Trubeckoj, Nikolaj Sergeevič

Trubeckoj, Nikolaj Sergeevič (russ., dt. auch: Trubetzkoy); *4.(16).4.1890 Moskau †25.6.1938 Wien.

Fürst T. entstammte einem alten russischen Adelsgeschlecht. Sein Vater Sergej N. T. und dessen Bruder Evgenij lehrten Philosophie an der Universität Moskau. Nach einer ersten Publikation zur finnougrischen Folklore im Alter von 15 Jahren studierte T. in Moskau und Leipzig. 1916 wurde er Privatdozent für Vergleichende Sprachwissenschaften und Sanskrit in seiner Heimatstadt. Die Oktoberrevolution zwang T. in die Emigration, wo er 1920 in Sofia die kulturphilosophische Arbeit „Europa und die Menschheit“ (zunächst auf russisch: ›Evropa i čelovečestvo‹, später auf dt., München 1922) veröffentlichte.

Diese erkenntnistheoretisch fundierte Kritik am Eurozentrismus gab den Anstoß zur Gründung der sog. Eurasierbewegung, an der T. aktiv teilnahm. Von 1922 bis zu seinem Tod war T. ordentlicher Professor für Slawische Philologie in Wien. Zusammen mit Roman Jakobson, mit dem er zeitlebens in engem Austausch stand, entwickelte T. die Sprachbundtheorie, die Sprachen nicht aufgrund genetischer Verwandtschaft, sondern aufgrund kontaktbedingt erworbener Ähnlichkeit gruppiert. Als Mitglied des Prager Linguistischen Kreises (Pražský lingvistický kroužek) war T. maßgeblich am Übergang von der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft zur strukturalistischen Linguistik beteiligt. Sein bedeutendstes wissenschaftliches Werk, das unvollendete Manuskript „Grundzüge der Phonologie“, erschien posthum 1939. Wichtige Beiträge lieferte T. außerdem zur Stellung der slawischen innerhalb der indoeuropäischen Sprachen, zu den kaukasischen Sprachen und zur altrussischen Literatur.

Hafner S. 1988: Fürst Nikolaj Sergeevič Trubetzkoy (Trubeckoj) in Wien. Hafner S., Mareš F. W., Trummer M. (Hg.): Opera slavica minora linguistica. N. S. Trubetzkoy. Wien, IX–XXXVII (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Sitzungsberichte 509). Sériot P. 1996: Bibliographie des œuvres de N. S. Troubetzkoy. N. S. Troubetzkoy. L’Europe et l’humanité. Écrits linguistiques et paralinguistiques. Traduction et notes par P. Sériot. Liège, 231–240.

(Stefan Wiederkehr)


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