einem Plateau am linken Ufer des Flusses Kljazʹma, umfasst eine Fläche von ca. 60 km² und hat 340.000 Einwohner (2005). V. ist Zentrum des Gebiets V. und gehört zum „Goldenen Ring“. V. liegt ca. 130 m. ü. d. M. Das kontinentale Klima sorgt für kalte Winter und relativ warme Sommer – die Durchschnittstemperaturen betragen im Januar –11 °C und im Juli 17 °C. Die Niederschlagsmenge beträgt durchschnittlich ca. 500 mm im Jahr.
Wichtige Industriezweige der Stadt sind der Maschinenbau, die metallverarbeitende, chemische und Lebensmittelindustrie. Als Universitätsstadt mit zwei staatlichen („Staatliche Universität V.“ [Vladimirskij gosudarstvennyj universitet] und „Staatliche Pädagogische Universität“ [Vladimirskij gosudarstvennyj pedagogičeskij universitet]) und zahlreichen privaten Hochschulen, Theatern und einer Philharmonie ist V. auch kulturelles Zentrum. Die zahlreichen sakralen und profanen Baudenkmäler unterstehen der Verwaltung des „V.-Suzdalʹer Museumsparks“ (Vladimiro-Suzdalʹskij musej zapovednik). In V. befindet sich der Sitz des Erzbischofs von V. und Suzdalʹ.

