Kielce (Pogrom)

Kielce, Pogrom

Der Pogrom von K., einer südpolnischen Provinzstadt, war der größte antijüdische Gewaltausbruch nach dem Ende des Nationalsozialismus in Europa, dessen tatsächlicher Hergang auch in Polen erst nach 1989 der Öffentlichkeit bekannt wurde.

Nachdem ein achtjähriger polnischer Junge die im Haus der jüdischen Gemeinde von K. untergebrachten Holocaust-Überlebenden fälschlich beschuldigt hatte, ihn entführt und gefangengehalten zu haben, versammelte sich dort am Morgen des 4.7.1946 rasch eine vieltausendköpfige Menge. Mobilisiert durch Gerüchte um vermeintlich hier vollzogene Ritualmorde an polnischen Kindern und unterstützt von ortsansässigen Polizisten und Soldaten, drangen einzelne Gruppen in das Gebäude ein und plünderten es. Über 40 der jüdischen Bewohner wurden z. T. schwer verletzt, 42 getötet – sie starben zumeist an den durch Schläge mit Steinen und Eisenstangen verursachten Kopfverletzungen, neun Opfer wiesen tödliche Schuss-, zwei Bajonettwunden auf. Außerdem wurde eine auf 20–30 Todesopfer geschätzte Zahl von Juden bzw. solche zu sein Verdächtigten in Zügen und auf Bahnhöfen ermordet. Erst am Nachmittag wurden die Unruhen von auswärtigen Sicherheitskräften beendet und über 100 Personen verhaftet. Zwölf Täter, darunter vier Polizisten, wurden in einem Schnellverfahren abgeurteilt, in dem am 11.7. neun Todesurteile verhängt und tags darauf vollstreckt wurden; in späteren Geheimprozessen sprachen die Gerichte weitere Angeklagte, darunter Sicherheitsfunktionäre, zumeist frei.

Eine durch aktuelle Befürchtungen vor einer Sowjetisierung und Unzufriedenheit mit der kommunistischen Warschauer Regierung aufgeheizte Stimmung, das demoralisierende Erbe der NS-Okkupation sowie ein virulenter und bis in die kommunistische Partei (PPR) verbreiteter Antisemitismus waren die wichtigsten Ursachen der Aggression. Gleichwohl halten sich bis in die Gegenwart Verschwörungstheorien, die politisch organisierte „Provokationen“ für die Geschehnisse verantwortlich machen.

Der Pogrom von K. hatte zur Folge, dass sich die stetige Auswanderung jüdischer Bevölkerung aus Polen in eine Massenflucht verwandelte. Seit 1990 erinnert eine Gedenktafel am Ort des Geschehens (ul. Planty) an den Pogrom.

Szaynok B. 1992: Pogrom Żydów w Kielcach 4 lipca 1946. Warszawa. Friedrich K.-P. 1997: Antijüdische Gewalt nach dem Holocaust. Zu einigen Aspekten des Judenpogroms von Kielce. Jb. für Antisemitismusforschung 6, 115–147.

(Klaus-Peter Friedrich)


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