Schollenbindung (Walachei und Moldau)
Schollenbindung (Walachei und Moldau)
Die bäuerlichen Schichten der Walachei und der Moldau genossen nach heute in der Historiographie vorherrschender Ansicht seit der Entstehung dieser beiden Woiwodschaften im 14. Jh. die Freizügigkeit. Dies stellte eine wesentliche Voraussetzung für den Landesausbau und die Binnenkolonisation dar. Für das 16. Jh. lässt sich jedoch die zunehmende Tendenz der Einschränkung des Abzugsrechtes beobachten. Vor dem Hintergrund zunehmender Kriegs- und Plünderzüge dürfte das demographische Wachstum ins Stocken geraten sein. Mit der zugleich anwachsenden fiskalischen Belastung der Bauern zur Bezahlung des Tributes an die Hohe Pforte drohte die Steuerbasis durch das weit verbreitete Entlaufen der Bauern zu erodieren. Die S. diente daher v. a. fiskalischen Interessen des Landesherrn, der auf diese Weise die steuerpflichtige Bevölkerung in ihren Dörfern zu stabilisieren versuchte. Die um die Mitte des 17. Jh. in der Walachei und der Moldau erstellten Gesetzeskodizes enthielten nach dem Vorbild der byzantinischen Agrargesetzgebung die Bestimmung, geflüchtete Bauern dorthin zurückzubringen, woher sie entlaufen waren. In der Praxis wurde die S. jedoch nie konsequent gehandhabt und das Phänomen des Entlaufens war ausgesprochen weit verbreitet.
In der Walachei wurde die Abzugsfreiheit Mitte der 90er Jahre des 16. Jh. aufgehoben. Demnach wurden alle auf herrschaftlichem Grund siedelnden Bauern zu Grundhörigen deklariert, welche bei einer Flucht im Prinzip noch nach Jahrzehnten zurückgeführt werden konnten. In der Moldau setzte sich die S. in den ersten Jahrzehnten des 17. Jh. durch, war hier allerdings an die periodisch stattfindenden Zählungen zur Erstellung der Steuerregister (sowie teilweise separat verordnete Fristen) gekoppelt. Der Bauer blieb an den Ort gebunden, wo er anlässlich der letzten Zählung angetroffen worden war. So konnte er nach einer Flucht oft seinen Status durch Eintragung ins Steuerregister am neuen Ort legalisieren. Zu Beginn des 18. Jh. verbreitete sich die Praxis, dass entlaufene Bauern – statt zu ihrem ehemaligen Herrn zurückgebracht zu werden – diesem einen festgelegten Geldbetrag zu entrichten hatten. Auch nach der Aufhebung der persönlichen Abhängigkeit (Leibeigenschaft) in der Walachei und der Moldau in der Mitte des 18. Jh. blieben Einschränkungen des freien Abzuges im Interesse des Staates an der Erfüllung der Steuerpflicht bis in die 2. Hälfte des 19. Jh. bestehen.
Giurescu C. C. 1970: „Aşezământul“ sau „legătura“ lui Mihai Viteazul. Analele Universităţii Bucureşti, seria Istorie 19/1, 53–84. Mihordea V. 1971: Maîtres du sol et paysans dans les Principautés Roumaines au XVIIIe siècle. Bucuresti. Panaitescu, P. P. 1956: Dreptul de strămutare al ţăranilor în Ţările Romîne (pînă la mijlocul secolului al XVII-lea). Studii şi Materiale de Istorie Medie, 1, 63–122. Ursprung D. 2004: Schollenbindung und Leibeingenschaft: Zur Agrarverfassung der Walachei und der Moldau in komparativer Perspektive (Mitte 16. – Mitte 18. Jahrhundert). Südost Forschungen 63 (im Druck).