Letyčiv
Letyčiv (ukrain.; russ. Letičev, poln. hist. Latyczów).
L. ist eine Kreisstadt im westukrainischen „Gebiet Chmelʹnycʹkyj“ und zählt 11.081 Einwohner (2001).
Das am Fluss Volk nahe Chmil’nyk in der podolischen Hochebene gelegene L. entstand im 14. Jh. Nach der Vertreibung der letzten tatarischen Statthalter von Podolien gehörte L. seit 1362 zu Litauen. L. lag im Herrschaftsbereich der Familie Koriatovič, einer Nebenlinie der litauischen Dynastie, die seit 1366 im Lehensverhältnis zu Polen (zeitweise zu Ungarn) stand. Nach der Unterwerfung der Nebenlinie 1394 und der Aufteilung von Podolien zwischen Polen und Litauen 1395 wurde L. ein polnisches Lehen. Seit 1434 in der polnischen Woiwodschaft Podolien gelegen, fungierte L. seit 1411 als eine Wehrburg mit einem Statthalter (poln. namiestnik), seit 1434 als Burgbezirk (lat. districtus) und seit etwa 1450 als Starostei (zeitweise ausgesetzt). 1466 erhielt L. städtische Privilegien und 1537 das Magdeburger Stadtrecht (3 Märkte, 2 Jahrmärkte; erneuert 1558 mit Steuerbefreiung für 10 Jahre). 1546 (Umbau 1603–05) entstanden ein bis 1832 existierendes Kloster und eine Kirche der Dominikaner (Konvikt 1606). Nach Zerstörungen durch Tataren 1530, 1537 und 1567 zählte L. 1570 lediglich 173 Häuser. Zur Abwehr wurde in L. eine Burg erbaut (1598/1607). Von 1601 bis 1793 war L. Sitz einer Starostei. L. teilte sein wechselhaftes Schicksal mit Podolien, so wurde es während des Kosakenaufstandes 1648 –55 und des Bauernaufstandes 1664/65 zerstört. 1672–84 gehörte L. mit Podolien zum Osmanenreich. Nach der Flucht der christlichen Bevölkerung zählte L. lediglich einige Hundert Einwohner. Nach 1684 entstanden die erste Strasse nach L. und eine Brücke. 1702 wurde L. von Kosaken und 1777 von Hajdamaken erobert. 1770 forderte eine Pestseuche zahlreiche Opfer.
1765 zählte die jüd. Gemeinde von L. 652 Mitglieder (erster Beleg 1581). 1789 gehörten zur Starostei L. nur 12 Dörfer, L. zählte 234 Häuser, davon 77 im jüdischen Besitz. Die Bürger beschwerten sich in einer Klage über die Dominanz der Juden im Handwerk und Handel. Nach der zweiten Teilung Polens fiel L. 1793 Russland zu, seit 1795 war es Kreisstadt im Gouvernement Podolien. Zeitweise, 1793–98, residierte in L. ein von Zarin Katharina ernannter katholischer Bischof. 1802 lebten in L. 1541 Juden und 717 Christen, 1840 waren von 2874 Einwohnern 1403 Juden. Etwa 33 km von der Eisenbahn entfernt, wuchs L. nur langsam, 1897 zählte es 7248 Einwohner, davon 4108 Juden. In L. gab es 5 große Jahrmärkte und eine Tabakfabrik, im Umland wurden Torf und Lehm abgebaut. 1894 zählte Stadt L. 8940 Einwohner, davon 5225 Christen, 3636 Juden und 79 Andere.
Während der Ukrainischen Republik 1917–20 fiel 1919 wegen Unterstützung der Bolschewiken durch jüdische Kommunisten knapp die Hälfte der Juden Pogromen zum Opfer. Nach Kämpfen 1917–20 wurde L. 1920 Kreisstadt im Gouvernement Podolien, seit 1923 war es Zentrum einer Region, seit 1924 ein Dorf städtischen Typs im Bezirk Vinnycja (bis 1954). 1926 zählte L. 7158 Einwohner, davon 2434 Juden.
Während der deutschen Besatzung von Juni 1941 bis März 1944 befanden sich in L. ein Ghetto und ein KZ-Lager.
L. fungiert heute als Zentrum einer Agrarregion mit Kleinindustrie (Möbel-, Tabakfabrik). Die Bevölkerung wuchs auf 9100 (1970) bzw. 11.600 Einwohner (1990) an. Zu den Baudenkmälern zählen eine Burgruine mit Bastei, alte kath. und orth. (19. Jh.) Kirchen. Teilweise sind (zweckentfremdete) Synagogen, jüd. Häuser und ein Gasthof erhalten geblieben.
Janas E. 1998: Urzędnicy podolscy XIV-XVIII wieku. Kórnik, 7–28. Lukin V. 1997: 100 evreeskich mesteček Ukrainy. Bd. 1: Podolija, Jerusalem, 113–125. Sulimierskiego F., Chlebowskiego B., Krzywickiego J., Walewskiego W. (Hg.)1986: Słownik geograficzny Królestwa Polskiego i innych krajów słowiańskich 1880–1902 5. Warszawa, 99–104.
(Robert Friedl)