Meri, Lennart

Meri, Lennart; *29.3.1929 Tallinn, Sohn einer Diplomatenfamilie, der einen Großteil seiner Jugend im Ausland verbrachte, mit vier Sprachen aufwuchs. Als 1941 Estland von der Sowjetunion okkupiert wurde, lebte die Familie in Tallinn und wurde nach Sibirien deportiert. M. und seine Angehörigen überlebten und kehrten zurück nach Estland, wo M. 1953 ein Geschichtsstudium an der Universität Tartu absolvierte. Anschließend arbeitete er als Dramaturg am Vanemuise Theater und beim Rundfunk als Produzent von Hörspielen. 1958 schrieb er sein erstes erfolgreiches Buch über fremde Kulturen. M. musste sich von seiner Arbeit ernähren, da sein Vater wiederholt aus politischen Gründen festgenommen wurde. Sein in Zusammenarbeit mit Finnland und Ungarn entstandener Film „Winde des Vogelwegs“ (estn. Linnutee tuuled) gewann 1977 beim Filmfestival in New York eine Silbermedaille, wurde aber in der Sowjetunion verboten. Zwischen seinen Reisen übersetzte M. Werke von Erich Maria Remarque, Graham Greene, Jean Vercors, Pierre Boulle und Aleksandr Solženicyn und engagierte sich für die estnische Identität in der Sowjetunion. Besonders bekannt ist sein Buch „Silberweiß“ (estn. Hõbevalge). M. hielt Kontakt zu vielen Intellektuellen im Ausland, die vor der sowjetischen Okkupation geflohen waren. Zu diesem Zweck gründete er das unabhängige Estnische Institut mit Vertretungen in den Hauptstädten Nordeuropas. Nach der Unabhängigkeit 1991 wurde er Botschafter in Finnland, zuvor diente er unter Ministerpräsident Edgar Savisaar als Außenminister und baute in dieser Zeit das bis dahin nicht existente Ministerium erst auf. Im Oktober 1992 wurde M. zum Präsidenten Estlands gewählt. Er gewann auch 1996 die Wahl gegen den noch in der ersten Runde überlegenen reformkommunistischen Parlamentspräsidenten Arnold Rüütel. Das Amt des Staatspräsidenten hatte er bis 2001 inne. M. gilt in der Öffentlichkeit bis heute als Glücksgriff im Präsidentenamt, da er kein über Jahrzehnte in der Emigration gewesener Intellektueller ist und mehrere Sprachen fließend beherrscht. M. ist seit 1963 Ehrenmitglied der estnischen Schriftstellervereinigung, der estnischen Cineasten Vereinigung sowie des estnischen PEN-Klubs. Er lebt in zweiter Ehe mit Helle Meri zusammen und hat drei Kinder.

(Axel Reetz)


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