Donecʹk
Donecʹk (ukrain., russ. Doneck; 1870–1924: russ. Juzovka, ukrain. Juzivka; 1924– 61 russ./ukrain. Stalino)
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1 Geographie
Stadt und Verwaltungszentrum in der Ostukraine mit 988.000 Einwohnern (2006). D. liegt in den südlichen Steppengebieten des Osteuropäischen Tieflands am Fluss Kalʹmius. In dem gleichnamigen Gebiet leben auf 26.517 km² 4.580.600 Einwohnern. Die mittlere Temperatur im Januar beträgt in D. -6,1 °C, im Juli 20,8 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge beläuft sich auf 515 mm.
D. ist das bedeutendste industrielle und kulturelle Zentrum des Donezbeckens. Neben Kohlebergbau und -verkokung dominieren Maschinenbau und Metallverarbeitung. Des Weiteren sind Chemie- und Textilindustrie von Bedeutung. D. verfügt über drei Theater, eine Philharmonie und zahlreiche Museen. Daneben ist die Stadt mit elf Hochschulen ein wichtiges Forschungs- und Bildungszentrum. Aufgrund der Schwerindustrie leidet D. unter hohen Umweltbelastungen, darüber hinaus bestehen aufgrund der Untertunnelung durch Bergwerke Landabsenkungsprobleme.
2 Kulturgeschichte
1869 gründete der Waliser John Hughes an der Stelle des heutigen D.s eine metallurgische Fabrik. Deren Arbeitersiedlungen bildeten die Keimzellen der neuen Stadt, die nach dem Investor Juzovka benannt wurde. Die reichen Kohlevorkommen im Stadtgebiet begünstigten die industrielle Entwicklung. Einen wichtigen Entwicklungsimpuls erhielt der Ort 1883 mit der Eröffnung der Eisenbahnverbindung zum Erzabbaugebiet um Kryvyj Rih. 1884–1913 wuchs die Stadtbevölkerung von 5.500 auf 70.000 Einwohner an, wobei überwiegend Russen zuzogen. Die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen führten zu zahlreichen Streiks, die in der Regel mit Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung verbunden waren.
Im russischen Bürgerkrieg unterstütze ein großer Bevölkerungsteil die Kommunisten, welche dort zunächst die Macht ergriffen. Im weiteren Verlauf wurde die Stadt mehrfach von verschiedenen Kriegsparteien erobert, wodurch große Schäden entstanden. Nach dem bolschewistischen Sieg wurde die 1924 in Stalino umbenannte Stadt zu einem kommunistischen Vorzeigeobjekt ausgebaut, wobei man viel Wert auf den Bau von Kultureinrichtungen, Hochschulen und Wohnungen legte. Bis 1939 stieg die Einwohnerzahl auf 472.400 an. Im Zweiten Weltkrieg war die Stadt erneut hart umkämpft und 1941–43 unter deutscher Kontrolle. Von der verbliebenen jüdischen Bevölkerung, welche nicht vor der herannahenden Wehrmacht geflohen war, überlebte fast niemand die deutsche Besatzungszeit.
Bereits während der Besatzung gab es in der Stadt ein Kriegesgefangenenlager, in welchem die Lebens- und Arbeitsbedingungen katastrophal waren. Nach der sowjetischen Rückeroberung entstand die Lagergruppe 7-280 (Stalino) (russ. Upravlenie lagerej 7-280), die bis zu 40 Lagern umfasste, in welchen nicht nur gefangene Soldaten der Achsenmächte leben und arbeiten mussten, sondern auch Angehörige der in Südosteuropa (Jugoslawien, Rumänien, Ungarn) beheimateten deutschen Minderheiten, welche ab Ende 1944 auf Anweisung der Sowjetmacht aus ihrer Heimat als Zwangsarbeiter deportiert worden waren. Aufgrund der schlechten Lebensbedingungen und der schweren Arbeit, die überwiegend in den Bergwerken abgeleistet werden musste, war die Sterblichkeit in diesen Lagern insbesondere in den 1940er Jahren sehr hoch. Die letzten Gefangenenlager der Lagergruppe Stalino wurden Mitte 1954 aufgelöst.
Die schwer zerstörte Stadt erlebte nach dem Krieg eine erneute Aufschwungsphase und wuchs bis 1991 auf 1.121.400 Einwohner an. Da ein großer Teil der Zuziehenden weiterhin aus Russland kam, blieb der Anteil der Russen in D. relativ konstant bei knapp über 50 %. Jedoch verlangsamte sich das Wachstum der Stadt bereits in den 1960er Jahren, da die Sowjetunion den Investitionsfokus zunehmend auf Sibirien verlegte. Angesichts einer sich anbahnenden wirtschaftlichen Krise kam es in den 1980er Jahren zu massiven Bergarbeiterstreiks. Damals wuchs auch unter der russischen Bevölkerung die Unterstützung für eine ukrainische Unabhängigkeit, da die Kohlebergwerke in der energiearmen Ukraine bessere Zukunftsperspektiven hatten. Die Selbständigkeit verhinderte jedoch nicht, dass die Stadt in den 1990er Jahren zunächst in eine schwere ökonomische Krise geriet. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung D.s in der unabhängigen Ukraine konnten nach 1991 erstmals aus der Stadt stammende politische Eliten in nationale Machtpositionen vorrücken. Hierzu zählt etwa der 2002–05 amtierende ukrainische Ministerpräsident Janukovič.
http://history.doneck.info/ [Stand 25.6.2004].