Dakisch (Überblick)
Dakisch (-e Sprache, Überblick)
D. war die Sprache dakischer Stämme, die sprachlich möglicherweise mit thrakischen Gruppen verwandt waren. Da es aber gar keine schriftlichen Überlieferungen gibt, lässt sich das Verhältnis zwischen D. und Thrakisch nicht genauer bestimmen.
In den wenigen dazu erhaltenen antiken Quellen werden die Daker oft mit den „Geten“ (griech. Getai, latein. Getae) gleichgesetzt. Bei Strabo wird z. B. erwähnt, dass Daker und „Geten“ die gleiche Sprache sprechen. Das ist allerdings angesichts der mangelnden Kenntnisse Strabos über die thrakischen Dialekte bzw. Sprachen hinterfragbar. Der sprachliche Verwandtschaftsgrad von Dakern mit „Geten“ ist wegen des Fehlens schriftlicher Überlieferungen nicht festzustellen.
Eine große Bedeutung hat man dieser Sprache im Zuge der Bildung der rumänischen Nation zugeschrieben. Nachdem sich die geistige Elite der Rumänen bis Mitte des 19 Jh. (mit einigen wenigen Ausnahmen) nur als Nachfolger der Römer verstand, setzte sich seit dieser Zeit immer mehr der Gedanke durch, das rumänische Volk sei aus der Symbiose der Daker und Römer hervorgegangen. 1874 nahm der Philologe Bogdan Petriceicu Haşdeu an, dass rumänische Wörter wie cioban („Schäfer“), baci („Senn“), stână („Sennhütte“), urdă („Molkenkäse“) und brânză („Käse“) aus dem D. kämen. Vom heutigen wissenschaftlichen Standpunkt aus sind seine Theorien nicht haltbar. Ende des 19. Jh. gewannen die Daker immer mehr an Bedeutung für die rumänische Nationalidentität und es entstanden Theorien, die im Lateinischen eine Variante des D. sahen bzw. D. und Lateinisch als Dialekte der gleichen Sprache verstanden (z. B. Nicolae Densuşianu). Diese Ideen blieben bis zum Aufkommen des Kommunismus in Rumänien aktuell.
In den 1960er Jahren entfaltete sich in Rumänien ein radikales national-kommunistisches System und das Interesse an den Dakern wuchs entsprechend. D. glich wieder dem Lateinischen. Außerdem ist man seitdem in wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Kreisen bemüht, für verschiedene rumänische Wörter dakische Etymologien zu finden. Eine der ersten Arbeiten dieser Strömung war Ion Russus Monographie zur „Sprache der Thrako-Daker“ (Limba traco-dacilor). Russu knüpfte an einigen deutschen, österreichischen, französischen und bulgarischen Forschungen an, die sich aber hauptsächlich auf das Thrakische konzentriert hatten. Er schließt, dass 160 rumänische Wörter aus dem D. kämen, die, zusammen mit ihren Ableitungen, 10 % des rumänischen Grundwortschatzes bilden würden. Seine Arbeitsmethode ist heute in der Sprachwissenschaft umstritten. Das rumänische Standardwörterbuch (Dicţionarul explicativ al limbii române) gibt keine dakischen Etymologien an.
I. I. Russu führte auch einige Orts- bzw. Flussnamen auf das D. zurück. Die Flüsse Olt, Mureş, Someş, Timiş, Criş sollen ihre Namen von den Dakern erhalten haben. Die Diskussion um die Etymologie von Orts- und Flussnamen in Rumänien ist v. a. in den letzten Jahren im Rahmen der Diskussion über die dakisch-römische/rumänische Kontinuität im nördlichen Donauraum geführt worden. In der Wissenschaft ist längst noch kein Konsens darüber erreicht worden.
Boia L. 2003: Geschichte und Mythos. Über die Gegenwart des Vergangenen in der rumänischen Gesellschaft. Köln. Duridanov I. 2002: Dakisch (http://www.uni-klu.ac.at/eeo/Dakisch.pdf). Okuka M. (Hg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt, 943–945 (= Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens 10).