Perser (Ethnie)

Perser

Inhaltsverzeichnis

1 Herkunft

Die P. zählen zu den iranischen Völkern. „Iranisch“ ist dabei eine Verballhornung des persischen Wortes „aryān“, das „Arier“ bedeutet. Alle iranischen Völker führen sich auf die Arier zurück, die wahrscheinlich im 11. Jh. v. Chr. nach Iran, Afghanistan und Indien einwanderten. Ihr geographischer und historischer Ursprung ist unbekannt, wahrscheinlich jedoch zentralasiatisch-nomadisch. Die Arier traten nicht nur als Eroberer auf, sondern assimilierten auch die unterworfenen Völker. Seit dem 8. Jh. v. Chr. nimmt der iranische Raum eine Schlüsselstellung zwischen zwei großen Kulturzentren der Menschheit, nämlich Indien und dem Vorderen Orient, ein. Die iranische Kultur ist daher äußerst vielfältig und kreativ. Die eigentlichen P. werden historisch zuerst bekannt als Unterstamm der Meder, die im 7. Jh. v. Chr. das assyrische Reich zerschlugen. Der Name der P. rührt von ihrem angestammten Siedlungsgebiet, dem südlichen Iran (griech. „persis“, neupersisch „fars“) her. Es gelang den P., sich im 6. Jh. v. Chr. von der medischen Vorherrschaft zu lösen. Kyros I. d. Gr. aus dem Geschlecht der Achämeniden begründete ein despotisch regiertes Großreich.

Zum Verhängnis wurde den P. der Konflikt mit dem klassischen Griechenland, der in einer Serie von Schlachten (Marathon 490 v. Chr., Salamis 488 v. Chr., Platäa 480 v. Chr.) gipfelte, die von Herodot beschrieben wurden. Trotz mehrerer persischer Siege über griechische Konföderationen (Schlacht an den Thermopylen, Zerstörung Athens) gelang es den P. nicht, alle Griechen zu unterwerfen. Im 4. Jh. v. Chr. griffen die Griechen unter dem Makedonenherrscher Alexander d. Gr. ihrerseits die P. an und besiegten sie in zwei großen Schlachten in Kleinasien (Issos 333 v. Chr., Gaugamela 332 v. Chr.). Der letzte Achämenidenherrscher Dareios III. wurde von zwei Provinzstatthaltern ermordet. Nach dem Tode Alexanders d. Gr. (323 v. Chr.) fiel ein großer Teil des Reiches den Seleukiden, einer Diadochendynastie Alexanders, zu.

Das Achämenidenreich war in von Statthaltern (Satrapen) verwaltete Provinzen aufgeteilt und wies einen bemerkenswert hohen Grad an Zentralisierung auf. Ein leistungsfähiges, in Stafetten operierendes Postwesen verband Provinzhauptstädte mit der Reichshauptstadt (zunächst Susa, später Persepolis in Iran). Staatsreligion war der durch Zarathustra (6. Jh. v. Chr.) verkündete Zarathustrismus (auch Zoroastrismus), eine dualistische Religion, deren Weltbild auf dem ewigen Kampf des Lichtes/Guten, verkörpert durch den Gott Ahura Mazda, und des Dunkels/Bösen, verkörpert durch den Dämon Ahriman, basierte. Der Zarathustrismus beeinflusste seinerseits den Religionsstifter Manes/Mani (3. Jh. v. Chr.), dessen nach ihm manichäistisch genannte Philosophie/Religion noch in der frühchristlichen Zeit prominent war; manichäistische Gruppen wurden von der katholischen Kirche als Häretiker verfolgt. Die Achämenidenherrscher selbst scheinen allerdings nicht strikt der zarathustristischen Religion angehangen zu sein; laut dieser Religion sind Erde, Wasser und Feuer heilig, so dass sich Erd-, See- und Feuerbestattungen verbieten. Traditionellerweise wurden die Toten daher zu den sogenannten „Türmen des Schweigens“ gebracht und dort hinterlassen, bis der Leichnam verwest und/oder von den Vögeln vertilgt worden war. Die Achämenidenherrscher erbauten jedoch prächtige Mausoleen (bei Taht-i ¹amÊÍd) als Beisetzungsstätten. Dieser Brauch wurde auch von nachfolgenden iranischen Dynastien beibehalten.