2 Kulturgeschichte

V. ist eine der ältesten russischen Städte. Nach finnougrischen Stämmen siedelten auf dem Gebiet ab Anfang des 9. Jh. Slawen. Seit den 1990er Jahren wird unter Bezugnahme auf die „Hypatios-Chronik“ und archäologische Funde, die eine frühmittelalterliche Handwerks- und Handelstätigkeit zu belegen scheinen, als Datum der Stadtgründung V.s das Jahr 990 diskutiert. Sie wird dem Kiewer Fürsten Vladimir Svjatoslavič zugeschrieben, der mit der Christianisierung des Gebietes in Verbindung gebracht wird. Bis dahin galt die Errichtung der Festungsanlage V. – zur Verteidigung des nördlicheren Suzdalʹs –1108 durch Vladimir II. Vsevolodovič Monomach als Gründungsdatum. Die Namensgebung der Stadt ist vermutlich auf den Namen des Gründers zurückzuführen.
Aus den bedrohten steppennahen Gebieten, wo sie Fürstenfehden ausgesetzt waren, zogen im 11. und 12. Jh. ostslawische Kolonisten in das Gebiet um V., wo sie fruchtbaren Ackerboden fanden. So erlebte V. unter Andrej Bogoljubskij, der 1157 die Hauptstadt des Fürstentums Rostov-Suzdalʹ nach V. verlegte, seine erste Blüte. Hauptstadt blieb V. bis 1362. Hohes Ansehen gewann V. zu der Zeit durch die sog. V.-Suzdalʹer Schule der Architektur und Bildenden Künste.
Der Verzicht Bogoljubskijs auf den Kiewer Thron förderte die politische Entwicklung des russischen Nordostens mit dem späteren Zentrum Moskau. Obwohl es Bogoljubskij nicht gelang, in V. einen zweiten Metropolitensitz einzurichten, blieb V.´s politische Bedeutung erhalten.
In der Herrschaftszeit des jüngeren Bruders Andrejs, Vsevolods III. Bolʹšoe Gnezdo (1176–1212), setzte sich die Blütezeit V.s mit der Ausdehnung des Territoriums und Erweiterung der Festungsanlagen fort. Besonders in den Jahren 1157–65 entwickelte sich eine rege Bautätigkeit, aus der Architekturdenkmäler wie das aus Kalkstein errichtete „Goldene Tor“ (Zolotye vorota), das V.s Status als Hauptstadt symbolisieren sollte, und die „Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale“ (Uspenskij sobor) mit der byzantinischen, später als nationales Heiligtum verehrten Ikone „Mutter Gottes mit dem Kind“ (Vladimirskaja bogorodica) hervorgingen.
Weitere kulturhistorisch bedeutsame Bauwerke wie das „Mariä-Geburt-Kloster“ (Roždestvenskij monastyrʹ) und das „Fürstinnenkloster“ (Knjaginin monastyrʹ) sowie die „Dmitriev-Kathedrale“ (Dmitrievskij sobor) wurden während der Herrschaftszeit von Vsevolod III. errichtet. Die „Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale“ und die Dmitriev-Kathedrale sowie das „Goldene Tor“ gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO.
1238 wurde das Fürstentum V. von den Mongolen unter der Führung von Batu Khan erobert. Die Stadtentwicklung wurde dadurch nachhaltig unterbrochen, viele Handwerkstraditionen gingen verloren. Dennoch bewahrte sich V. während der Herrschaftszeit von Aleksandr Nevskij (1252–63) seine politische Vormachtstellung unter den Städten der Rus. 1299–1317 oder 1325 befand sich in V. der Sitz des Metropoliten.
Die Bedeutung V.s sank endgültig als 1328 der V.er Großfürst Ivan I. Danilovič Moskau zur neuen Hauptstadt der Rus machte. Bei der Errichtung eines zentralisierten russischen Reiches wurden die kulturellen und politischen Traditionen V.s, wie die Architekturschule und Handwerkskunst, meist übernommen. Als Heimat zahlreicher Handwerkszweige hatte V. auch, v .a. durch seine Baukunst, bedeutenden Einfluss auf andere russische Städte, u. a. auf Moskau.
Vom 14. bis zum 16. Jh. war V. Angriffen und Plünderungen ausgesetzt, wie 1521 durch die Krimtataren und 1609–14 durch polnisch-litauische Truppen. Obwohl im 17. Jh. die Bautätigkeit in V. wieder aufgenommen wurde, konnte sie nicht mehr an jene des 12. Jh. anschließen. Im 17. Jh. entstand die „Mutter-Gottes-Kirche“ (Cerkovʹ bogorodicy), im 18. Jh. wurden zahlreiche Holzkirchen durch Steinbauten, z. B. die „Auferstehungskirche“ (Voznesenskaja cerkovʹ), „Dreifaltigkeitskirche“ (Troickaja cerkovʹ) und die „Nikita-Kirche“ (Nikitskaja cerkovʹ) ersetzt.
Dreimal änderte sich im Laufe des 18. Jh. der Status der Stadt. 1719 wurde sie Provinzhauptstadt. 1778 wurde das Gouvernements V., das eines der wirtschaftlich entwickeltsten in Russland war, durch Katharina II. gegründet. 1796 wurde V. zu dessen Hauptstadt.
Sowohl von der Oktoberrevolution, als auch vom Bürgerkrieg und dem Zweiten Weltkrieg blieben Stadt und Region weitgehend verschont. Dennoch war V. innerhalb Russlands mit ca. 43.500 Einwohnern (1914) nurmehr Provinzstadt. Zur Zeit des ersten Fünfjahresplanes begann Ende der 20er Jahre der Ausbau der Schwerindustrie. In den 30er Jahren kamen der Maschinenbau und die chemische Industrie hinzu.
Den Aufschwung macht die anwachsende Bevölkerungszahl von 40.000 (1925) auf 66.800 (1938) deutlich. Durch die historische Bausubstanz war V. bereits in sowjetischer Zeit ein populäreres touristisches Ziel und ist es noch heute. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gewann R. auch als religiöses Zentrum wieder an Bedeutung.

Frojanov I. J., Dvorničenko A. J. 1988: Goroda-gosudarstva drevnej Rusi. Leningrad. Lappo G. 1994: Goroda Rossii, Moskau. http://www.vladimir-city.ru/city/info/?ocherk [Stand 2.8.2005].

(Julia Schatte)


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