Narva (Fluss)
Narva (estn./ russ., dt. hist. Narwa, russ. hist. Narova); Grenzfluss zwischen der Republik Estland und dem „Leningrader Gebiet“ in der Russischen Föderation. Der Name N. stammt aus dem Wepsischen und bedeutet soviel wie „Stromschnelle“, „reißender Fluss“.
Der Fluss ist 72,5 km (nach älteren Messungen 77 km) lang, auf ca. 35 km durchmisst er den 1955 für ein Wasserkraftwerk errichteten Stausee. Er stellt den einzigen Abfluss aus dem Peipus-See zwischen den Dörfern Vasknarva (Estland) und Skamʹja (Russland) dar und ist der zweitgrößte Zufluss in den Finnischen Meerbusen nach der Newa. Sein Einzugsgebiet umfasst 281.000 km². Seine mittlere Breite beträgt 250–400 m, die Tiefe 4–6 m, er überwindet ein Gefälle von 30 m. Die mittlere Abflussmenge beträgt 321 m³/s. 700 m vor der Mündung vereinigt die N. sich mit dem Fluss Rossonʹ (russ., estn. Rosoni jõgi), der sie nach ca. 26 Kilometern mit der Luga verbindet; je nach Wasserstand in N., Luga und Finnischem Meerbusen wechselt dieser die Fließrichtung (Bifurkation).
Schiffbar wird der Fluss ab Kuningaküla, einige Kilometer nördlich von Vasknarva, wobei der Staudamm die Durchfahrt durch Narva-Ivangorod versperrt. Auf der Insel Kreenholm (von dt. Krähenholm oder schwed. Grönholm) wurde 1857 von Ludwig Knoop die gleichnamige Baumwollmanufaktur errichtet. Ihre vier Wasserräder bzw. die 1868 an deren Stelle getretenen Turbinen waren zu ihrer Zeit die mächtigsten der Welt.
Am Unterlauf der N. sind Keramiken gefunden worden, die der sog. Narva-Kultur aus dem Neolithikum zugerechnet werden. Die ersten Hinweise auf beständige Siedlung am Flussufer reichen in das 11./12. Jh. zurück und sind wotischen Ursprungs. Seit der Erwähnung der N. in den altostslawischen Chroniken im 13. Jh. stellt das Gewässer eine natürliche Grenze zwischen dem ostslawischen Herrschaftsbereich im Osten und dem Siedlungsgebiet der Esten dar. Nachdem im Friedensvertrag von Tartu 1920 die Grenze zwischen Sowjet-Russland und Estland gut 20 km östlich der N. verlief, gliederte die Sowjetunion 1944 das Transnarvagebiet der RSFSR an. Diese Grenze liegt auch dem 2005 unterzeichneten estnisch-russischen Grenzvertrag zugrunde. Seit dem 1.5.2004 bildet der Fluss die Außengrenze der Europäischen Union.
Jaani A. 2000: Narva jõgi ja veehoidla. Tartu.