2 Iranische Sprachen

Die iranischen Sprachen zählen zur indoeuropäischen Sprachfamilie. Heute werden hauptsächlich drei iranische Sprachen gesprochen, nämlich das iranisch-persische (pers. farsī) im Iran selbst, das afghanisch-persische (pers. darī) in Afghanistan und das tadschikisch-persische (tāğikī). Alle diese Sprachen verwenden das arabische Alphabet, obwohl unter sowjetischer Ägide das Tadschikische zeitweise mit lateinischen und kyrillischen Buchstaben geschrieben wurde.

Das Persische stieg bald nach der islamischen Eroberung Irans zur Verwaltungs- und Kultursprache auf und verdrängte dabei das Arabische in den Bereich von Religion und Rechtssprechung. Auch von den zahlreichen türkischen Dynastien wurde der Gebrauch des Persischen beibehalten, obwohl ab dem 16. Jh. im Osmanischen Reich das Osmanische, eine Verwaltungs- und Hochsprache, deren Grammatik türkisch ist, die jedoch bis zu 90 % arabische und persische Lehnwörter aufweist, durchsetzte. Das Persische blieb jedoch Literatursprache bis zum Ende des Osmanischen Reiches; noch Anfang des 20. Jh. wurde z. B. auf dem Balkan persische Poesie verfasst.

3 Kultur

Die persische kulturelle Tradition ist alt und war einer Vielzahl von Einflüssen unterworfen, was für ihren außerordentlichen Reichtum verantwortlich sein dürfte. Obwohl auch die P. von Nomaden abstammen (so wird von manchen Gelehrten angenommen, dass es sich bei den „Skythen“ Herodots um die Saken, einen iranischen Nomadenstamm gehandelt habe), bildet sich bald die Unterscheidung zwischen „Iran“, dem sesshaften, „zivilisierten“ Gebiet und „Turan“, dem von „unzivilisierten“ Nomaden meistens türkischer Abstammung bewohnten Steppengebiet. Dennoch gibt es auch heute noch zahlreiche iranischsprachige Nomadenstämme in Iran.

Die von den Nomaden gesammelten und mündlich verbreiteten Legenden bilden einen Fundus von bis heute populären Geschichten, die im 10. Jh. durch den Dichter Firdawsī in seinem „Šāhnāma (Buch der Könige)“ betitelten Werk schriftlich niedergelegt wurden. Auch die persische Lyrik ist von hoher Qualität und wurde von Meistern wie Sa’adi und Hafiz zur Perfektion gebracht.

Neben der Literatur ist besonders die Miniaturenmalerei als wichtigster iranischer Beitrag zur islamischen Kultur zu nennen. Obwohl das islamische Gesetz bildliche Darstellungen lebender Wesen verbietet, wurde diese Industrie doch niemals ausgerottet und fand bis weit über die Grenzen Irans Verbreitung, so z. B. in Indien und dem Osmanischen Reich.

Motive dieser Miniaturen sind häufig den oben erwähnten Legenden entnommen, doch wurden auch Herrscher bildlich dargestellt sowie aktuelle Ereignisse, wie z. B. Schlachten und Zeremonien. Der Malstil ist innerhalb gewisser Traditionen festgelegt; so sind die Figuren häufig stilisiert (obwohl es auch lebensechtere Porträts einzelner Herrschergestalten gibt) und keine Perspektive vorhanden. Es werden leuchtende Farben verwendet, die eher flächig aufgetragen werden; Schattierungen oder Pastelltöne sind äußerst selten.

Auch die iranische Baukunst hat viele Meisterwerke hervorgebracht, wobei häufig eine gelungene Verschmelzung nahöstlicher und zentralasiatischer Baustile festzustellen ist.

4 Religion

Die überwältigende Mehrheit der iranischen Völker ist heute muslimisch, und zwar vornehmlich Anhänger der schiitischen Glaubensrichtung. Die Zarathustrier sind heute bis auf wenige kleine Gruppen aus Iran verschwunden, lediglich in Indien (Bombay) finden sich noch Überbleibsel dieser Religionsgemeinschaft, die unter dem Namen „Parsen“ bekannt sind.

Bausani A. 1965: Die Perser: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart.

(Tilman Lüdke)

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