RGW
RGW (Abk. für: Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, auch: COMECON, russ. sovet ėkonomičeskoj vzaimopomošči, SĖV)
Als Antwort auf den amerikanischen Marshall-Plan gründeten die UdSSR, Bulgarien, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei und Ungarn am 25.1.1949 den RGW. Am 23.2.1949 schloß sich Albanien an (ab Dezember 1961 bereits nicht mehr an der Arbeit teilnehmend und 1962 ausgetreten), am 29.9.1950 die DDR. Vietnam, China und Nordkorea nahmen seitdem als Beobachter teil. Mit dem Beitritt der Mongolischen Volksrepublik am 6.7.1962 wurde erstmals ein nichteuropäisches Land Mitglied des RGW. Am 17.9.1964 trat die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien dem RGW bei. Ab der 37. Jahrestagung im Oktober 1983 in Berlin (Ost) nahmen weiterhin als Beobachter teil: Afghanistan, Angola, Äthiopien, die Demokratische Volksrepublik Jemen, Laos, Moçambique und Nicaragua. Mit einem Teil dieser Länder wurden auch Abkommen über eine Zusammenarbeit geschlossen.
Ursprüngliches Ziel der RGW-Gründung war es, die sozialistischen Staaten aus den wirtschaftlichen Beziehungen mit westlichen Ländern herauszulösen und ihre Einbeziehung in den Marshall-Plan zu verhindern. Durch Koordinierung der nationalen Wirtschaftspläne und eine arbeitsteilige Produktion sollte der RGW zu Fortschritt und Wohlstand der Mitgliedsländer beitragen; ein wirtschaftlicher Zusammenschluß wurde jedoch nicht angestrebt. Die Ziele des RGW waren demnach zunächst eher politischer als wirtschaftlicher Art. Erst Ende 1959 wurde eine Satzung angenommen, die Ziele, Prinzipien, Vollmachten und Funktionen festlegte.
Die Staaten des RGW waren v. a. auf Rohstoffe aus der UdSSR angewiesen, im Gegenzug lieferten sie Konsumgüter und Maschinen. Die Produktions- und Liefermengen wurden dabei allein von Moskau bestimmt. Die RGW-Länder richteten ihren Warenaustausch stark aufeinander aus. Das wirtschaftliche Leistungspotential der einzelnen Mitgliedsländer war dabei sehr verschieden und stellte ein großes Hindernis für eine stärkere Integration dar: Die Sowjetunion produzierte etwa zwei Drittel des Sozialprodukts des RGW; das höchste Sozialprodukt pro Kopf erreichte allerdings die DDR.
Die Zusammenarbeit im RGW erfolgte im Rahmen einer komplizierten Institutionenstruktur. Dazu gehörten die Ratstagung, das Exekutivkomitee, das Sekretariat, vier Spezialkomitees und 21 nach Branchen organisierte ständige Kommissionen. Sitz dieser Institutionen war Moskau. Entscheidungen mussten einstimmig erfolgen, hatten jedoch nur Empfehlungscharakter. Das Sekretariat beispielsweise hatte nicht das Recht, solche Empfehlungen auszusprechen. Der RGW war insofern keine supranationale, sondern eine zwischenstaatliche Organisation. Die konkrete Zusammenarbeit erfolgte durch eine Koordinierung der mittelfristigen Volkswirtschaftspläne. Über Planungsvollmachten verfügte der RGW dabei nicht. So vollzog sich die Abstimmung von Struktur- und Investitionspolitik eher im Rahmen zweiseitiger Abstimmung als im Rahmen des RGW. Hauptgebiete der RGW-Integration waren Intrablockhandel und Produktionsspezialisierung.
Das höchste Organ des RGW, die Ratstagung der Ministerpräsidenten, fand satzungsgemäß mindestens einmal im Jahr statt. Im Abstand von etwa zwei Monaten kamen die stellvertretenden Regierungschefs zu einer Sitzung des Exekutivkomitees zusammen. Das Exekutivkomitee, dem das Sekretariat des RGW für die Verwaltungsarbeit unterstellt war, koordinierte die nationalen Wirtschaftspläne. Der politische Kurs des RGW wurde jedoch faktisch durch die Gipfelkonferenzen der Partei- und Regierungschefs bestimmt, die in der Satzung des RGW allerdings nicht vorgesehen waren.
Der RGW wurde am 28.6.1991 aufgelöst.
Bailey-Wiebecke I. 1989: Die Europäische Gemeinschaft und der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe: multilaterale Diplomatie oder Blockpolitik? Bern. Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe: Strukturen und Probleme. Bonn 1987. Zwass A. 1988: Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe 1949 bis 1987: der dornige Weg von einer politischen zu einer wirtschaftlichen Integration. Wien.