Bełżec
Bełżec (poln.)
B. war das erste der drei im Rahmen der ›Aktion Reinhard‹ errichteten NS-Vernichtungslager (neben Sobibór und Treblinka) mit dem Ziel der Ermordung der Juden im Generalgouvernement (für die besetzten polnischen Gebiete). Es lag abgelegen im südöstlichen Teil des 1939 gebildeten Distrikts Lublin, auf einem bewaldeten Hügel unweit des Bahnhofes des zu der Zeit ca. 4000, heute 2723 Einwohner (2003) zählenden Dorfes B. Ausschlaggebender Faktor für die Errichtung des Lagers in B. war die Lage des Ortes im Grenzraum zwischen Kleinpolen und Galizien, wo insgesamt ca. eine Million Juden lebten sowie der Anschluss an die wichtige Bahnlinie Lemberg-Lublin-Warschau.
In und um B. befanden sich zwischen Mai und Dezember 1940 bereits mehrere Arbeitslager, mit bis zu 10.000 vorwiegend jüdischen Zwangsarbeitern und ca. 1000 Sinti und Roma, die zum Bau einer Befestigungslinie entlang der Grenze zur Sowjetunion eingesetzt wurden.
Mit dem Bau des Vernichtungslagers, das nur eine Fläche von ca. 270 mal 270 m maß, wurde am 1.11.1941 begonnen; verpflichtet wurden dazu Arbeitskräfte aus der Umgebung B.s. Der erste Kommandant der Lagers war der SS Obersturmführer Christian Wirth (1885–1944), der zuvor eine führende Rolle bei der Ermordung behinderter Menschen im Rahmen des sog. Euthanasie-Programms gespielt hatte. Das zum Dorf B. hin durch Umzäunungen und Bäume verdeckte Lager war in zwei Bereiche unterteilt. Im Lager I kamen die Deportierten in Güterwaggons an, hier mussten sie ihre Habseligkeiten abgeben und sich entkleiden. Im Lager II befanden sich die Gaskammern und die Massengräber. Das Lagerpersonal bildeten 20–30 SS-Männer. Zur Bewachung waren zwischen 60 und 120 ›Trawniki‹ bestimmt; die Plünderung und Beseitigung der Leichen wurde von einem jüdischen Arbeitskommando vorgenommen, das aus bis zu 500 Männern bestand.
Die Lagergeschichte lässt sich in zwei Phasen unterteilen. Die erste nahm am 17.3.1942 mit dem Beginn systematisch organisierter Massentötungen mit Kohlenmonoxydabgasen eines Panzermotors ihren Anfang. Erste Vergasungsversuche wurden bereits im Frühjahr 1942 nach Ende der Bauarbeiten durchgeführt.
Um Mitte April 1942 wurden die drei alten in Holzbaracken errichteten Gaskammern abgerissen und sechs neue in einem größeren Gebäude errichtet, die insgesamt 1500 statt bisher 150 Menschen „fassen“ konnten. Mitte Juli 1942 waren die neuen Gaskammern einsatzbereit und Phase zwei begann. Ende August 1942 wurde Wirth zum Inspekteur aller ›Aktion Reinhard‹-Lager ernannt und in B. durch SS-Hauptsturmführer Gottlieb Hering (1887–1945) ersetzt.
Zwischen Juli und Oktober 1942 kamen täglich drei bis vier Züge mit bis zu 10.000 Männern, Frauen und Kindern in B. an. Die Opfer stammten vorwiegend aus dem Lubliner Getto, den Distrikten Lublin, Krakau, Radom und Galizien sowie dem Reichsgebiet, aber auch aus anderen europäischen Ländern. Am 11.12.1942 traf der letzte Transport in B. ein. Anschließend wurde das Lager – vermutlich weil das Terrain keine weiteren Massengräber zuließ – aufgelöst.
Die Leichname der zunächst in Gruben verscharrten Getöteten wurden ab ca. Ende 1942 nachträglich mit Hilfe einer Getreidemühle zermalmt und auf Scheiterhaufen verbrannt, um die Spuren des Massenmordes zu verwischen. Als im März 1943 die weithin sichtbaren Leichenverbrennungen ihren Abschluss gefunden hatten, wurde das Gelände mit Bäumen bepflanzt. 1997–2000 wurden bei Ausgrabungen Leichname entdeckt, die zu der Vermutung Anlass geben, die Arbeitskommandos könnten die Spurenbeseitigung des Massenmordes sabotiert haben. Es ist bekannt, dass Anfang 1943 eine große Zahl von ›Trawniki‹ desertierte und in der Umgebung Partisanenverbände bildete. Die Zahl der in B. Ermordeten wird auf 600.000 geschätzt. Nach Jahren des Schweigens entstand 1963 ein erstes Denkmal, seit Juni 2004 erinnert eine neue Gedenkstätte mit Museum an die Opfer. Nur zwei Menschen überlebten das Lager.
http://www.belzec.org.pl/ [22.7.2005].